Bodo Kirchhoff - Dämmer und Aufruhr

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Wer spricht, wenn einer von früher erzählt? Das fragt sich ein Autor in dem kleinen Hotel am Meer, in dem seine Eltern vor Jahrzehnten glückliche Tage verbracht hatten, die letzten vor ihrer Trennung. Er bewohnt das Zimmer, das sie bewohnt haben, und schreibt dort an der Geschichte seiner frühen Jahre, erzählt sie mit der Distanz des Schriftstellers als eine auch fremde Geschichte: Er greift zu den Mitteln und Freiheiten des Romans, um der Geschichte seiner Sexualität, die zugleich die Geschichte seines beginnenden Schreibens ist, einen Rahmen zu geben, eine Lebenslegende, die doch nah an der eigenen schmerzlichen Wahrheit bleibt, zu der auch die gescheiterte Ehe seiner Eltern gehört. Der Krieg hat die Eltern zusammengewürfelt, die junge Schauspielerin aus Wien und den talentierten Kriegsheimkehrer mit verlorenem Bein aus Hannover, der vor dem Nichts stand. Alles, was sie wollen, ist der Enge ihrer Zeit entfliehen, jeder auf seine Art, daran zerbricht ihre Ehe. Der kleine Sohn kommt ins Internat, ein Drama der Details nimmt seinen Lauf, jenseits aller verstehenden Sprache auf einer Klinge aus so beklemmender wie betörender Gewalt.
In seinem großen autobiografischen Roman «Dämmer und Aufruhr» dringt Kirchhoff mit starken Erinnerungsbildern und großem erzählerischen Atem in die Tiefen des eigenen Abgrunds vor. Dabei erzählt er vom Eros einer Kindheit und Jugend, davon, wie Wörter zu Worten wurden und daraus schließlich das eigene Schreiben, der Weg hin zur Literatur.
"Wenige Tage vor seinem Geburtstag erscheint nun sein vielleicht wichtigstes Buch Es enthält das gesamte Ausgangsmaterial eines altersweise gestimmten Formulierungskünstlers . In seinen sorgfältig gemeißelten Sätzen über die Eltern, die ihre Kinder sich selbst überlassen haben und selber Verlorene waren, liegt etwas Feierliches, stolz Vergebliches und streng Überformuliertes, das an den längst verflogenen Suhrkamp-Weihrauch erinnert, ganz wunderbar ist und melancholisch macht."
Iris Radisch, Die ZEIT

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Ja, einmal tauchte mein Vater – nicht weniger überraschend, als er in meiner alten Mutter mit der Klopapierfetzengeschichte wieder lebendig geworden war – im Gasthof Vordergrub auf. Er entstieg seinem grauen VW mit geteilter Heckscheibe, für den herbeigeeilten Sohn noch immer der Dunkelhäutige mit Fez, heldenhaft heimgekehrt von einer Schiffsreise, seine junge Frau aber begrüßt ihn als Helden der Landstraße und einer Firma, die er vor dem Untergang bewahrt. Also schmiegt sich der Sohn an den, an den sich auch die Mutter schmiegt, und spürt das vertraute Holzbein; er wird sogar hochgehoben und nimmt einen Geruch nach Zigaretten und Rasierwasser auf, nach Schweiß von der langen Fahrt und auch etwas nach Wein. Der Held, der Vater, nennt den Sohn beim Namen, ohne den Namen abzuwandeln, und der Benannte äußert seinen heißesten Wunsch: mit der Seilbahn auf das Kitzbüheler Horn zu fahren. Nur einer, der im Krieg gekämpft hat, im Panzer saß, kann diesen Wunsch erfüllen, mit ihm in eine schwankende Gondel steigen und über Abgründe schweben, niemals die, die schon bei dem Gedanken an Abgründe wilde Bewegungen macht und ruft, keine zehn Pferde brächten sie in eine Seilbahn. Der Vater dagegen steckt sich eine Reval an – wie der immer noch hochgehobene Sohn das verfolgt, die Art, ein Streichholz anzureißen und nach dem Entzünden der Zigarette die Flamme auszuschütteln, den ersten Zug zu tun und den Rauch aus der Nase strömen zu lassen, um dann unvergessene Worte zu sagen: Söhnchen, wir fahren da gleich morgen hinauf.

Und in einer Gondel ganz für uns schwebten wir am nächsten Tag bei strahlendem Wetter auf das Kitzbüheler Horn zu, hoch über Tannenspitzen und steilen Matten, über Almen und Felsschründen und einer Schlucht – mit sachtem Schaukeln geht es bergan, fast geräuschlos, das Gondelfenster weit offen. Es ist Mittag, es ist heiß, der Vater hat das eine Hosenbein etwas hochgezogen und sogar auch das andere ein Stück, so, als wäre noch sein eigener Knöchel darunter und keiner aus Holz, und der glückstrunkene Sohn, trunken in dem seltenen Gefühl, einen Vater zu haben und über ihn gebieten zu können, möchte die Geschichte von dem fehlenden Bein hören. Etwas davon kennt er ja schon, das mit dem Stahlsplitter, der ins Knie dringt, ohne dass es gleich schrecklich wehtut, und nun will er die ganze Geschichte hören, schwebend zwischen Himmel und Erde. Und der Vater erzählt, wie sein Panzer, der Panzer des Kompanieführers, in Russland von einer Granate getroffen wurde und ihm, der den Angriff geleitet hat, der daumengroße Splitter in die Kniescheibe drang, und das an seinem Geburtstag, dem siebenundzwanzigsten. Zuerst war da für ihn, so erzählt er es noch einmal, gar kein richtiger Schmerz, nur etwas Heißes im Knie, er konnte sich sogar bewegen, sich aus dem brennenden Panzer retten. Und eine verirrte Kugel erwischt mich dann am Hintern, sagt er, eine, die zum Glück schon austrudelte – das war sein Wort dafür –, und zum Glück schneit es auch, Pech für die russischen Scharfschützen, alles Frauen mit ruhiger Hand, und irgendwie kommt dein Vater auf einen anderen Panzer, hält sich dort den Hintern und ist froh, dass er lebt – siebenundzwanzig, und nur ein blöder Splitter im Knie, so geht es ins nächste Feldlazarett, ein paar Zelte in einem Birkenwald. Und da liegst du dann, wartest, dass etwas passiert, während um dich herum Geschrei ist, einer kein Gesicht mehr hat und sie einem anderen das Gedärm wieder reinstopfen, bis endlich irgendwer im blutigen weißen Kittel daherkommt, auf mein Knie sieht und nur den Kopf schüttelt, was heißen soll, das wird wohl nichts mit dem Bein. Wenigstens holen sie mir dann den Splitter heraus, während auf dem Nebentisch einer mit Verbrennungen brüllt – aber jetzt reicht es, Söhnchen, jetzt genießen wir die Fahrt! Und mein Vater steckte sich eine Zigarette an und ließ mich die Flamme auspusten, wir sahen aus dem Fenster der Gondel, auf kleine Kühe tief unter uns und eine Tränke. Seine Hand lag auf meinem Knie, als wollte er es schützen oder seine Beweglichkeit spüren, während die Gondel auf dem steilsten Stück langsamer wurde, mit trägem Ruck über den letzten Pfeiler kam, und da erzählte er doch noch das Ende, wie er das Bein retten wollte, durch wochenlanges Ruhigstellen in Gips und mit Schmerzmitteln, die einen Ochsen umgehauen hätten. Erst als Maden unter dem Gips waren, sich vom Eiter in dem Knieloch ernährten, wurde dem Ganzen ein Ende gemacht, das Bein am Oberschenkel abgesägt.

Mein Vater hatte mich erstmals ins Vertrauen gezogen, in das dichte, so beschützende wie erschreckende Innerste seines Vertrauens, und kein anderes Wort in der Geschichte vom verlorenen Bein hat sich so festgesetzt wie dieses Abgesägt, in Verbindung mit dem Bild eines faltigen weichen Schenkelstumpfes, fester Bestandteil meiner kindlichen Träume, in denen dieses geheime und zugleich unheimliche Stück Vater endlich betastet werden konnte – ein Traum, den es gelegentlich noch gibt, vielleicht auch nur als Traum von den einstigen Träumen. Und immer ist da auch das unauslöschliche Bild, wie mein Vater jeden Morgen eine Art Strumpf über das schlaffe Gebilde rollt, um das Strumpfende durch ein Loch in der Prothesenaushöhlung zu ziehen (erst als fast Erwachsener hatte ich begriffen, dass so ein Vakuum entstand, das den Oberschenkelrest in der Höhlung hielt), ein Bild, das sich oft mischt mit etwas ebenso Eindrücklichem: Mein Vater nimmt mich, noch in Hamburg, mit in die Werkstatt des Prothesenbauers. Dort hängen Arme und Beine von der Decke, als würde die Welt auf dem Kopf stehen, und wir gehen Hand in Hand unter diesem hängenden Gliederwald, mein Vater erzählt von anderen, die ein Bein, einen Arm oder gar beide Arme verloren hätten. Manche auch ihr Gesicht, sagt er, und ich schaue mich nach Holzgesichtern um. Wir sind allein in dem länglichen Werkstattraum, warten auf den Prothesenbauer, mein Vater setzt sich auf einen Stuhl, ich stehe davor, in der Hand einen kleinen Hammer – der wohl irgendwo gelegen hatte –, und klopfe damit auf das Holzknie unter dem Hosenstoff und kann es nicht fassen, dass er nichts spürt; vor lauter Armen und Beinen in der Werkstatt habe ich das väterliche Bein vergessen. Und auch am Tag unserer Seilbahnfahrt, als wir von der Bergstation noch das kurze Steilstück bis zur Spitze des Kitzbüheler Horns gingen, hatte dieser Mangel an Bein etwas Irreales, ja war letztlich aufgehoben, ich ging mit einem vollständigen Vater zum Gipfelkreuz. Erst beim Abstieg wurde es schwierig für ihn, er stützte sich auf meine Schulter, ich war seine Krücke, sein Halt. Und gegen Abend, zurück im Gasthof Vordergrub, ist er auf einmal verschwunden (im Zimmer seiner jungen Frau, wo sonst).

Es war ein gewittriger Abend nach dem heißen Tag – heiß sogar auf der Bergspitze in meiner Erinnerung, überall Leute mit nacktem Oberkörper –, dunkler Himmel und Wind, das Licht hatte sich verflüchtigt wie der Vater, und aus dem Sohn wurde erneut ein Infant im Bett seiner Hüterin. Er hakte ihr das Mieder auf, scherte ihr den Rücken und bekam, als Gegenleistung, eine Geschichte, die sie für ihn erfand – eine der vielen Geschichten, die mich immer wieder vergessen ließen, dass etwas fehlte, die Entität der Eltern als feste Größe. Dafür gaben mir die Geschichten ein Gefühl von Macht, der Macht, mich nach Belieben in ihnen bewegen zu können und Einfluss auf ihren Gang zu haben, ihr Personal, die Ausstattung, den Grad ihrer Spannung. Das Schwinden der Eltern wurde beglichen mit diesen Gutenachtgeschichten, die mehr das Ressentiment vertrieben als die Langeweile; jeder Morgen beginnt mit neuer Hoffnung: dass die Eltern Eltern bleiben, eine Einheit, Mutterundvater. Und als der Vater nach ein paar Tagen wieder abfährt, in eine eigentlich erträglichere, gänzliche Abwesenheit, geht das mütterliche Schwinden auf andere Art weiter: Eine Frau am Beginn ihrer besten Jahre, immer noch an die große Liebe glaubend, die zu einem Mann (auf schon eigenen Wegen), sucht Trost in Geschichten, nur dass sie sich diese Geschichten selbst erzählt. Sie schreibt. Die junge Mutter sitzt jetzt jeden Vormittag an einem der Holztische vor dem Gasthof im Halbschatten vor einer kleinen Schreibmaschine – angeschafft, wie es hieß, damit sich die finanzielle Lage der Familie und der Firma durch ein Buch, das alle lesen wollen, im Grunde also durch ein von ihr bewirktes Wunder, schlagartig zum Besseren wendet. Sie tippt und tippt, während der Kavalierssohn an einem entfernten Tisch immer wieder von seinem Zeichenblock aufschaut; er wartet auf eine Pause, auf die Lücke, in der er sich der Mutter nähern kann, um sie anzufassen, ihr Wegsein, obwohl sie ja dort sitzt, aufzuheben.

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