Christian Gude - Mosquito

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Sporttaucher finden im »Großen Woog«, am Rande der Darmstädter Innenstadt, die Überreste eines Mannes. Untersuchungen ergeben, dass die Leiche schon mehrere Jahrzehnte im See gelegen hat. Der einzige Hinweis zur Identität des Toten ist eine seltsam gravierte Metallmünze, die er um den Hals trägt. Die Ermittlungen führen Hauptkommissar Karl Rünz zurück in den September 1944, als Darmstadt Ziel eines verheerenden Angriffs britischer Mosquito-Kampfflugzeuge wurde …

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Christian Gude

Mosquito

Kriminalroman

Zum Buch DIE LIEBE DER KRIEG UND DER TOD Sporttaucher finden im Großen - фото 1

Zum Buch

DIE LIEBE, DER KRIEG UND DER TOD Sporttaucher finden im »Großen Woog«, dem über 400 Jahre alten Gewässer am Rande der Darmstädter Innenstadt, die Überreste eines Mannes. Untersuchungen des Rechtsmedizinischen Institutes in Frankfurt ergeben, dass die Leiche schon mehrere Jahrzehnte im See gelegen hat. Der einzige Hinweis, der zu der Identität des Toten führen könnte, ist eine seltsam gravierte Metallmünze, die er um den Hals trägt: Name und Losung einer britischen Mosquito-Schwadron, die am 11. September 1944 an der verheerenden Bombardierung Darmstadts beteiligt war, die als die »Brandnacht« in die Annalen der Stadt einging. Hauptkommissar Karl Rünz bittet über das BKA Interpol um Unterstützung. Frank Cooper, ein britischer Spezialist für die Identifizierung alliierter Kriegsopfer aus dem zweiten Weltkrieg, verstärkt das Team. Die beiden begeben sich auf Spurensuche und machen eine erstaunliche Entdeckung …

Christian Gude wurde 1965 in Rheine/Westfalen geboren. Er studierte Geografie in Mainz und lebt heute mit seiner Frau und seinem Sohn im südhessischen Darmstadt. Für ein international operierendes Consulting-Unternehmen arbeitet er als Marketingexperte. Seit 2007 schreibt Gude im Gmeiner-Verlag Kriminalromane, in deren Mittelpunkt der Darmstädter Kriminalhauptkommissar Karl Rünz steht. Im fünften Band nun ermittelt der kauzige Misanthrop auf eigene Rechnung – als Privatdetektiv. Die Rünz-Fälle sind anders – sie verbinden präzise Recherche mit satirischem Sprachwitz, Gesellschaftskritik mit absurder Situationskomik und faszinierenden wissenschaftlichen Detailreichtum mit pointierten Dialogen.

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Alle Rechte vorbehalten

1. Neuausgabe 2021

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © greenpapillon / stock.adobe.com

ISBN 978-3-8392-3310-8

Haftungsausschluss

Soweit im Nachwort nicht explizit erwähnt, sind alle Pro­tagonisten dieses Romans frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen zufällig. Die im Roman verwendeten Fachtermini und erklärungsbedürftigen lokalen Ausdrücke und Bezeichnungen sind in einem Glossar im Anhang erläutert.

Übersichtsplan

Der Große Woog im südhessischen Darmstadt ist heute ein Badesee am Ostrand der - фото 5

Der Große Woog im südhessischen Darmstadt ist heute ein Badesee am Ostrand der Innenstadt. Die Anlage des Gewässers zwischen 1560 und 1570 geht zurück auf Ludwig den Vierten, Landgraf von Hessen-Marburg, und seinen jüngeren Bruder Georg den Ersten, Landgraf von Hessen-Darmstadt.

Detailplan

Prolog Seit Jahren war er nicht mehr im Keller gewesen Aufsteigende Feuchte - фото 6

Prolog

Seit Jahren war er nicht mehr im Keller gewesen. Aufsteigende Feuchte hatte den Innenputz der Wände von der Fundamentplatte aufwärts gelöst, auf den Fugen des freigelegten Ziegelmauerwerks blühten mineralische Krusten. Die Luft war feucht und stockig, ein unangenehmer Geruch, der immer durch die offene Kellertür in den Wohnbereich gezogen war, wenn seine Mutter Vorräte heraufgeholt hatte. Jürgen Wolf dachte über den feinen Unterschied zwischen Ursache und Anlass von Ereignissen nach, den ihm sein Geschichtslehrer an der Viktoriaschule fast 20 Jahre zuvor zu vermitteln versucht hatte. Auf seine Situation übertragen, war der Anlass klar definiert – der Besuch eines Polizisten, einige Artikel in der ›Darmstädter Allgemeinen Zeitung‹. Die Ursache war viel schwieriger zu fassen. Sie war fester Teil seines Lebens, er konnte sie nicht an einem Datum festmachen. Sie lag irgendwo in den letzten 30 Jahren des Schweigens in seiner Familie. Letztendlich war es müßig, darüber nachzudenken. Er stand im Keller und hatte seine Entscheidung getroffen. Und anders, als er in all den Jahren befürchtet hatte, bereitete ihm sein Beschluss keine panische Angst, sondern Erleichterung. Der Plan, den er ausführte, hatte seit Jahren in seinem Kopf existiert, abruf- und ausführbar wie eines der zahlreichen Computerprogramme, mit denen er sich an seinem Arbeitsplatz beschäftigte.

Dutzende alter Kartons mit Spielsachen aus seiner Kindheit und Jugend räumte er um, Metallbausätze, physikalische und chemische Experimentierkästen, verschimmelte Bildbände über Weltraumfahrt, Raketentechnik und Tiefseetauchen. Die Wachstumsbedingungen für Pilzmyzele waren ausgezeichnet in dieser Gruft, der graue Belag haftete sogar an Metall- und Kunststoffteilen.

Die Uniform entdeckte er in einer Pappschachtel, die direkt an der Außenmauer auf dem klammen Estrich stand. Boden und Rückwand der Box lösten sich auf in dem Moment, als er sie hochhob. Er fand eine besser erhaltene mit verrosteten Ausstechformen für Weihnachtsplätzchen, schüttete deren Inhalt auf den Boden und legte den Overall vorsichtig hinein. Die verrotteten Baumwollfasern rissen bei der geringsten mechanischen Beanspruchung.

Er löschte das Kellerlicht, verließ das Haus durch die Hintertür und befestigte den Karton auf dem Gepäckträger seines Fahrrades. Auf der Heinrich-Fuhr-Straße spähte er über den Grünstreifen Richtung Woog und nach Osten zum Trainingsbad, konnte seine Mutter aber nicht entdecken. Entweder sie war unten an der Uferböschung und fütterte Enten oder sie gönnte sich an der Trinkhalle vor dem Trainingsbad einen Underberg – für die Verdauung. An der Kreuzung Nieder-Ramstädter- und Heinrichstraße zögerte er. Der Weg durch das verwinkelte Paulusviertel war sicher etwas kürzer, aber er wollte sich nicht verfahren. Sein Aktionsradius war von Kindheit an eingeschränkt, die Region südlich der Viktoriaschule für ihn Terra incognita. Er wählte die sichere Variante über die Nieder-Ramstädter Straße nach Süden, am alten Friedhof und der Georg-Büchner-Schule vorbei, die ihn mehr an ein Kasernengelände als an ein Gymnasium erinnerte. Der Höhenunterschied brachte ihn kaum außer Atem, aber er wurde nervöser, je näher er seinem Ziel kam. Auf Höhe des Hochschulstadions wäre er beinahe gedankenversunken in eine Gruppe Sportstudenten hineingefahren. Die jungen Männer produzierten sich gleich als Beschützer ihrer Kommilitoninnen und raunzten ihn an, die Mädchen machten sich über seine Aufmachung lustig. Er trat, so kräftig er konnte, in die Pedale und flüchtete. An der ARAL-Tankstelle hinter dem Böllenfalltor-Stadion versorgten sich einige Fans des SV 98 mit Dosenbier. Er vermied den Blickkontakt, um eine weitere Konfrontation zu verhindern. Hinter dem Betriebshof der HEAG bog er rechts in die Klappacher Straße ein und ließ sein Rad den halben Kilometer von der Anhöhe zum Polizeipräsidium hinunterrollen, den Karton auf seinem Gepäckträger mit einer Hand festhaltend.

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