„Hmm!“ brummte der Wikinger.
Er hielt den Kieker in der Rechten, und mit der Linken kratzte er seinen Helm, was bei ihm ein Zeichen äußerster Konzentration war. Zwei Minuten vergingen, dann setzte er mit einem Ruck das Spektiv ab. Sein mächtiger Brustkasten dehnte sich unter einem tiefen Atemzug.
„Teufel!“ knurrte er. „Wenn es nicht gerade ein Vulkan oder der Eingang zur Hölle ist, dann ist es ein Signalfeuer.“
„Daß es ein Vulkan ist, halte ich für unwahrscheinlich“, sagte Siri-Tong trocken. „Und der Eingang zur Hölle liegt bestimmt nicht mitten in der Südsee. Es ist ein Signalfeuer, Thorfin.“
„Die Seewölfe!“ stieß der Wikinger durch die Zähne. „Wir haben sie! Bei Thors Hammer, wir haben sie gefunden, diese Teufelsbraten!“
„Hoffentlich“, sagte Siri-Tong leise.
Nicht einmal der hünenhafte Mann an ihrer Seite sah den sehnsüchtigen Schimmer, der ihre Augen in diesen Sekunden verschleierte.
Um dieselbe Zeit waren die Männer, die der Wikinger „Teufelsbraten“ genannt hatte, gerade dabei, die Probleme auf ihre Art zu lösen: nämlich so, daß die Fetzen flogen, die See kochte und die Luft erzitterte.
„Arwenack!“ hatte Sam Roskill geschrien.
„Arwenack!“ dröhnte es plötzlich wie Donnergrollen von den beiden Booten herauf, und in diesem Augenblick trat der Seewolf bereits in Ed Carberrys gefaltete Hände, warf die Arme nach oben und schwang sich mit einem Klimmzug über das Backbord-Schanzkleid der Kuhl.
Ein Spanier flog ihm vor die Füße.
Sam Roskill hatte ihm zu der unfreiwilligen Luftreise verholfen, jetzt wirbelte der ehemalige Karibik-Pirat blitzartig herum und sprang dem nächsten Don an die Kehle. Blackys Kopf schob sich über das Schanzkleid. Ein Spanier wollte ihm die Faust auf den Schädel donnern, aber Blackys Rechte war schneller und donnerte unter das Kinn des Gegners. Der Kerl unternahm ebenfalls eine Luftreise und landete vor Hasards Füßen. Der Seewolf grinste und warf einen raschen Blick auf Ferris Tucker und Big Old Shane, die sich neben ihm über das Schanzkleid schwangen.
„Arwenack!“ brüllte Hasard.
„Ar-we-nack!“ fielen Ferris und Shane ein. Und dann rasten sie los und stürzten sich wie ein Keil zwischen die völlig überrumpelten Gegner.
Blacky flankte über das Steuerbordschanzkleid und trat gleichsam nebenbei einem Spanier in den Hintern, der erschrocken herumgefahren war.
Sam Roskill hatte einen zweiten Don fast erwürgt, riß ihm den kurzen Säbel aus der Scheide und begann, um sich zu schlagen und die zweite Jakobsleiter freizukämpfen, damit die restlichen Seewölfe in Ruhe aufentern konnten. An Backbord beugte sich gerade Stenmark über das Schanzkleid, um auch Carberry hochzuziehen. Der Profos grinste glücklich, warf einen raschen Blick in die Runde und stürmte mit einem urigen Kampfschrei über die Kuhl.
Ferris Tucker hatte mit einem einzigen kräftigen Rundschlag mit Batutis Morgenstern die Stelle freigelegt, wo die andere Jakobsleiter angeschlagen war.
Sam Roskill glaubte, den Luftzug gespürt zu haben, und drohte dem rothaarigen Hünen an, ihm gleich mit dem Morgenstern den Schädel weichzuklopfen. Vorerst allerdings wurde sein eigener Schädel weichgeklopft. Einer der Spanier hieb mit einem Belegnagel zu, und Sam lernte die Lektion, daß man mitten in einem Enterkampf keine Debatten anfängt.
Der Spanier stieß einen Triumphschrei aus, der zu einem dumpfen Gurgeln wurde, als Stenmark ihm die Faust an den Schädel knallte.
Zwei Schritte entfernt schwang Hasard eine Handspake und trieb damit einen Giftzwerg von Don vor sich her, der ihn mit seinem Degen aufspießen wollte. Beim dritten Spakenhieb brach die Klinge mit einem hellen Klirren. Fassungslos stierte der Spanier auf den schäbigen Rest seiner Waffe, und Hasard konnte ihn in aller Ruhe am Kragen packen und außenbords feuern.
Elegant schwang der Seewolf herum und widmete der Situation auf der Kuhl einen kurzen Blick.
Ein Spanier außenbords und fünf bewußtlos auf den Planken. Nein, sechs – der Bursche, dem Big Old Shane da gerade die Faust auf die Nase setzte, würde auch nicht wieder aufstehen.
Ed Carberry reckte den Kopf und suchte nach einem Gegner, bei dem sich die Mühe lohnte. Dem Don, der sich von der Seite an ihn heranschlich, trat der Profos die Beine weg, ohne hinzusehen. Der Bursche hielt einen Dolch in der Faust, und Carberry mußte wohl aus den Augenwinkeln den blitzenden Lichtreflex auf der Klinge gesehen haben. Kopfschüttelnd wandte er sich um.
„Tz, tz“, sagte er, stampfte einmal kurz mit dem Fuß auf, und für zwei Sekunden übertönte das Schmerzensgeheul des Mannes mit dem Dolch alles andere.
In diesen zwei Sekunden setzte Jeff Bowie einen Spanier mit seinem Haken außer Gefecht, und Matt Davies geriet ein bißchen durcheinander, als er seine linke Faust auf einen Kopf donnerte, der von einem Helm geschützt wurde.
Matt brüllte erbittert, weil er sich die Hand verstaucht hatte.
Der Spanier war plötzlich blind, denn der Eisenhut war ihm über die Nase gerammt worden. Ed Carberry nahm sich des herumtorkelnden Mannes an und trat ihm in den Hintern, womit der zweite außenbords war. Ebenfalls binnen dieser ereignisreichen zwei Sekunden enterte der Ausguck aus dem Großmars ab und sprang Big Old Shane ins Genick, was er besser nicht getan hätte. Der Schmied von Arwenack stand wie ein Baum, feuerte einen Ellenbogen nach hinten – und der vorwitzige Don krachte mit dem Hinterkopf an die Oberkante des Schanzkleids.
Neun Spanier waren bereits außer Gefecht, als die restlichen sieben erst aus dem Vorkastell stürmten.
Sie stürmten mit Gebrüll und schwangen Handspaken und Belegnägel. Alle sieben sahen sehr wild aus, aber der erste, auf den sie trafen, war Philip Hasard Killigrew, der Seewolf.
„Laß uns auch noch welche übrig, verdammt!“ schrie Carberry erbittert, als die ersten zwei Spanier am Boden lagen.
Hasard grinste, packte den nächsten Mann am Kragen und wirbelte ihn so herum, daß er mit seinen Beinen einen der eigenen Kumpane umsäbelte. Danach warf er den kreischenden Mann Carberry zu, und der Profos wartete, bis sich der Bursche von den Planken aufrappelte, damit er wenigstens ein bißchen Spaß hatte.
Die letzten Spanier wichen bis zum Schott des Vorkastells zurück und hatten bleiche Gesichter.
Hasard grinste sie an und zeigte sein Wolfsgebiß. Die Burschen begannen zu schlottern. Ein Belegnagel polterte auf die Planken, und eine Viertelsekunde später folgten die beiden Handspaken.
„Mist“, sagte Carberry. „Die hätte ich alle drei zum Abendbrot verspeist.“
„Tröste dich, es gibt noch mehr Spanier“, sagte Hasard trocken. „Durchsuchen und entwaffnen!“ Seine Handbewegung erfaßte die ganze Kuhl, auf der der kurze Kampf getobt hatte. „Der Capitan von diesem Waschzuber fehlt noch.“
„Der liegt in der Koje und hat sich die Decke über den Kopf gezogen“, meinte Ferris Tucker.
„Oder er sitzt auf der Koje und zielt mit der Pistole auf die Tür. Also Vorsicht, ja? Verdammt noch mal, Matt, was ist denn mit dir los?“
Matt Davies schlenkerte mit schmerzverzerrtem Gesicht seine einzige Hand. Heillose Wut stand in seinen braunen Augen.
„Meine Linke ist gestaucht!“ knirschte er. „Diese Rübenschweine mit ihren dreimal verdammten Helmen!“
„Erst denken, dann schlagen“, empfahl Hasard ungerührt. „Laß dich vom Kutscher verarzten. Ed, Smoky, Blacky, ihr pullt zur Insel und holt Bill, Arwenack und Sir John. Übrigens würde ich an eurer Stelle aufpassen. Ich wette nämlich, daß hier gleich die Luft bleihaltig wird.“
„Ha!“ knurrte Smoky. „Das wollen wir doch mal seh …“
Er stockte jäh.
Das Schott des Achterkastells flog auf, und Capitan Juan de Correggio erschien mit einer zweischüssigen Radschloß-Pistole auf der Szene.
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