„Sir“, fuhr Burton fort. „es ist schon sehr merkwürdig, daß Killigrew plötzlich im Besitz eines irischen Schiffes ist. Höchst verdächtig ist das, denn man gelangt zu dem logischen Schluß, daß dieser Mann auch mit den Spaniern paktiert …“
„Ein Verräter!“ zischte Mark Bromley. „Er bereitet eine spanische Invasion vor. Das ist es! Seine ‚Isabella‘ hat er den Spaniern überlassen, damit sie dieses Schiff nachbauen können. Darum sind sie auch in drei Gruppen nach Plymouth zurückgekehrt, damit es nämlich nicht so auffällt.“
Er war ganz schön am Spinnen, dieser ehemalige Hauptmann, denn er unterstellte in seinem verrückten Kopf seinem Feind Philip Hasard Killigrew etwas, was er selbst tun würde, wenn es ihm Vorteile einbrächte. Allerdings muß hier hinzugefügt werden, daß Burton und er vorher untereinander abgesprochen hatten, wie sie Sir John einseifen wollten, um ihn als Bundesgenossen für eine Sache zu benutzen, an der sie selbst bereits gescheitert waren.
Mit dem Hinweis, der Bastard paktiere mit den Iren und demzufolge auch mit den Spaniern, wollten sie sich gewissermaßen einen legalen, patriotischen Anstrich geben. Sich dieses Mäntelchen umzuhängen, war immer gut. Wenn etwas schiefging, konnten sie sofort behaupten, im Interesse Englands und zu dessen Wohl gehandelt zu haben.
Das alte Schlitzohr Sir John – selbst so wenig ein Patriot wie Burton oder Bromley – begriff sofort, wie der Hase lief und hieb in dieselbe Kerbe.
„Natürlich!“ röhrte er. „Dieser Bastard hat sich auf die Seite der Dons geschlagen! Konnte ich mir doch denken, ha! Wie ich hörte, soll seine Mutter eine Spanierin gewesen sein. Ein Fluch liegt über diesem Haus, seit ich ihn an Sohnes Statt annahm. Eine Natter nährte ich an meiner Brust!“ Er schielte zu dem mächtigen Hirschgeweih hoch, an dem er einst gezappelt hatte, mühelos von der „Natter“ da oben hineingehängt! Und die Wut begann in ihm zu brodeln und zu kochen.
Hastig soff er aus der Whiskyflasche, verschluckte sich prompt, erlitt einen Erstickungsanfall, riß die Arme hoch und war am Röcheln, wobei ihm die Augen aus dem Kopf quollen.
Seine Söhne rührten keinen Finger. Ein Diener sprang hinzu und klopfte ihm kräftig den Rücken ab. Das dauerte gute zehn Minuten. Anschließend empfingen Simon Llewellyn und Thomas Lionel die obligaten Maulschellen, weil es sie, wie der Alte brüllend verkündete, einen Dreck gekümmert hätte, wenn er verreckt wäre.
Da hatte er allerdings recht.
Jeder halbwegs normale Besucher hätte derartige Szenen, in denen erwachsene Söhne von ihrem Erzeuger mit Ohrfeigen gezüchtigt werden, als sehr peinlich empfunden. Vielleicht wäre er auch aufgestanden und hätte sich mit einer Entschuldigung verabschiedet. Aber ein solches Verhalten lag weder Burton noch Bromley. Sie sahen gleichgültig darüber hinweg, nur fixiert auf ihren Plan, den Alten als Bundesgenossen zu gewinnen, als Komplizen gegen die Seewölfe, insbesondere gegen Philip Hasard Killigrew.
Jedem halbwegs normalen Menschen wäre außerdem auch klar geworden, wie fragwürdig es war, sich mit einem so unberechenbaren und jähzornigen Mann wie Sir John zu verbünden. Aber auch das focht die beiden Komplicen Burton und Bromley nicht an, im Gegenteil, sie hielten das alte Schlitzohr für bestens geeignet, den Seewölfen und ihrem Kapitän die Hölle anzuheizen. Natürlich war ihnen auch bekannt, wie intensiv der Alte den sogenannten Bastard haßte – die „Natter“, die er angeblich an seiner Brust genährt hatte. Das war ein ziemlich dämlicher Vergleich zu jenem Verhalten, das der Alte tatsächlich gezeigt hatte. Denn er hatte Hasard kujoniert, gepiesackt und terrorisiert, wo er nur konnte.
Seine eigenen Mistkerle von Söhnen hatte er vorgezogen und gehätschelt bis zu jenem Zeitpunkt, an dem Hasard die Feste Arwenack ein für allemal verlassen hatte. Von da ab waren die drei eigenen Söhne das Ventil gewesen, das Sir John brauchte, um seinen überschüssigen Dampf abzulassen. Und weil sie kuschten, war der Alte noch unausstehlicher geworden.
Der dicke Burton blieb zäh beim Thema.
„Sir“, sagte er, „halten wir also noch einmal die Tatsachen fest. Diese Killigrew-Bande kehrte in drei Gruppen nach Plymouth zurück, jede Gruppe mit einem anderen Schiff. Nach dem Aussehen dieser Kerle müssen sie sich lange in Gebieten herumgetrieben haben, die weit südlich von uns liegen – wo es heiß ist und die Sonne scheint. Ich sprach bereits vom Nil. Ich habe Erkundigungen einziehen lassen und gehört, daß dieser Nil ein Strom ist, der in das östliche Mittelmeer mündet, aber man weiß nicht, wo sich seine Quelle befindet. Nach den spärlichen Berichten jedoch konnte ich in Erfahrung bringen, daß an den Ufern des Nils vor vielen Jahrhunderten oder Jahrtausenden sehr reiche Könige gelebt haben sollen. Sie wurden auch wiederum an den Ufern des Nils in merkwürdigen Bauten bestattet, und zwar mitsamt ihrer Schätze.“ Hier legte der gerissene Burton eine bedeutungsvolle Pause ein.
„Weiter!“ stieß der Alte hervor und hatte wieder dieses Glitzern in den Augen.
„Es ist vorstellbar“, sagte Burton langsam und mit Betonung, „daß die Killigrew-Bande dort geräubert und geplündert hat. Dieses Ungeheuer von Profos – Carberry heißt der Kerl – hat zum Beispiel die Schäden, die er und seine Bande in der ‚Bloody Mary‘ angerichtet haben, unter anderem mit einer sehr seltenen Perle bezahlt. Einer meiner Gewährsleute erfuhr das von Mister Plymson.“ Burton hüstelte dezent. „Es ist dies übrigens ein sehr merkwürdiges Verhalten der Killigrew-Bande. Erst wird alles demoliert, und dann bezahlt man mehr als großzügig …“
„Idioten!“ unterbrach ihn der Alte.
Burton schüttelte den Kopf. „Nein, Sir, ich möchte das anders interpretieren. Erstens haben sie genug an Beute, und zweitens können sie bei einer möglichen Anklage wegen mutwilliger Zerstörung einer Schenke immer erklären, sie hätten den Schaden ja wieder ersetzt, also Sühne geleistet. Für Mister Plymson ist das sogar ein Geschäft, da er, wie gesagt, mehr Entschädigung erhält, als zu Bruch gegangen ist.“
„Ah, verstehe“, murmelte der Alte und quetschte an seiner Knollennase herum. Sie hatte eine rot-bläuliche Färbung, Zeugnis vom vielen Suff. „Dennoch würde ich Plymson keinen Nickel zahlen, sondern mich rausreden.“
„Sehr wohl, Sir, das ist völlig richtig. Da werden im wahrsten Sinne des Wortes Perlen vor die Säue geworfen.“ Und der dicke Burton gestattete sich ein Lachen, das wie das Quaken eines Frosches klang. Dann hüstelte er erneut und fuhr fort: „Aber zurück zu den Tatsachen, von denen ich sprach. Diese Killigrew-Bande muß also über erhebliche Geldmittel verfügen, besitzt zur Zeit zwei Schiffe – dieses merkwürdige Fahrzeug aus dem Mittelmeer sowie die ‚Pride of Galway‘ – und läßt sich außerdem auf der Werft von Ramsgate ein neues Schiff bauen, eine Galeone, die man keineswegs als klein bezeichnen kann. Die Vermutung, die Mister Bromley vorhin aussprach, könnte durchaus stimmen. Man hat – natürlich gegen Bezahlung – die ‚Isabella VIII.‘ den Spaniern zum Nachbauen überlassen, also ein solides, gutes englisches Schiff, an dem die Spanier unseren hervorragenden Schiffbau studieren können. Und man hat sich den Spaniern – natürlich auch gegen Entgelt – angedient, um eine Invasion vorbereiten zu helfen. Zu diesem Zweck hat Killigrew Kontakte mit den Iren aufgenommen – Beweis: die ‚Pride of Galway‘. Wahrscheinlich plant man einen Zangenangriff auf unser Land, die Spanier landen an unseren südlichen Küsten, die Iren an der Nordwestküste.“ Burton hob drohend den rechten Zeigefinger. „Und dem muß Einhalt geboten werden!“
„Ausrotten, vernichten, zusammenschießen, köpfen …“ gurgelte Mark Bromley mit zuckendem Gesicht. Er sprang auf, reckte die Rechte wie zum Schwur, stierte den Alten an und stieß hervor: „Sir, Sie müssen uns beistehen im Kampf gegen das ekle Gewürm! Gemeinsam werden wir es zertreten wie – wie …“
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