Caligula lachte leise in sich hinein, und wahrhaftig, er rieb sich im Vorgeschmack dessen, was sich in dieser Bucht ereignen würde, schon die Hände.
„Und nun hör zu, Queen, denn jetzt kommt das, was uns die Rote Korsarin ans Messer liefern wird. Sie wird diese Falle weder ahnen noch ihr ausweichen können …“
Caligula beugte sich ganz dicht zur Black Queen hinüber und begann zu flüstern.
Erst stutzte die Queen, dann aber sprang sie plötzlich auf. Lange sah sie ihren Unterführer an. Dann sagte sie:
„Ich möchte dich nicht zum Feind haben, Caligula. Bei allen Teufeln der Hölle, du bist gefährlicher als alle, die ich kenne! Man sollte vor dir auf der Hut sein, Caligula!“
Wieder lachte Caligula leise in sich hinein.
„Du wirst mich nie zum Feind haben, Queen. Nie – wir beide, du und ich, wir werden die Herrscher der Karibik sein. Und diese Schlangeninsel unsere Festung …“
Die Black Queen starrte ihn noch immer an. Ihre Augen glitzerten, und es war nicht der Schein der flackernden Feuer, der sie glitzern ließ.
„Auf diesen teuflischen Plan wäre nicht einmal ich verfallen“, sagte sie dann. Dann trat sie auf Caligula zu. Langsam, Schritt für Schritt Dicht vor ihm blieb sie stehen und küßte ihn. Lange und leidenschaftlich.
„Ich glaube, du wirst jene Nacht, die ich dir vorhin versprach, kriegen. Komm, auch heute werde ich dich umarmen, aber das wird nur ein Vorgeschmack dessen sein, was dich erwartet, wenn du uns diese Rote Korsarin ans Messer lieferst!“
Sie zog Caligula mit sich fort. Gemeinsam schwammen sie zur in der Bucht ankernden Galeone hinüber.
Später, als die Sonne schon im Westen stand, begann Caligula mit seinen Vorbereitungen: Wieder lachte er in sich hinein, denn er hatte recht behalten: Von der Roten Korsarin und ihrem Viermaster mit dem gewaltigen Drachen auf dem Großsegel war weit und breit nichts zu sehen. Und doch mußte sie ganz in der Nähe sein, und sie würde dort irgendwo auf die hereinbrechende Dunkelheit lauern. Aber sie sollte eine Überraschung erleben, und diesmal würde es auch für sie kein Entkommen mehr geben …
Caligula behielt recht. Siri-Tong verhielt sich fast so, wie er es vorausgesagt hatte. Mit ihrem Viermaster hatte sie eine Bucht auf North Caicos angelaufen. Dort ließ sie den Anker werfen, und dann ging sie mit Barba und einer weiteren Gruppe von Männern daran, die Vorbereitungen für die Nacht zu treffen.
Aber es hatte durchaus Probleme gegeben. Das Boot, das den Spähtrupp an Land setzen sollte, mußte vor „Roter Drache“ auf jener Insel landen, die noch von den Piraten der Black Queen beherrscht wurde. Trotzdem durfte der Viermaster nicht viel später zur Stelle sein.
Siri-Tong beschloß daher, das Boot erst in der Nähe der Insel auszusetzen und „Roter Drache“ dann durch Lichtsignale von der Insel zu verständigen, daß er in die Bucht einlaufen konnte, daß die Luft rein sei.
Das Wetter kam der Roten Korsarin am späten Nachmittag entgegen. Der Himmel bezog sich, Wolken kamen auf. Das war eines der Hauptprobleme gewesen, denn bei hellem Mondschein war ein Schiff von der Größe ihres Viermasters meilenweit auszumachen. Weiter draußen durfte ihr Schiff jedoch auch nicht bleiben, denn sonst würde es zu unsicher sein, ob die Lichtsignale von der Insel auch wirklich gesehen werden konnten. Sie zu beantworten, schloß sich von selber aus, denn die Schiffslaterne, mit der sie von der Insel gegeben wurden, mußte an ihrer Rückseite sowieso geschwärzt sein, sollte sie nicht von vornherein zum Verräter werden. Denn daß auch die Piraten der Black Queen Wachen ausgestellt haben würden, war völlig klar.
So verging der Nachmittag, und die Abenddämmerung fiel ein. Die Arbeiten waren abgeschlossen. Jedermann an Bord wartete nur noch voller Ungeduld darauf, daß Siri-Tong den Anker lichten und die Segel wieder setzen ließ.
In den Männern, in den fünf Schlangenkriegerinnen, in Araua und auch in Siri-Tong brodelte der Zorn über diesen dreisten Überfall der Black Queen, der sich gegen Schiffbrüchige gerichtet hatte, die ohnehin nur knapp dem Tode entronnen waren. Die Rote Korsarin hatte sich geschworen, der Black Queen diese Gemeinheit heimzuzahlen, und zwar gründlich.
Einmal hatte sie allerdings das Gefühl, daß die grünen Augen des Schlangengottes sie anstarrten. Das war, als sie sich für ein paar Stunden in ihre Kammer zurückgezogen hatte, um noch ein wenig zu ruhen, denn die Nacht würde ihr alle Kräfte abverlangen. Sie vernahm im Unterbewußtsein nochmal seine Warnung vor der Falle, die auf sie alle lauerte – aber dann versanken die warnenden Bilder wieder in der Tiefe ihres Schlafes.
Beim Erwachen dachte Siri-Tong noch einmal an diese Warnung. Sie blieb auf dem Achterdeck stehen.
„Wir werden vorsichtig sein, alles ist besprochen. Wir werden nicht blind in eine Falle tappen – es ist ja nicht das erstemal, daß ich gegen Gesindel wie diese Black Queen zu kämpfen habe. Sei also ohne Sorge, Schlangengott …“, murmelte sie.
Der Wind stand günstig für den Viermaster. Am Firmament waren die Sterne erloschen, auch der Mond verbarg sich hinter dichten Wolken. Es regnete jedoch nicht.
„Anker auf, setzt Segel!“ kommandierte die Rote Korsarin, und alle an Bord atmeten auf. Die Stunde der Entscheidung war angebrochen, dieses verfluchte Warten endlich vorüber.
Der Viermaster verließ die Bucht. Der Wind füllte seine blutroten Segel, die aber in der Nacht nur wie riesige, dunkle Schwingen durch die Nacht glitten. Auch der mächtige Drache auf dem Großsegel schien noch faul zu schlafen. Nur einmal, als der Wind plötzlich schralte, bewegte er sich träge.
Barba blieb an Deck stehen. Er starrte zu dem Drachen empor.
„O Lord“, murmelte er. „Huan Chan ist übler Laune. Ein böses Omen für uns alle …“ Aber er behielt seine Weisheit für sich, denn er wußte nur zu gut, wie die Rote Korsarin darauf reagiert hätte.
Der Mond hatte den Zenit noch nicht überschritten, er verbarg sich nach wie vor hinter dicken Wolken und hatte nur ein paarmal durch Wolkenlöcher auf den Viermaster herabgeblinzelt, da erreichte der Viermaster die von Siri-Tong festgelegte Position. Sofort enterten die Männer auf und bargen den größten Teil der Segel. Langsam würde der Viermaster sich der Insel nähern, denn die Meeresströmung lief im Bogen an ihrer südlichsten Spitze vorbei. Das war günstiger, als die Rote Korsarin erwarten konnte, und sie nahm das als gutes Omen.
„Boot abfieren!“ befahl sie verhalten. Dann trat sie auf Mister Boyd, ihren Ersten Offizier zu. „Sie warten auf jeden Fall unser Lichtzeichen ab. Lassen sie alle Marse doppelt besetzen, Mister Boyd. Sollte etwas Unvorgesehenes geschehen, oder wenn Sie von Land Schüsse hören sollten, dann handeln Sie wie besprochen. Ohne Rücksicht auf mich oder irgend jemand anderen. Ist das klar, Mister Boyd?“
„Aye, Madam“, erwiderte der drahtige Engländer. „Sie können sich auf uns alle verlassen.“
„Danke, Mister Boyd.“
Siri-Tong zog Araua nochmal an sich heran.
„Du weißt, welche Aufgabe ich dir zugeteilt habe, Araua. Ich hoffe, du wirst Glück genug haben, um sie zu lösen.“
Gleich darauf enterte die Rote Korsarin ab. Es gab nichts mehr zu sagen. Außer Barba begleiteten sie acht Mann ihrer Besatzung. Alle bestens für den bevorstehenden Einsatz ausgerüstet. Musketen und ähnliche Waffen verboten sich von selbst. Wurde gekämpft, dann mußte es lautlos geschehen. Außerdem enterten auch noch die fünf Schlangenkriegerinnen ins Boot ab. Sie würden die Führung des kleinen Trupps auf der Insel übernehmen, denn sie kannten sich dort aus.
Das Boot stieß ab. Die Männer legten sich in die umwickelten Riemen, die Ray Chiswell, der Schiffszimmermann außerdem noch sorgfältig gefettet hatte. Auf diese Weise verursachten sie nicht das geringste Geräusch.
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