Ihre Zähne gruben sich tief in meine Haut und schenkten mir zum ersten Mal die Qual der hohen Lust. «Man muß sein Opfer langsam in die elysischen Wonnen hinüberziehen, damit die Lust alchemistischer Umwandlung die Seele trägt und die aufstrebende Kurve der Libido nicht plötzlich sinkt», raunte sie mir verschwörerisch zu, während ihre Fingerkuppen sanft über meine Brust glitten. «Es liegt an jedem selbst, ob er es sich sanft oder hart erwünscht …»
Sie atmete schwer, als sich ihre sexuellen Flammen glühend unter meinen Küssen vermehrten. «Ich opfere mich gern», keuchte ich ekstatisch und spürte das wilde und hungrige Tier in ihr, das seine willenlose Beute schlägt, nachdem es die Spur des opferbereiten Fleisches gewittert hatte. Eine Sturmwelle unermeßlicher Anziehung durchströmte mich: «Wie muß ich mich verhalten, daß es hart ausfällt?»
«Der Schmerz wird es dir zeigen», flüsterte sie erregt und zog meinen stöhnenden Leib ins Wasser. «Bist du bereit?»
Ich spürte ihre süße Nähe, und meine Sehnsucht wuchs ins Ungeheure. Eine unerträgliche Erregung überflutete mich. Meine Seele sträubte sich gegen die Offenbarung der Wahrheit, aber mein Körper begriff die devote Hingabe an das strenge Ritual meiner inneren Auflösung, und ich verstand zum ersten Mal in meinem Leben, wie wunderschön es sein mußte, Auge in Auge, Körper an Körper mit dem Tod alle Gefühle und Sehnsüchte zu genießen und in bodenloser Seligkeit zu vergehen. In mir wuchs das unersättliche Verlangen, ihr nahe zu sein und mich ihr ganz zu überlassen, so sehr ich mich auch dagegen sträubte, ihr mein Leben zu opfern und mich restlos den Wonnen der strömenden Wollust zu überlassen, die sie in mir entfachte …
«Empfange jetzt den Todeskuß!» Bebend vor Liebe und Todesnähe streckte ich mich ihr entgegen, und sie küßte mich mit einem himmlischen Kuß, der meine Brunstschreie erstickte und mich von den letzten Zweifeln meiner Bestimmung befreite, denn jetzt war mir klar, ich gehörte dieser Frau auf ewig … Sie drückte mich inniger an sich, und mit ihren ekstatischen Lippen erfaßte mich der Tod und entriß mir den Lebensodem. Ihre Tränen drangen in meine Augen, und mit einem Stöhnen erfaßte mich die Ekstase und entriß mir in zuckenden Strömen die Lebensglut, bis mir endlich der Atem erlöschte und ich aus ihrer Umarmung sanft in die Tiefe sank.

Vorhölle
Die Vorhölle der Durchsetzungsschwäche an der Schwelle zur Aggression aus sexueller Unterdrückung
Sünder
Asoziale, Süchtige, Suizidenten, Penner, unberechenbare Trinker (Gewalttäter unter Drogen- oder Alkoholeinfluß), Spiegelfechter, Falschmünzer, Ränkeschmiede und alle Feiglinge unter dem Schlüsselbegriff «der besiegte Held»
Disposition
Der Schattenbereich von Mars in den Fischen und Mars im 12. Haus sowie disharmonische Mars/Neptun-Aspekte
Schuld
Durchsetzungs- und Antriebsschwäche, Zersetzung der Kräfte (Selbstauflösung), Aggressionslähmung (Reizbarkeit, Schwäche), Chaos, Verwirrungen, Triebverirrungen, Versagensängste, Haltlosigkeit, Intrigen, Lüge, Lust und Sucht (das Abgleiten in den Sumpf falschen Vergnügens), Gleichgültigkeit, Unentschlossenheit, Apathie
Strafe
In dieser Hölle bist du dazu verurteilt, deine unterdrückten Aggressionen gegen dich selbst zu richten, denn deine flammende Triebnatur wird durch das Eintauchen in die ozeanischen Tiefengründe ihrer kreativen Feurigkeit beraubt und damit gezwungen, ihre persönlichen Ziele loszulassen und als körperloses, lebendiges Wassergespenst zu sühnen, das sich nur in den Visionen der Träumer und in den Räuschen der Süchtigen manifestieren kann. Durch die durch die innere Versagensangst potenzierte Aggressions- und Willensschwäche wird deine Aggressivität in den unbewußten Fische-Meeren gelähmt. Dadurch findest du Lust am Untergang, denn dieser Ort repräsentiert die vollständige Zerstäubung deiner Aggressionen und die innere Auflösung deiner libidinösen Instinktnatur. Als Symbol der Unterwerfung trägst du die Nabelschnur um den Hals, zum Zeichen, daß du die Gefühle der Hilflosigkeit und Schwäche jetzt annehmen kannst, denn diese Buße fordert dich zur inneren Hingabe auf, da die Zeit gekommen ist, die Aggressionen der Vergangenheit hinwegzuschwemmen und den Ich-Kern aufzulösen. Mit der Aufweichung des Ich verlierst du alle schützenden materiellen Hüllen: Du versinkst im bodenlosen Raum des Selbst und läßt dein Ego als Opfergabe auf dem Altar des Ewigen zurück.
Lösung
Noch bist du von den sexuellen Lockrufen der Sirenen besessen, die für die unerlösten Sehnsüchte stehen und dich wieder zu den Urquellen hinunterziehen wollen, gleichzeitig bist du aber schon auf dem Weg zum Großen Geist, denn der höhere Wille zieht dich aus den Wassern des Unbewußten zu den Visionen des himmlischen Erkennens hinauf. Das entspricht der Überwindung der eigensinnigen Autorität des Ich und der Bereitschaft, dich von einer höheren Kraft führen zu lassen. Vielleicht hast du dich aber auch an deine innere Schwäche gewöhnt, aus der heraus du dich selbst bedauerst, ohne zu merken, daß sich in dieser Haltung ja gerade dein innerer Wille erfüllt: keine Kriege zu führen, keine Kreaturen zu töten und dich nicht um jeden Preis durchsetzen zu wollen, eben kein brutaler Held, keine aggressive Amazone zu sein. Jetzt kannst du dir die Strafe verdienen – aber nicht, indem du die Aggressionen unterdrückst und damit für ihr sicheres Eintreffen sorgst, sondern indem du dich öffnest und die Aggressionen losläßt!
Einen Moment war ich mir nicht sicher, ob ich wachte oder träumte, und ich rief nach Akron und fragte ihn, was mir widerfahren sei, denn ich fühlte mich von meinen inneren Gespenstern und Liebesdämonen umfangen und in die Tiefe gezogen.
«Was ist mit mir geschehen?» fragte ich.
«Du hast dich deiner infantilen Sehnsucht, dieser irisierenden und opalisierenden, aber unerreichbaren inneren Dämonin ausgeliefert. Vielleicht solltest du mir sagen, wie sie ausgesehen hat?»
«Sie hatte grüne Haare und eine unverschämt erotische Ausstrahlung …» Als ich ihm gerade zu schildern begann, wie sie mich durchdrang, meinte er nur, dies sei ohnehin belanglos. Ich solle ihm lieber erzählen, ob sie mich angesehen habe.
Ich sagte ihm, daß sie smaragdene Augen hatte, doch er sprach von der Leiche, die eine entfernte Ähnlichkeit mit mir aufwies und die er vergeblich ins Boot zu ziehen versuchte: «Hat sie dich angeschaut?»
Ich konnte mich an diesen Vorfall nur sehr dunkel erinnern; ich wußte nur noch, daß Akron versuchte, eine Leiche ins Boot zu ziehen und ich ihn in dem Moment, wo er sich gerade anschickte, sie über die Kante an Bord zu hieven, umstieß, weil mir genau an dieser Stelle die Wassernixe erschien. «Ist das wichtig?» erwiderte ich.
«Natürlich ist das wichtig», entgegnete er, «denn die Leiche ist ein Fragment deiner selbst, die Materialisation deiner negativen und aggressiven Gefühle. Hätte sie dich angeblickt, hättest du sterben müssen!»
«Das paßt doch gut. Die Wassernixe hat mich angeschaut, die ich anstelle der Leiche sah», bestätigte ich.
«Die Leiche wurde von der dynamischen Kraft deiner destruktiven Energien geformt. Während du sie bewußt hinter dem Gesicht der Nixe getarnt hast, kanntest du sie unbewußt sehr gut. Du hast die Maske der Sehnsucht auf das Gesicht der Verwesung gepfropft», sagte er nachdenklich, «und damit den Tod vorderhand unschädlich gemacht.»
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