Ja, so ging es zu auf der Feste Arwenack, und in und um Falmouth wurde so manche Hand zur Faust geballt, wenn zu nächtlicher Zeit der grölende Lärm aus der Feste drang und verriet, daß da oben mal wieder eine Orgie gefeiert wurde. Schandbar war das, von den Jungfrauen, die dabei ihre Unschuld verloren, gar nicht zu sprechen.
Der Wachposten spuckte noch einmal aus und schaute den beiden Besuchern nach, diesem so ungleichen Paar, was das Äußere betraf. Der Feiste mit den tückischen Augen und dem grauen Bart watschelte neben dem Hageren her, dessen Blick so merkwürdig flackernd war. Dieser Hagere stelzte wie ein Storch und hatte dabei auch den Rücken gerümmt, als suche er nach etwas freßbarem.
Ein Diener mit einem griesgrämigen Gesicht führte die beiden in die Burghalle, wo die Gastrunde am Toben war. Im Moment vergnügten sie sich damit, abgenagte Knochen in das prasselnde Feuer des riesigen Kamins zu werfen, dessen Haube ein gewaltiges Hirschgeweih zierte. Es stank bestialisch in der Halle. Aber bei Sir John ging es bei solchen Gelagen immer mit Hemdsärmeln zu, je vulgärer, desto lustiger.
Der lange Eichentisch mit der dikken Bohlenplatte stand mit der Schmalseite zum Kamin, so daß die Gentlemen und die Ladys, die keine waren, sich nicht umzudrehen brauchten, um ihre Würfe auszuführen, mit denen Sir John, an der entfernten Kopfseite sitzend, angefangen hatte. Er hatte das beste Schußfeld.
Nur Simon Llewellyn Killigrew, nach dem Tode seines älteren Bruders John Malcolm nunmehr späterer Erbe von Arwenack, der seinem Vater an der anderen Kopfseite gegenübersaß, hätte sich umdrehen müssen – und die Schlampe neben ihm genauso –, aber das konnten sie nicht, weil sie den Knochen ausweichen mußten, die an ihnen vorbei zum Kamin flogen. Traf ein Knochen nicht ins Feuer oder prallte vom Kamin ab, fielen die Hunde Sir Johns knurrend darüber her.
Das war schon was, nach dem Sohn des Burgherrn mit Knochen werfen zu können. Da Sir John angefangen und seine Gäste aufgefordert hatte, es ihm gleichzutun, ließen sie sich nicht lumpen, zumal sie wußten, daß Sir John nichts dagegen hatte, wenn ein Knochen den schwitzenden Simon Llewellyn oder die ebenso schwitzende Schlampe neben ihm traf. Natürlich schwitzten die beiden auch, weil sie am dichtesten am Kamin saßen und die Hitze kriegten.
Die Schlampe kreischte, und Simon Llewellyn grinste gequält. Er hätte nie gewagt, gegen seinen Alten aufzumucken. Er kannte dessen Handschrift und empfing noch heute, bereits über dreißig, von ihm Maulschellen, genauso wie sein vier Jahre jüngerer Bruder Thomas Lionel Killigrew, der nun allerdings die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen hatte und daher vom Alten häufiger was an die Ohren kriegte.
Sie waren beide rothaarig wie ihr Erzeuger, dessen Haar allerdings mit zunehmendem Alter eine schmutzigfade Helle angenommen hatte. Eins war beiden gemeinsam: das Ferkelgesicht, denn ihre Nasen und die aufgeworfenen Lippen wirkten wie Ferkelschnauzen. Ihre Augen waren von einem wässrigen Blau, ihre Figuren bulligplump. Im übrigen stiegen sie hinter jedem Weiberrock her, waren aufdringlich und neigten zur rohen Gewalt, wo sie sich stärker fühlten. Kurz, sie waren ein ganz mieser Wurf, und Lady Anne hatte allen Grund, sich ihrer zu schämen.
Übrigens waren an diesem illustren Abend tatsächlich keine Ladys anwesend, sondern nur jene Vertreterinnen ihres Geschlechts, die zum käuflichen Schmusen bereit waren und diesem Broterwerb sonst in den Spelunken und anrüchigen Häusern von Falmouth, Penryn und Truro nachgingen. Die beiden Ferkelsöhne Sir Johns hatten sie „eingeladen“, und so flossen die Steuergelder, die Sir John in diesem Teil Cornwalls brutal eintrieb, im gewissen Sinne wieder in die arbeitende Bevölkerung zurück.
Die Lotterweiber fanden das nur gerecht, außerdem wußten sie, daß man sich bei Sir Johns Gelagen die Bäuche vollstopfen und die Nasen begießen konnte, und es war nicht das schlechteste, was Küche und Keller von Arwenack zu bieten hatten.
An diesem Abend waren Zinnplatten aufgetischt worden, überladen mit Truthahn-, Gänse-, Hühner-, Wildschwein- und Rehbraten. Dazu gab es rote und weiße Weine aus Kannen sowie irischen Whisky.
Der Lärm verstummte, als die beiden Besucher in die Halle geführt wurden. Und Simon Llewellyn und seine Schlampe konnten aufatmen, daß ihnen keine Knochen mehr um die Ohren flogen.
Als Sir John den ehemaligen Friedensrichter erkannte, stieß er ein dröhnendes Gelächter aus.
„Burton!“ röhrte er. „Burton, du alter Beutelschneider! Was habe ich da eben gehört? Der Bastard ist wieder im Lande?“
„Sir“, sagte Burton, etwas peinlich berührt von der Anrede, „könnten wir uns darüber in einem Nebenraum unterhalten? Es braucht nicht jeder zu hören, was nur für Ihre Ohren bestimmt ist. Die Sache ist – äh – zu delikat.“ Und er warf einen mißbilligenden Blick zu den Weibern, die ihn und Bromley kichernd und mit frechen Augen anstarrten.
Sir John rülpste, warf eine Truthahnkeule, an der er herumgenagt hatte, auf den Tisch zwischen die Becher, wischte sich die fettigen Finger am Wams ab und stand auf. Mit seiner bulligen Figur wirkte er wie ein Klotz. Seine hellblauen Augen über der Knollennase funkelten, als er seine Tafelrunde musterte.
„Ihr habt genug gefressen und gesoffen“, erklärte er grob. „Und jetzt haut ab! Verschwindet! Der Vizeadmiral von Cornwall hat eine geschäftliche Besprechung und will nicht mehr gestört werden.“
Sie saßen da und glotzten zu ihm hoch, die ehrenwerten Gentlemen und die Schlampen. Da waren der Burghauptmann von Pendennis Castle, der Friedensrichter von Falmouth, zwei Kaufleute aus Falmouth, der Burghauptmann von Arwenack, der Pfarrer der Gemeinde von Truro – ein ganz besonderer Lüstling, ferner ein entfernter Vetter der Killigrew-Söhne, der Apotheker von Falmouth sowie der Direktor der Zinngruben von Devon, na – und die Schlampen.
Sie fanden, daß das Gelage eigentlich erst angefangen hätte. Und daß sie „genug gefressen und gesoffen“ hätten, stimmte ihrer Meinung nach auch nicht, denn die Zinnplatten waren noch längst nicht leer. Und mit den Schlampen hatten sie auch noch nicht ihren Spaß gehabt, denn die Weiber irgendwohin zu kneifen oder zu betatschen, das zählte nicht.
Jedoch – sie alle kannten den Burgherrn zur Genüge. Sie wußten, daß er zum Jähzorn neigte und es glatt fertigbringen würde, die Jagdhunde auf sie zu hetzen. Und unter denen waren ganz schöne Biester mit blutunterlaufenen Augen und scharfen Reißzähnen.
Nur fanden sie es ziemlich läppisch, wegen dieses abgehalfterten Friedensrichters aus Plymouth und des hageren Kerls, der undurchsichtige Geschäfte betreiben sollte, das Feld zu räumen. So zögerten sie noch.
Aber da brüllte Sir John auch schon los, hochrot im Vollmondgesicht: „Sitzt ihr auf den Ohren, ihr verdammtes Gesindel? Raus, hatte ich befohlen! Trollt euch …“
In wenigen Minuten hatten sie die Halle geräumt.
Die beiden Ferkelbrüder wären liebend gern mit ihren Schlampen im Heu der Stallungen verschwunden, zumal diese hartgesottenen Weiber von ihnen bereits vorab kassiert hatten, aber da waren sie bei ihrem Alten schlecht gelandet. Er hatte sie zurückgepfiffen und angedonnert, daß sie gefälligst zu bleiben hätten, zumal es sich offenbar um eine Sache handele, die ihren verdammten Stiefbruder betreffe.
Da Simon Llewellyn enttäuscht, dafür aber um so ordinärer geflucht hatte, war ihm ein Zinnhumpen, gefüllt mit Rotwein, an den Schädel geflogen, abgefeuert von seinem Alten, der stets was zur Hand hatte, um jemanden zu züchtigen – einen Knüppel, eine Peitsche, ein Stuhlbein oder eben etwas zum Werfen. Ansonsten setzte es Stiefeltritte oder hagelte Maulschellen.
Ob das, was jetzt über das Ferkelgesicht floß, Rotwein oder Blut war, ließ den Alten völlig kalt. Der Idiot hätte ja seinen dämlichen Kopf einziehen können, nicht wahr? Aber nicht mal dazu langte es.
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