In guter Deckung außerhalb der Rodung begann Hasard seine Männer einzuweisen und so zu verteilen, daß sie einen weiten Ring bildeten, der sich allmählich auf den Schauplatz des Überfalls zusammenzog.
Sie würden sich langsam und vorsichtig vorarbeiten. An dem möglichen Fluchtweg über den Trampelpfad – also etwa südwestlich der Rodung – postierte er sich selbst, links von sich Batuti, rechts auf Sichtweite Carberry und Don Juan.
Sie gingen zunächst geduckt vor. Als sie die Stimmen der Kerle hörten, krochen sie auf dem Bauch weiter, schlangengleich und lautlos. Sie hatten mehr als eine Stunde Zeit, bis es zu dämmern begann.
Jeder von ihnen hatte sich auf einen der Aufpasser zu konzentrieren und mußte versuchen, sich ihm auf Sprungweite zu nähern.
Schlagt hart zu! hatte Hasard ihnen eingeschärft. Härter als sonst! Seid nicht zimperlich, die Kerle haben es nicht anders verdient. Und rechnet damit, daß einige harte Schädel haben – dann schlagt doppelt mit dem Pistolengriff zu.
Anschließend sollten die Kerle verschnürt werden, und zwar so, wie es Don Juan und Gary Andrews mit jenem Kerl getan hatten, der als Wachposten südlich des Lagers bei Davao aufgezogen war, wo sie die Muskatnußbäume gefällt hatten. Gleiches bot sich hier an. Man würde sie an die gefällten Stämme fesseln. Lederriemen hatten die Arwenacks bei sich.
Ein schriller Vogelpfiff Hasards würde das Zeichen zum Losschlagen sein.
Hasard peilte seinen Mann an, den er sich vorgenommen hatte – ein ziemlicher Bulle, der offenbar die Oberaufsicht hatte. Jedenfalls tönte er am meisten herum. Dabei saß er dickbramsig auf einem geschälten Stamm und soff ab und zu aus einer Flasche.
Er schwitzte, obwohl er nicht arbeitete. Sein Gesicht war rot und aufgedunsen. Sein Hemd hatte unter den Achseln dunkle Schweißflecke, sauber war es eh nicht.
Ein lieblicher Zeitgenosse war das. Ab und an rülpste er. Vielleicht hatte er in der Nacht zuviel von dem Schweinebraten in sich hineingestopft.
Die Kerle waren außer ihren Messern mit Pistolen bewaffnet, aber die steckten in den Scheiden, beziehungsweise im Gurt. Zur Hand hatten sie nur ihre Peitschen.
Hasard erreichte eine Bodenkuhle und glitt hinein. Von dort schob er sich unter einen Haufen bereits abgeschlagener und aufgeschichteter Zweige, die allerdings lose übereinanderlagen – eine vorzügliche Deckung.
Der Kerl hockte drei Schritte von ihm entfernt und drehte ihm das breite Kreuz zu. Hasard verzog angewidert die Nase. Der Schweißgeruch, vermischt mit Fuselgestank, drang bis zu seiner Deckung.
Ein anderer Kerl setzte sich zu dem Bullen – sein Blick streifte dabei gleichgültig über die aufgeschichteten Zweige. Den Mann darunter sah er nicht. Hasard atmete unhörbar aus. Noch mal gutgegangen!
Die beiden Kerle begannen zu palavern.
Wenn der Kerl dort neben dem Bulligen sitzen blieb, würde er es beiden besorgen müssen. Na ja, einer mehr. Aber sie wandten ihm ja beide den Rücken zu. Er würde erst pfeifen, wenn er zuschlug.
Oh, diese Warterei!
Jetzt zogen sich die Minuten endlos hin. Hasard entspannte sich. Es hatte keinen Zweck, ständig wie eine Feder auf dem Sprung zu sein. Axthiebe drangen an seine Ohren, Keuchen, dazwischen die fluchenden Stimmen der Kerle, Zurufe, das Klatschen einer Peitsche und höhnisches Lachen.
Weiter rechts voraus ein scharfer Ruf, dann Prasseln und ein dumpfer Aufschlag, daß der Boden erzitterte. Ein Baum war gefällt.
Der Kerl neben dem Bullen stand wieder auf und entfernte sich. Das war eine dieser Unwägbarkeiten – je mehr die Kerle herumschlenderten, desto schwieriger würde es sein, sich an sie heranzuarbeiten.
Hasard konnte nur hoffen, daß jeder seinen Mann schnell und auf Anhieb erwischte. Würde ein Schuß im Kastell zu hören sein? Eigentlich kaum, der Dschungel lag dazwischen und wirkte geräuschdämpfend. Der Wind stand immer noch ostwärts, der Knall würde dorthin wehen, nicht nach Süden.
An was man alles denken mußte!
Und doch war keine Planung vollkommen. Jede Situation konnte sich jäh ändern und alles über den Haufen werfen. Dann mußte man reagieren und improvisieren.
Paßt auf, daß keiner entwischt, hatte Hasard seinen Mannen eingeschärft. Keiner darf zum Kastell durchbrechen und die Kerle dort alarmieren.
Hm. Batuti und Carberry hatten gemeint, die männlichen Gefangenen seien spanische oder portugiesische Seeleute. Da hatte er seinen Arwenacks verklart, daß sie wieder die spanische Rolle spielen müßten. Hoffentlich dachten sie daran und verrieten sich nicht. Aber im Grunde konnte er sich auf sie verlassen – es gab keine besseren Männer, und wieviel hatten sie schon durchgestanden, auch Niederlagen!
Konnte sich die Sonne nicht etwas beeilen mit ihrem Abstieg? Doch – die Helligkeit hatte sich um eine Nuance vermindert! Na endlich, dachte Hasard.
Der Bulle setzte wieder die Flasche an und trank. Dann wurde gerülpst. Der Kerl betrachtete die Flasche, kippte die Mündung nach unten. Leer! Eine kurze Bewegung, die Flasche flog nach hinten, prallte auf den Zweighaufen und kullerte vor Hasard auf den Boden.
Hasard hätte am liebsten laut gestöhnt. Das war ja nicht zum Aushalten! Jetzt stieg ihm der Fuselgestank in die Nase. Scheißzeug!
Der Kerl kratzte sich unter der rechten Achsel und brummte etwas vor sich hin.
Die Helligkeit verminderte sich weiter.
Der Bulle klatschte in die Hände – offenbar das Zeichen, die Arbeit allmählich einzustellen.
Es war soweit.
Hasard zog das rechte Bein an. Die Pistole hatte er bereits in der Rechten. Er stemmte sich auf, und dann schnellte er hoch.
Der Vogelpfiff schrillte.
Der Bulle zuckte etwas zusammen. Da war Hasard hinter ihm und drosch ihm den Pistolenknauf auf den Schädel – und gleich noch einmal.
Der Kerl sackte mit einem Ächzen nach vorn und kippte zu Boden.
Blitzschnell schaute sich Hasard um.
Ja, überall waren die Mannen aufgetaucht, dumpfe Schläge ertönten, Kerle brachen zusammen, einige stöhnend, andere stumm.
Nur einer setzte zur Flucht an, Stenmarks Mann, der zu weit von ihm weggewesen war, um ihn sofort zu erreichen. Aber der Schwede mit seinen langen Elchbeinen fegte hinter ihm her, erwischte ihn und knallte ihm die Pistole auf den Kopf. Der Kerl fiel um wie die Bäume, die man hier gefällt hatte.
Die zwölf Männer und die fünf Frauen standen wie vom Donner gerührt, fassungslos über das, was um sie herum geschah. Das war Spuk, Phantasie, eine Fata Morgana. Das gab es nicht.
Auf spanisch rief Hasard: „Zählt die Aufseher – es müssen fünfzehn sein!“
Dan O’Flynn war schon dabei, stieß den Arm hoch und rief: „Fünfzehn, Señor Capitán!“
„Danke – jetzt fesseln, wie besprochen!“
Einer der spanischen oder portugiesischen Männer stürzte zu Hasard, aufgelöst, Tränen liefen ihm in den struppigen Bart.
„Ist es wahr, Señor? Ist es wahr? Sie befreien uns?“ stammelte er.
„So ist es“, sagte Hasard lächelnd. „Beruhigen Sie sich. Wir bringen Sie und Ihre Kameraden nach Davao. Aber fragen Sie jetzt nicht, wir haben noch einiges zu tun.“
„Danke, Señor, danke, der Herr möge Sie beschützen …“ Und der Mann schlug die rissigen Hände vors Gesicht, um die Tränen zu verbergen, die ihm aus den Augen schossen.
Hasard wandte sich zu Don Juan um. „Bring sie an Bord und kümmere dich um sie, Juan. Nimm ein paar von uns mit. Wir kommen gleich nach, sobald wir die Kerle verschnürt haben.“
„Geht klar, Capitán.“ Er blinzelte Hasard zu und sagte etwas leiser: „Mein Gewissen ist nicht belastet – das von Dan auch nicht, damit du das weißt.“ Er drehte sich um und rief die befreiten Gefangenen zusammen. Mit vier Arwenacks zogen sie ab.
Hasard lächelte verstohlen hinter Don Juan her. Dann widmete er sich den bewußtlosen Kerlen und ging jeden einzelnen ab. Seine Mannen waren bereits mit den Fesselungen beschäftigt. Natürlich hatten sie die Kerle gefilzt und ihnen alles abgenommen, was sie an Waffen hatten.
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