Sir John, der auf seiner linken Schulter saß, nickte aufgeregt, schlug ein paarmal mit den Flügeln und krächzte: „Backbrassen, ihr Rübenschweine, wir laufen auf Grund!“
Die Indios lachten, als sie den Papagei sprechen hörten. Tubuago klatschte in die Hände, und nun erschienen auf dem Dorfplatz drei Schamanen, die eine Art Tanz aufführten und dabei merkwürdige Gesänge anstimmten.
Als sie aufhörten und fortgingen, um sich zu den anderen Männern zu gesellen, gab Tubuago ein Handzeichen, und nun ließ sich der gesamte Stamm auf Matten nieder, um an dem Festmahl teilzunehmen.
Hasard fiel es auf, daß Ilana und Kewridi immer wieder zu ihm blickten – aus recht unterschiedlichen Anlässen, wie ihm schien. Er mußte lächeln.
Er wartete, bis das Mahl vorbei war, dann wandte er sich an den Häuptling und dessen Tochter und versuchte, ihnen zu erklären, was er an Bord der „Isabella“ dringend brauchte.
Tubuago begann aufgeregt zu gestikulieren. Ilana lächelte. Der Seewolf hatte den Eindruck, daß sie ihn verstanden hatten. Tubuago klatschte wieder in die Hände, und sofort eilte ein halbes Dutzend Frauen herbei, lauschte seinen Anweisungen, ging wieder fort und verschwand in den Hütten.
Wenig später tauchten die Frauen wieder auf. Sie trugen Kalebassen und Bananenbüschel, gerupfte Truthähne und ganze Bündel Urwaldgemüse.
Hasard sah Ilana entsetzt an.
„Nein, nein“, sagte er. „Das habe ich nicht gemeint. Ihr sollt uns zeigen, wo man am besten jagen kann, wo man Früchte und Gemüse pflücken und sammeln kann.“
Sie schüttelte lachend den Kopf. „No comprendo, nicht verstehen“, sagte sie. Diese Worte hatte sie von Ben Brighton gelernt.
„Doch, du verstehst mich.“ Der Seewolf wies auf die Frauen. „Das – nicht gut.“ Er deutete auf Tubuago, auf das Mädchen, auf die umstehenden Krieger. „Es ist eure Nahrung.“
Tubuago legte ihm in einer freundlichen Geste die Hand auf die Schulter.
„Waiterimou no modahawa“, sagte er. Erst später sollte Hasard erfahren, was dieser Satz bedeutete: „Dieses Geschenk dürft ihr nicht zurückweisen.“
Alle Bemühungen des Seewolfs, die Eingeborenen am Zusammentragen von Wild und Früchten, Pökelfleisch und Gemüse zu hindern, fruchteten nichts. Ilana gab ihm durch ihre Zeichen zu verstehen, daß die Vorräte an Bord der „Isabella VIII.“ gebracht werden sollten.
„Also gut“, sagte er schließlich. „Ich nehme an.“ Er wandte sich wieder an den Häuptling und versuchte ihm zu erklären, daß er auf jeden Fall Doppelposten an verschiedenen strategischen Punkten der Insel aufstellen sollte, denn es war denkbar, daß die Indios von der Nordinsel bei Anbruch der Dunkelheit noch einmal auf der Ilha de Maracá landeten, um eine Racheaktion wegen der erlittenen Niederlage durchzuführen.
Tubuago schien jedoch nicht zu begreifen, was der Seewolf meinte, und auch Ilana schüttelte immer nur den Kopf. Schließlich gesellte sich Kewridi zu ihnen.
„Ich weiß, was der weiße Mann will“, sagte er zu Tubuago. „Wir sollen Wachen an die Ufer unserer Insel schicken. Surkut wird sich rächen, und wir müssen darauf vorbereitet sein.“
Tubuago blickte den jungen Mann lange an, dann endlich versetzte er: „Du bist stark und klug, Kewridi, und alle wissen, daß du auch ein guter Jäger bist. Aber dein Gemüt ist noch zu hitzig und unbeherrscht. Surkut hatte seine Krieger geschickt, um zu sehen, ob wir so schwach und so dumm sind, daß wir uns gegen seinen Überfall nicht wehren. Jetzt aber weiß er, daß er hier scheitern wird.“
„Aber – aber wir haben es doch nur den ‚Viracocha‘ zu verdanken, daß unseren Mädchen kein Leid zugefügt wurde und daß man sie nicht verschleppt hatte!“ rief Kewridi. „Wollen wir uns etwa hinter dem Mut dieser Männer verstecken?“
„Zügle deine Zunge“, sagte Tubuago scharf.
Ilana schob sich zwischen ihren Vater und den jungen Mann.
„Bitte, Vater“, sagte sie. „Nimm es Kewridi nicht übel, daß er so spricht. Er meint es doch nur gut.“
Der Häuptling seufzte, hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Also gut, dann teile ich die Wachtposten ein und schicke sie los. Aber ich sage euch, es ist überflüssig. Surkuts Bande von Buschteufeln wird es nicht wagen, zu uns zurückzukehren.“
Der Seewolf glaubte, in etwa verstanden zu haben, über was sie debattiert hatten. Er blickte zu Kewridi und las Erstaunen in dessen Miene. Kewridi hatte nicht damit gerechnet, daß Ilana nach dem Disput von vorhin Partei für ihn ergreifen würde.
Tubuago erhob sich und begann die Männer einzuteilen, die ab sofort von verschiedenen Plätzen der Inselküste aus das Meer beobachten sollten. Kewridi und einige seiner Freunde hatten sich für diese Aufgabe freiwillig gemeldet. Sie eilten davon, um so schnell wie möglich ihre Posten zu beziehen.
Auch Hasard stand auf und ging zu seinen Männern hinüber.
„Es wird Zeit, daß wir zu ‚Isabella‘ zurückkehren und nach Blacky sehen“, sagte er. „Außerdem muß ich wissen, ob Donegal bereits damit angefangen hat, das Trinkwasser an Bord zu mannen.“
„Ja, Sir“, sagte Ben Brighton. Er wies auf die Männer und Frauen, die eben auf Tubuagos Befehl hin die großen Packen und Bündel Proviant vom Boden des Dorfplatzes aufhoben und schulterten. „Aber was hat das zu bedeuten?“
„Die Leute begleiten uns. Das Wild, Obst und Gemüse sind ein Geschenk des Häuptlings an uns.“
„Das können wir doch nicht annehmen!“ rief Shane.
„Wir müssen es tun“, sagte der Seewolf. „Und – um ganz ehrlich zu sein – ich bin auch sehr froh darüber, daß wir so schnell zu frischen Nahrungsmitteln gekommen sind.“
Die Verstärkung von der Nordinsel war eingetroffen – Surkuts Verband aus Piraguas und Kanus war jetzt komplett. Zwanzig unterschiedlich große Boote bewegten sich auf die Ilha de Maracá zu, während sich die Sonne dem Zenit näherte.
Die Indios hatten ihre Gesichter und Körper mit dem purpurnen Farbstoff bemalt, den sie „Nara“ nannten. Sie hatten Federhauben übergestülpt und sich zusätzlich zu den Lanzen, Pfeilen und Bogen, die sie bei sich führten, viele Hartholzmesser in die Lendenschurze gesteckt.
Ihre Blicke waren starr und ihre Mienen fast ausdruckslos, denn sie hatten sich heftig am Koka und Ebena berauscht. In diesem Zustand waren sie zu allem bereit. Die innere Barriere, die einen Menschen im Normalzustand daran hindert, übergroße Risiken auf sich zu nehmen, war gefallen. Sie alle würden sich für ihren Anführer töten lassen, ohne auch nur einen Schritt vor dem erklärten Todfeind zurückzuweichen.
Als die große Insel so nah war, daß man das Tiefgrün des Busches von dem hellen Strand unterscheiden konnte, gab Surkut ein Handzeichen. Der Verband löste sich in zwei Gruppen auf. Zehn Boote glitten nach Südwesten, die anderen nach Südosten. Diese letztere Einheit wurde von Surkut befehligt, während Borago das Kommando über die erste hatte.
Borago hatte seine genauen Anweisungen, nach denen er rigoros verfahren würde.
Die Stunde des Wahnwitzes hatte begonnen. Der Friede, der jetzt noch über der Ilha de Maracá lag, sollte bald der rohen Gewalt weichen.
Hasard, Ben Brighton, Shane, der Profos, Ferris Tucker, Dan O’Flynn und Smoky befanden sich wieder an Bord der „Isabella“. Die beiden Jollen pendelten zwischen der Galeone und dem Ufer der Ankerbucht hin und her. Sie wurden von Luke Morgan, Bob Grey, Stenmark und Batuti gepullt, die die Vorräte mit Hilfe der Eingeborenen einluden und dann an Bord schafften.
„Blacky hat mir von der Quelle erzählt“, sagte Old O’Flynn, als der Seewolf ihm auf der Kuhl gegenübertrat. „Aber ich habe es für zu gefährlich gehalten, jetzt einen Trupp an Land zu schicken, der die Fässer füllt.“
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