Stellen Sie sich vor, Sie wären schon eine ganze Weile auf der Suche nach einem Job. Da schlagen Sie eines Morgens die Zeitung auf und finden folgende Stellenanzeige: »Dynamische, hochflexible, leiderprobte, entbehrungsfreudige, vielseitig geschickte und redegewandte Person für interessante Tätigkeit ab sofort gesucht. Wir erwarten Bereitschaft zur Arbeit im Außendienst in einem Gebiet, das mehrfach der Fläche Deutschlands entspricht. Dienstwege können nur zu Fuß zurückgelegt werden, am besten barfuß, da Schuhabnutzung nicht erstattungsfähig ist. Mitarbeiter sollte unempfindlich gegen herbe Kritik und Verleumdungskampagnen sein. Er muss sich natürlich mit seinem Produkt identifizieren und den leidenschaftlichen Wunsch haben, es an den Kunden zu bringen. Er braucht Überzeugungskraft gegenüber einer mehrheitlich ablehnenden Kundschaft. Seinen Lebensunterhalt verdient der Bewerber durch selbstständige nebenberufliche Tätigkeit. Urlaub kann keiner gewährt werden. Aber gelegentlich ergeben sich kleinere Erholungspausen in verschiedenen Gefängnissen.«
Vielleicht haben Sie es gemerkt: Diese Jobbeschreibung passt haargenau auf Paulus und seinen Dienst. Und er hat diesen Dienst allein aus einem Grund getan: der Liebe zu seinem Dienstherrn. Dabei scheute er keine Mühe, um das Produkt weiterzugeben, das er selbst empfangen hatte. Von dem er gemerkt hatte, das war es, was ihm in seinem Leben noch fehlte. Dafür verzichtete er auf seinen erheblichen Einfluss bei der Jerusalemer Obrigkeit, seinen guten Ruf als Gelehrter in einer Spitzenposition, ein sicheres und nicht geringes Einkommen bis an sein Lebensende, einen geregelten Tagesablauf, einen ruhigen Wohnsitz. Alles das gab er auf.
Dieses Produkt war das Evangelium von der Gnade Gottes. Der hat das, was wir ihm gegenüber schuldig waren, durch seinen Sohn Jesus Christus begleichen lassen. Er ist für uns nicht mehr der große Unerreichbare, sondern für uns ist er einfach der Vater, der uns durchs Leben begleitet und uns nach dem Tod zu sich holt. Und aus lauter Freude und Dankbarkeit für dieses Produkt nimmt Paulus alles auf sich, um es auch anderen Menschen zu bringen und sie davon zu überzeugen, dass es greifbar vor ihnen liegt. Bekenne deine Schuld vor Gott und glaube an Jesus Christus. So einfach ist es.
Und doch auch so schwer. Das musste Paulus immer wieder auf seinen Reisen erfahren. So kommt er nach Korinth und erfährt dort in seiner Gemeinde, die er selber gegründet hatte, viel Ablehnung. Ausgerechnet sein mühsames und leiderfülltes Leben als Christ und Missionar werfen sie ihm vor. »Wo ist denn Gott in deinem Leben sichtbar?«, fragen sie ihn. »Du erlebst doch nur Ablehnung, Konflikte, und besonders erfolgreich bist du mit deiner Botschaft vom gekreuzigten Jesus auch nicht. Du verkündigst den Sieger Jesus Christus und stolperst selbst von einer Niederlage zur anderen. Ein Sieger sieht anders aus. Glaubst du denn überhaupt richtig?«
Paulus geht in seinem Brief darauf ein und antwortet: »Gerade in alldem, was ich täglich so erlebe, merke ich, wie Gottes Gnade mich begleitet. Nicht, indem es mir äußerlich gut geht und ich von einer Geisterfahrung zur anderen taumle. Wichtig ist mir allein, dass ich als Kind und Diener Gottes ihm treu bleibe in jeder Lebenslage. Er gibt mir die Geduld, wenn ich in einer scheinbar aussichtslosen Lage bin. Oder wenn ich mit Menschen in den Gemeinden zu tun habe, die einfach schwierig sind. Er gibt mir die Kraft, wenn ich in meinem Dienst angegriffen werde und leiden muss, dass ich trotzdem die Freude an meinem Herrn nicht verliere. Er erfüllt mich mit echter Liebe zu den Menschen, auch zu denen, die mir hart zusetzen. Kurz gesagt: Gott holt mich nicht aus dem harten Alltag heraus. Aber er hilft mir, ihn zu bestehen und trotzdem ihm dabei treu zu bleiben.«
Die Gnade Gottes lässt sich nicht daran messen, wie glatt unser Lebensweg ist. Es ist nicht wichtig, wie viele Felsen da liegen, aber es ist wichtig, wie wir mit ihnen umgehen. Wie hat Goethe gesagt: »Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.« Es gibt Menschen, die lassen sich durch schwere Schicksalsschläge vom Glauben abbringen und bekunden das vielleicht auch öffentlich durch einen Kirchenaustritt. Weil Gott ihnen etwa einen lieben Menschen zu zeitig genommen hat. Das ist menschlich verständlich, aber aus Gottes Sicht eigentlich kaum. Viel besser ist es dann, Gottes Gnade zu erflehen und näher zu ihm hinzufliehen. Die Erfahrungen, die wir in solchen schweren Situationen mit ihm machen können, sind unbeschreiblich. Gottes Gnade und Liebe sind immer ein Stück größer als das Leid, das er uns zumutet.
Das durfte auch Paulus erfahren. Seinen Gegnern in Korinth aber sind diese tiefen Erfahrungen von Gottes Gnade verschlossen geblieben. Ihre Frömmigkeit blieb oberflächlich.
Bibeltext der Woche: Matthäus 25, 14 – 30
Da kann mir die Freude vergehen, wenn ich höre: »Denn wer da hat, dem wird gegeben werden und er wird die Fülle haben, wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus, da wird sein Heulen und Zähneklappern.« Wenn ich nicht wüsste, dass diese Worte in der Bibel stehen, würde ich sie eher als eine treffende Beschreibung unserer Gesellschaft bezeichnen. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden. In einer Zeit, wo für viele die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Heulen sind, da will das niemand auch noch aus der Bibel hören.
Aber dieses Gleichnis hier meint etwas anderes als ein Lob der Ungerechtigkeit. Jesus sagt hier denen das Gericht an, die aus ihrem Leben nichts Gescheites machen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, es geht ihm dabei nicht um die Karriereleiter, womöglich um die erste Million, nein, es geht um Lebenssinn. Wozu bin ich da? Jeder von uns hat seine Fähigkeiten, mit denen er arbeiten kann. Das Gleichnis atmet die Zuversicht, dass ich im Leben etwas erreichen kann. Wenn ich meine Chance nur nutze. Ein Liedermacher hat einmal gesungen: »Du hast es nur noch nicht probiert, und darum glaubst du es nicht … Mensch, du bist stumm wie ein Fisch und alles wartet auf dich … Mensch, in dir steckt doch noch Ungeahntes drin. Was noch keinem gelang, das packst vielleicht gerade du. In dir schläft Mut, Phantasie, ja vielleicht ein Genie. Na los, trau dir es doch zu. Du hast es nur noch nicht probiert!«
Mir fällt dabei Sabrina ein. Ein Film dieses Namens war einst ein Film-Klassiker mit Audrey Hepburn und Humphrey Bogart (Bogart wurde in letzter Minute für Cary Grant eingesetzt, da Grant absagte) und wurde neu verfilmt mit Julia Ormond und Harrison Ford. Sabrina Fairchild nun, die junge, schüchterne und unbeholfene Tochter des Chauffeurs der reichen Larrabees, verliebt sich, in ihrer Phantasie wohlgemerkt, in den Playboy der Familie, David. Doch der würdigt sie zunächst keines Blickes (» … der weiß nicht, dass ich existiere«). Ein zweijähriger Aufenthalt in Paris macht aus dem unscheinbaren Mädchen eine wirklich angenehme Schönheit. Auf einmal beißt auch Schürzenjäger David an. Aber es stehen Milliarden auf dem Spiel, sein Bruder Linus, der eigentlich ausgebuffte, immune Geschäftsmann, soll nun die unstandesgemäße Liaison verhindern, mit einer hohen Abfindung für die Betroffene versteht sich. Zu beider Überraschung entdecken beide ihre Gefühle füreinander. Linus erscheint der Sinn seines Lebens plötzlich durch diese Frau in einem neuen Licht. Total einfache Dinge werden ihm plötzlich wichtig, nicht Terminkalender. David ist darüber auch gar nicht so unglücklich, für ihn wäre Sabrina vielleicht nur eine Episode geblieben. Für seinen Bruder aber ist es die Chance seines Lebens, und er ergreift sie nach langem Zögern und Kampf und vollem Risiko. Sie hat sein Leben umgestoßen – die Chance und die Frau.
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