Batuti nickte. „Das werden wir tun, Sir. Wir umgehen die Plantage westlich. Das bietet sich an.“
„In Ordnung. Viel Glück!“
Carberry holte noch ein Spektiv. Dann wurden die beiden Männer zusammen mit Sam Roskill an Land gesetzt. Sie nahmen wieder den Weg durch die Schneise und schlichen nach Verlassen dieses Pfades zu Matt Davies.
Dort hatte sich nichts verändert. Der Arbeitsplatz lag verödet, keine Gefangenen, keine Aufseher.
Batuti und Carberry zogen weiter und benutzten jetzt den anderen Pfad durch den Dschungel, der ausgetrampelt war. Sie hielten sich am Rand dieses Pfades, um sofort im Buschwerk untertauchen zu können, falls sich vor ihnen jemand nahte. Buschwerk und Schlinggewächse beidseits des Trampelpfads boten sichere Deckung.
Batuti schnürte sichernd voraus, an die acht Schritte vor Carberry. Wenn er stehenblieb, um zu lauschen, verharrte auch der Profos wie ein Standbild, bereit, sich ins Buschwerk zu werfen. Trotz der Pausen gelangten sie zügig voran, bis sie den Rand des Dschungels erreichten.
Batuti sicherte wieder und winkte dann Carberry heran. Auf den Feldern der Plantagen befand sich niemand. Der Felskegel, von dem Dan gesprochen hatte, war von hier aus nicht zu entdecken. Batuti nickte nach Westen und setzte sich wieder in Marsch. Jetzt blieben sie auf der Grenze von Dschungel und der gerodeten Plantagenfläche.
Sie umgingen die Gesamtfläche, bis sie nach Süden abknickte. Jetzt lag der Dschungel westlich von ihnen. Sie pirschten weiter, und dann entdeckte Batuti, der immer wieder nach Osten gespäht hatte, in dieser Richtung einen hohen felsigen Kegel. Sie drückten sich in das Buschwerk rechter Hand, und Carberry holte das Spektiv aus dem Gurt.
Eine kurze Weile schaute er hindurch, dann nickte er und sagte: „Auf dem Ding befindet sich ein Ausguck, aber der linst nicht in unsere Richtung.“
Er reichte Batuti den Kieker. Der beschäftigte sich ebenfalls mit diesem Ausguckposten und stimmte dem Profos zu. Trotzdem war nicht sicher, ob der Kerl auf dem Felskegel in bestimmten Abständen Rundblicke nahm.
Immerhin waren acht Frauen geflohen. Vielleicht hatte er Order, auch das Inselgelände im Auge zu behalten.
Da half jetzt alles nichts, sie mußten sich in der Deckung des Dschungels weiter nach Süden vorarbeiten und dann ostwärts schwenken. Aber das Kastell war nicht mehr weit. Den größten Teil des Weges hatten sie hinter sich gebracht.
Ohne lange zu fackeln, zogen sie ihre Entermesser. Und weiter ging’s. Wo der Weg von Lianen oder anderen Schlinggewächsen versperrt war, setzten sie die Messer ein. Sie umgingen Baumriesen oder zwängten sich durchs Gestrüpp vorwärts.
Als das Gelände abfiel, schwenkten sie nach Osten ein. Die See war nah, sie rochen es. Sie lag rechts von ihnen im Süden. Von dem Felskegel sahen sie nichts mehr – und wurden nicht gesehen. Das Blätterdach über ihnen schützte sie.
Nach kurzer Zeit mußten sie in eine Schlucht absteigen, durch die ein Bach seewärts floß.
Der Profos grinste und flüsterte: „Da sollten wir einen gluckern, auch wenn’s kein Rum ist.“
Batuti nickte und probierte das Wasser. Es war rein und klar und erfrischte. Sie tranken vorsichtig und wischten sich die verschwitzten Gesichter sauber.
Dann stiegen sie den Bach abwärts und erreichten den Strand. Das war auch eine Möglichkeit, weiter nach Osten vorzudringen. Der Weg lag im toten Winkel des Ausguckpostens auf dem Felskegel. Strand und felsiges Gestein wechselten sich ab. Hier gelangten sie gut voran, es war nicht stickig und schwül wie in dem Dschungelverhau.
Der Strand verlief in West-Ost-Richtung, unterbrochen von kleinen Buchten. Und dann versperrte ihnen ein Steilfelsen den weiteren Weg – und auch die Sicht. Das Ding ragte weit in die See, rissig und schrundig und von den Wellen attackiert. Es zu umschwimmen, das mochten die beiden nicht riskieren.
Also Aufstieg.
„Affe müßte man sein“, meinte Carberry.
„Dann hättest du endlich einen echten Affenarsch“, sagte Batuti grinsend und machte sich an den Aufstieg.
Dieser Felsen war an die zweihundert Fuß hoch, bot jedoch Stufen und Simse, über die man sich kletternd und ziehend hocharbeiten konnte. Wer in Wanten auf schwankendem Schiff herumturnte, der bewältigte auch solche Kletterpartien.
Batuti erreichte als erster den buschbewachsenen Kamm und wollte sich aufrichten, sackte aber sofort wieder zusammen.
„Was ist?“ fragte Carberry.
„Das Kastell!“ zischte Batuti. „Nur an die achtzig Yards von uns hier entfernt!“
„Na, das ist doch mal was“, brummte Carberry und schob sich höher, bis er Batuti erreichte, der flach auf dem Bauch lag und durch die Büsche spähte. Er ging daneben in Stellung.
Und da hatten sie des Rätsels Lösung, warum der Rodungsplatz an der Ostküste verwaist geblieben war.
An der Holzpier des Hafens lag eine dickbauchige Fleute, dieser typische Handelssegler der Holländer. Aber armiert war er auch.
Und der Segler wurde entladen. Von wem? Von den Gefangenen, die sonst die Äxte schwingen mußten. Sie schleppten Säcke an Land und zu den Schuppen. Auch die braunhäutigen Frauen schufteten dort, und Carberry knirschte mit den Zähnen, als er das sah.
Und auch die Peitsche fehlte nicht. Schlimmer noch – da lümmelten an die fünfzig oder sechzig Holländer herum – ganz abgesehen von der Schiffscrew –, schauten zu und ließen zwölf Männer und fünf Frauen für sich arbeiten. Und diese siebzehn Menschen leisteten weiß Gott Schwerstarbeit.
Die zwölf Männer waren Weiße, offenbar Spanier oder Portugiesen, nach den dunklen Haaren zu urteilen. Ihrer Kleidung nach konnten sie Seeleute sein. Das war noch zu erkennen, obwohl ihnen das Zeug in Fetzen vom Leib hing. Gleich den Frauen sahen sie zum Gotterbarmen aus.
Die Fleute mußte am frühen Morgen eingetroffen sein. In der Nacht jedenfalls hatte sie noch nicht an der Pier gelegen, das wußte Batuti sehr genau. Ein solcher Segler war nicht zu übersehen.
Noch vor dem Mittag war die Fleute entladen. Da konnte es durchaus sein, daß die Gefangenen wieder zum Roden getrieben wurden – natürlich erst, wenn sich die als Aufseher eingeteilten Kerle an der anstrengenden Arbeit des Zusehens erholt und ihr Mittagsmahl eingenommen hatten.
Batuti und Carberry eilten zurück. Bei der Eiche kontrollierte der Gambia-Mann noch einmal, ob Spuren zu sehen waren. Er fragte Carberry, aber der schüttelte den Kopf. In der Schlucht waren nur ein paar abgeknickte Zweige zu sehen. Doch wer starrte da schon hinunter!
Sam Roskill und Matt Davies waren bereits von Stenmark und Blacky abgelöst worden. Carberry wies sie darauf hin, daß die Aufpasser mit ihren Gefangenen bald erscheinen könnten.
Hasard atmete auf, als er den Grund für das Ausbleiben der Gefangenen hörte. Es schien also doch noch zu klappen. Daß man den Gefangenen für die andere Hälfte des Tages eine Erholung gönnen würde, nahm auch er nicht an. Da paßte eher ein Elefant durchs Nadelöhr.
Gegen zwei Uhr war die Holzfällerarbeit von den geplagten und geschundenen Menschen wiederaufgenommen worden. Blacky hatte es gemeldet. Keiner der Aufseher – es waren wieder fünfzehn – hatte sich sonderlich mißtrauisch gezeigt, geschweige denn die Umgebung des Rodungsplatzes abgesucht oder nach Spuren gefahndet.
Gleichgültigkeit? Sturheit?
Hasard wußte es nicht. Dabei lag nahe, daß die flüchtigen Frauen ins Innere der Insel vorgedrungen waren, und zwar zunächst über bereits geschlagene Pfade, um sich möglichst schnell und weit abzusetzen. Und da war nur der Weg zu den Plantagen und dann der Trampelpfad zu der Rodung.
Aber für die Arwenacks und ihr Vorhaben war das alles nur günstig.
Gegen vier Uhr nachmittags brachen die Männer auf. Die Badjao-Frauen wußten, was die weißen Männer vorhatten. Don Juan hatte es ihnen mittels seiner eindrucksvollen Zeichensprache erklärt. Ja, diese Frauen hatten Geduld. Es war für sie selbstverständlich, daß auch den anderen Gefangenen geholfen wurde. Sie winkten von Bord der Schaluppe, als die Mannen sich noch einmal umdrehten, bevor sie in der Schneise am Buchtufer verschwanden.
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