Das hatte den Haß Burtons und Bromleys nur noch geschürt und sie auf weitere Rache sinnen lassen. Und da war der düstere Bromley mit seinem von Spinnweben verhangenen Geist auf die Idee verfallen, daß es gut sei, noch einen bestimmten Bundesgenossen hinzuzuziehen, einen Mann, den man als Experten für ganz böse Schurkereien bezeichnen konnte und zudem auch noch zu den eingeschworenen Feinden des Seewolfs und seiner Meute zählen durfte.
Dieser Mann war kein geringerer als Sir John Killigrew, Burgherr auf Arwenack, Vizeadmiral von Cornwall, Schlitzohr und Schnapphahn zur See – und Hasards Stiefvater.
Natürlich bestanden zwischen Hasard und den Killigrews keine blutsmäßigen Familienbande, und nur Lady Anne Killigrew, die Ehefrau Sir Johns, hatte zu Hasard eine innige Beziehung entwickelt, obwohl sie es eigentlich gewesen war, die verhindert hatte, daß das etwa einjährige Söhnchen eines gewissen Godefroy von Manteuffel, Edelmann aus Pommern, und einer gewissen spanischen Edeldame Graciela de Coria dorthin transportiert wurde, wohin es die Familie der de Corias abzuschieben wünschte, nämlich zu den Manteuffels nach Pommern.
Kurz, sie hatte in einer Neujahrsnacht vor über drei Jahrzehnten – Sir John war abwesend gewesen – von den Mannen der Feste Arwenack die Hansekogge „Wappen von Wismar“, die im Hafen von Falmouth Schutz vor einem Sturm gesucht hatte, überfallen und ausplündern lassen. Man hatte ihr zugetragen, die Kogge habe spanischen Wein in den Laderäumen, den sie besonders gern trank.
Sie war eine resolute, handfeste Frau aus der ebenso handfesten Piratensippe der Wolverstons, und darum hatte sie eben zupacken lassen, als die vom Sturm gerupfte Kogge Falmouth anlief. Niemand von der Besatzung war am Leben geblieben – nur das kleine Bündel von Menschlein, das man im Frachtraum entdeckte.
In einer Anwandlung von Mütterlichkeit hatte sich Lady Anne entschlossen, das „Findelkind“ am Leben zu lassen und als vierten „Killigrew“-Sohn aufzuziehen. Er war auf den Namen Philip Hasard getauft worden.
Dieser Philip Hasard hatte sich dann sehr erstaunlich entwickelt – für Sir John und seine eigenen drei Söhne war er der „Bastard“ gewesen, für Lady Anne hingegen ein Prachtjunge, von dem sie sich eingestand, daß sie ihn merkwürdigerweise mehr liebte als ihre drei Söhne.
Und je älter der „Bastard“ geworden war, desto mehr hatte sich herausgestellt, was er für ein Kaliber war. Jahr für Jahr hatte er mehr bewiesen, daß er intelligenter, härter, kampfstärker, tollkühner und charakterfester als seine Brüder war. Siebzehnjährig hatte er von Sir John seine letzte Ohrfeige empfangen und darauf jäh und wild reagiert.
Er hatte seinen Alten in das Hirschgeweih über dem Kamin gehängt und seine drei Brüder nach allen Regeln der Kunst verdroschen, als die den brüllenden und zappelnden Sir John aus dem Hirschgeweih bergen wollten.
Und er hatte verkündet, daß er jedem die Knochen brechen werde, der es wage, ihn noch einmal anzufassen.
Und dann war er eines Tages verschwunden und seinen eigenen Weg gegangen, um „hinter die Horizonte zu schauen“.
Eines Tages war er zurückgekehrt, als Seewolf bereits zur Legende geworden. Da fuhr er schon als Kapitän, und die Schatzbeute in den Frachträumen seines Schiffes war für die Königin bestimmt. Nur Sir John sah das anders und meinte, er könne dem „Bastard“ von der Beute was abzwacken. Und da hatte es wiederum Kleinholz gegeben – zum Nachteil Sir Johns und seiner drei Ferkelsöhne, versteht sich.
Später hatten noch mehr Zusammenstöße zwischen ihnen stattgefunden, und stets war Sir John dabei so richtig vierkant auf die Schnauze geflogen.
Einen Mordversuch an Hasard hatte Big Old Shane abgewehrt. Dabei hatte John Malcolm Killigrew, der älteste Sohn Sir Johns, sein ohnehin dreckiges Leben eingebüßt. Da zählte nicht, daß Big Old Shane in einer Notwehrsituation gewesen war, denn Hasard hatte mit einem Schädelbruch in der Koje gelegen, wehrlos und ohne Besinnung.
So bohrte und fraß auch heute noch der Haß in Sir John, und er war nach Ansicht der beiden Schurken Burton und Bromley genau der richtige Mann, den man brauchte, um den Seewolf in die Hölle zu befördern.
Darum also waren sie nach Falmouth geritten, ohne auf ihre Pferde Rücksicht zu nehmen.
Zwar bestand zwischen der Familie der Burtons, die in der kleinen Hafenstadt Marcet Jew südwestlich von Falmouth ansässig war, und den Killigrews seit Urväterzeiten eine Fehde, weil die Burtons den Killigrews die Vorrangstellung in Cornwall neideten, aber Samuel Taylor Burton kümmerte diese Fehde schon längst nicht mehr, und wenn es gegen den Seewolf ging, hätte er auch mit dem Teufel und seiner Großmutter paktiert.
Sie hatten befürchtet, Sir John könne abwesend sein, denn wann immer es ihn gelüstete, kehrte er dem Suff und den Weiberröcken den Rücken und segelte hinaus zu den Scilly-Inseln, jenem Gebiet, wo meist spanische Handelsfahrer auf dem Weg nach Irland aufkreuzten. Dort legte er sich auf die Lauer, der typische Wegelagerer zur See, um die „Reisenden“ auszuplündern.
Er war jetzt in den Sechzigerjahren, der alte Halunke, und alles, was an ihm böse war, hatte sich nicht geläutert, sondern eher verschlimmert.
Nun, die Wache am Burgtor, von der die beiden Reiter eingelassen wurden, zeigte nur ein schmieriges Grinsen, als sie fragten, ob Sir John anwesend und zu sprechen sei.
Er war anwesend, denn Licht fiel aus den Fenstern der Wohnhalle, und der Krach, der dort ertönte, war auch nicht zu überhören. In den Krach mischten sich das Kreischen von Weibern und das rohe Lachen von Männern.
„Anwesend ist Sir John“, sagte der Wachposten und behielt das schmierige Grinsen bei, „aber ob er gestört werden möchte, ist sehr fraglich.“
Samuel Taylor Burton rutschte mit Mühe aus dem Sattel, rieb sich den dikken Hintern und fuhr den Posten an: „Sagen Sie Sir John, zwei Gentlemen wünschten ihm mitzuteilen, daß ein gewisser Philip Hasard Killigrew wieder in Plymouth aufgetaucht sei, und die beiden Gentlemen hätten in dieser Angelegenheit dringend mit ihm zu sprechen. Haben Sie das verstanden, Kerl?“
Der Wachposten hatte bei der Nennung des Namens die Augen aufgerissen. Jetzt fragte er stotternd: „Etwa – etwa der Seewolf?“
Der hagere, etwas krummrückige andere Reiter zuckte zusammen, als der Wachposten das Wort „Seewolf“ aussprach. Er hörte es wohl nicht gern.
Und er sagte giftig: „Ja, der Bastard! Melden Sie das Sir John, verdammt noch mal! Wir haben keine Lust, hier lange herumzustehen.“
„Sehr wohl, Sir“, sagte der Wachposten und stiefelte zu den mächtigen Flügeltüren der Feste, wo wiederum ein Posten stand.
Den informierte er, der Posten nickte und verschwand im Inneren der Feste. Minuten später kehrte er zurück und winkte den beiden Besuchern zu. Ein Stallknecht erbarmte sich der Pferde, die breitbeinig und mit tief gesenkten Köpfen dastanden. Aus ihren Lungen drangen rasselnde Geräusche. Der Wachposten vom Burgtor konnte da nur mit dem Kopf schütteln. Er hätte nicht behaupten können, daß ihm diese beiden Gentlemen gefielen. Andererseits paßten sie zu John Killigrew, dem Burgherrn, in dessen Sold er stand.
Sold! Der Wachposten spuckte auf den hartgestampften Boden des Innenhofes. Da mußte man doch auf den Knien herumrutschen, um den zu kriegen. Aber für Weiber und Suff war immer Geld vorhanden – wie jetzt wieder. Und wenn der Burgherr volltrunken war, randalierte er auf der Feste herum, trat die Burgmannschaft in den Hintern, verteilte Prügel oder griff sich einen zu einem Spiel heraus, das er „Schweineklopfen“ nannte.
Da wurden so einem armen Burgknecht die Augen verbunden, er mußte sich bücken, empfing einen Stockhieb auf den Allerwertesten und sollte nun raten, wer ihn geschlagen hatte. Die ganze erlauchte Gästeschar samt der Weiber durfte sich an dem Spiel beteiligen. Da sie alle meist nicht weniger betrunken als der Burgherr waren, hatte der Burgknecht übel zu leiden. Der rohe Spaß der einen war der demütigende Schmerz des anderen.
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