Aber dann erlebten sie zwei mit geradezu unheimlicher Schnelligkeit fechtende Männer, zwei Derwische, die mit einemmal mitten zwischen ihnen waren und Schnitte und Stiche austeilten. Zwei Offiziere brachen getroffen zusammen. Einen dritten verletzte Hasard tödlich, indem er ihm die Degenklinge in den Hals trieb.
Dan überwältigte einen vierten Mann, und so hatten sie nur noch zwei Mann gegen sich.
Aber jetzt erschien Don Felix Maria Samaniego auf der Szene, groß, hager, mit harter Entschlossenheit in seinen asketischen Zügen.
Er ließ seinen Degen zweimal durch die Luft pfeifen, dann trat er vor Hasard hin und rief: „Jetzt zu uns, Lobo del Mar!“
Hasard riß sich den Helm des Teniente Leandro Moratin vom Kopf und schleuderte ihn zur Seite. Der Sturmwind fuhr in seine schwarzen Haare und zerzauste sie. Wild sah er jetzt aus, und in seinen eisblauen Augen tanzten jene tausend Teufel, die seinen Männern nur allzu bekannt waren.
Der Seewolf nahm das Duell mit Don Felix auf.
Dan O’Flynn durchbrach mit seinem Degen die Verteidigung des einen Offiziers, senste den Mann zu Boden und hatte es jetzt nur noch mit einem Gegner zu tun. Es stand zwei gegen zwei, und beide Parteien kämpften mit vollem, erbittertem Einsatz.
Big Old Shane und dem Profos war der Durchbruch gelungen. Sie stürmten auf die Palisaden zu, vorbei an den toten Spaniern, vorbei an Hasard und Dan O’Flynn, die mit Don Felix und dem einen Offizier im Zweikampf lagen, und hinter ihnen fochten und kämpften Ferris Tukker, Blacky, Luke Morgan und Smoky weiter gegen die Soldaten.
Carberry hatte noch eine geladene Pistole im Gurt stecken, und die riß er jetzt heraus. Vor dem Tor der Palisade stand ein einsamer Posten, der die Gefangenen offenbar in bedingungsloser Pflichterfüllung bis zum letzten bewachen wollte.
Der Soldat hob die Muskete und zielte auf Shane, der neben dem Profos herlief, aber Carberry blieb jetzt stehen, hob die Pistole und drückte auf den Gegner ab. Beide Schüsse brachen gleichzeitig. Shane ließ sich jedoch fallen. Die Kugel strich über ihn weg.
Der Posten hingegen fing Carberrys Kugel mit seiner ungeschützten Halspartie auf. Mit einem röchelnden Laut brach er zusammen.
Carberry und Shane eilten zu ihm hinüber, stiegen über seinen reglos werdenden Körper und öffneten die Verriegelung der Palisaden. Sie zogen das schwere Tor auf und drangen in die Umzäunung ein, hinter der nach Youngs Schilderungen mehr als vierzig Männer an Pfählen festgekettet sein mußten, wenn sie nicht schon früh zur Arbeit ausgerückt waren.
Nein, sie waren an diesem Morgen nicht zur Festung hinaufgetrieben worden. Don Felix hatte alles auf einen möglichen Angriff der Seewölfe konzentriert, und eine Arbeitsschicht auf dem Kastellneubau, die die übliche Bewachung erfordert hätte, wäre ihm dabei nur eine Behinderung gewesen.
Da hockten sie also nun – fast vier Dutzend bärtiger, zerlumpter Kerle in Ketten, die beim Anblick der Eindringlinge ein wildes Geschrei anstimmten. Ihre Freude kannte keine Grenzen, einige zerrten wie besessen an ihren Ketten, andere weinten vor Erleichterung, wieder andere schickten Worte des Dankes zum Himmel.
Am lautesten brüllte natürlich Sumatra-Jonny.
„He, Profos!“ schrie er. „Hallo, Big Old Shane, ist denn das die Möglichkeit? Welcher verteufelte Zufall hat euch hierhergeführt? Ich werd verrückt, so was gibt’s doch gar nicht!“
Carberry trat vor ihn hin und löste den Hammer und das Stemmeisen, die er von der „Isabella“ mitgenommen hatte, von seinem Gurt. „Verrückt bist du schon immer gewesen, du Satansbraten. Und ich will dir auch noch was verraten. Wir haben Young aufgefischt und von ihm erfahren, wer hier alles festsitzt. Aber der Seewolf würde dich am liebsten weiterschmoren lassen, in deinem eigenen Saft, du Stinkstiefel, denn du hast dich nicht an die Vereinbarungen gehalten, kapiert?“
„Was? Ich? Mister Carberry, jetzt bist du aber auf dem falschen Schiff!“
„Ihr beiden!“ schrie Shane, der schon begonnen hatte, Morgan Youngs Kameraden Josh Bonart von den Ketten zu befreien. „Könnt ihr das nicht später bequatschen? Herrgott, wir haben hier keine Zeit zu verlieren!“
„Schon gut“, brummte der Profos und fing nun auch an, an Jonnys Ketten herumzubosseln. „Aber du kannst dich noch auf was gefaßt machen, Jonny von der traurigen Gestalt, ’ne richtige Standpauke kriegst du vom Seewolf zu hören.“
„Aber warum denn, warum?“
„Weil du die Mädchen nicht zurück nach Neuseeland gebracht hast, wie es besprochen war! Wenn du es getan hättest, wärst du jetzt nicht hier, sondern würdest noch irgendwo zwischen Neuseeland und dem Südland herumschippern, du Hering.“
„Aber die Mädchen sind wohlauf!“
„So?“
„Sie sind in meinem Schlupfwinkel.“
„Und was tun sie da, wenn ich fragen darf?“ rief Carberry, während er die Beinschäkel wegräumte und jetzt daranging, die Handschellen aufzubrechen. „Du Lustmolch, du verdammter, ich kann mir schon vorstellen, wie die Lage aussieht.“
„Nein, nein, nicht so, wie du denkst!“
„Du denkst wohl, du und deine Kerle, ihr könnt die Maori-Mädchen nach Belieben über die Planken und durch den Dschungel schieben, was, wie?“
„Mister Carberry, Profos, Sir, bei meiner Ehre – keiner von uns hat sie angerührt!“ beteuerte Sumatra-Jonny verzweifelt. „So glaub mir doch!“
„Dir glaub ich kein Wort mehr“, sagte Carberry barsch. Die Handschellen und die Kette, die Jonny an dem Pflock festgehalten hatte, fielen zu Boden. „Aber Schluß jetzt mit der Debatte. Hilf mir, auch die anderen zu befreien.“
„Liebend gern – aber was wird aus meiner glorreichen Zehn?“
„Deiner was?“
„Einige meiner Leute stecken mit anderen Gefangenen zusammen im Kerker der Festung“, sagte Jonny. „Es ist meine verdammte Pflicht, sie da herauszuholen.“
„Die Festung?“ rief Carberry. „Da müssen wir sowieso noch ’rauf. So, wie die Dinge liegen, haben wir hier doch einen verdammt schweren Stand, und wir wissen noch nicht, wie der Kampf für uns endet. Wenn wir also die ersten vier, fünf Leute befreit haben, Jonny, du Oberhalunke, laufen wir zum Kastell hinauf und feuern eine der Kanonen ab.“
„Damit richten wir wenig aus“, sagte Jonny, der sich jetzt schon Trench und Sullivan zuwandte, um ihre Ketten zu lösen. „Die Kanonen der Burg sind alle auf das Hafenbekken ausgerichtet.“
„Blödsinn!“ fuhr der Profos ihn an. „Wir müssen Ben Brighton ein Zeichen geben, damit er mit der ‚Isabella‘ einläuft und uns unterstützt. So haben wir es mit ihm vereinbart, wenn dich einer fragt. Nur im äußersten Notfall soll er eingreifen, aber ich schätze, wir haben seine Hilfe gleich bitter nötig.“
Und so war es auch. Von der Palisade aus konnten Shane und er nicht weiterverfolgen, was draußen, auf dem Platz zwischen den Lagerhütten, geschah. Aber daß es immer noch eine große Übermacht von Soldaten war, die gegen die Männer der „Isabella“ kämpfte, wußten sie sehr genau.
Ferris Tucker, Smoky, Luke Morgan und Blacky waren von spanischen Soldaten eingekeilt. Sie wollten wie Shane und Carberry den Durchbruch zur Palisade oder zum Kastell wagen, aber immer mehr Uniformierte drängten jetzt von den Hütten aus nach und bildeten eine menschliche Barriere, die nicht mehr zu überwinden war.
Ferris Tucker hieb zwar wild mit seiner Zimmermannsaxt um sich und fällte hier und dort einen Gegner. Smoky schwang seinen Schiffshauer und ließ keinen Spanier auf weniger als einen Yard Distanz an sich heran. Luke Morgan kämpfte mit einem kurzen Entermesser, Blacky mit einem Säbel, und um die vier herum hatte sich ein Kreis gebildet.
Man hätte diesen Kreis auch als Kessel bezeichnen können.
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