Als die Besucher das Ufer erreichen, steigen ein paar Weißkopfseeadler von den Baumwipfeln auf und kreisen majestätisch über der Bucht. Ein schlaksiger Mann tritt aus dem Wald und nähert sich dem Strand: „Für uns Haida ist SGangGwaay der Ort der Schöpfung“, erklärt Jordan, der im Sommer auf der Insel als Wachmann arbeitet. Er beschützt dort die fragilen Totempfähle seiner Vorfahren, die zum Weltkulturerbe gehören und die meterhoch aus dem Regenwald ragen. Manche sind völlig verwittert und bis zu 400 Jahre alt.
Seit über 10 000 Jahren leben die Haida auf dem Archipel, auf SGangGwaay waren es einmal 300 Familien. Geblieben von ihrem Dorf sind nur Ruinen, es gibt weder Straßen noch Häuser. Nur eine kleine Wachhütte steht einsam im Wald mit zwei Zimmern, einem Plumpsklo und einem Generator. Ab und zu kommen Gäste per Wasserflugzeug, Segelboot oder Zociac vorbei. Straßen hierher gibt es nicht.
„Wir Haida haben harte Zeiten erlebt, aber wir haben gekämpft und überlebt“, erzählt Jordan. Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Weißen die Pocken auf Haida Gwaii eingeschleppt und von etwa 10 000 Haida blieben nur 500. Heute leben wieder 2500 Haida auf dem Archipel, dazu etwa genauso viele weiße Kanadier.
Bis zum Sonnenuntergang sind es jetzt nur noch ein paar Stunden. Bald wird sich Jordan in seine kleine Hütte im Wald zurückziehen, den Kamin anzünden und durch das große Fenster hinaus aufs Meer schauen. Stets auf der Hut, damit der Ort, an dem die Welt einmal angefangen hat, nicht untergeht.
Zeugen einer großen Kultur: die Totempfähle von SGangGwaay
Reisetipp 13: Dawson Creek, Alaska Highway
Es geht geradeaus, immer geradeaus. Stundenlang. Tagelang. Wochenlang. Vorbei an einsamen Seen, undurchdringlichen Wäldern, schneebedeckten Dreitausendern. Ab und zu huscht ein Bär über den Asphalt auf der Suche nach frischen Löwenzahnblättern. Hirsche, Wölfe und Elche streifen über die Lichtungen neben der Straße, manchmal sogar Rentiere. Am Autofenster schwirren die Moskitos.
Der Alaska Highway, eine der bekanntesten Traumstraßen der Welt, feiert in diesem Jahr Jubiläum. Vor 75 Jahren hatte der Bau der 2288 Kilometer langen Piste durch die Wildnis begonnen, die Dawson Creek in British Columbia und Delta Junction im US-Bundesstaat Alaska verbindet. Einst als Nachschubroute für das Militär gedacht, ist der geteerte Highway heute die Verkehrsader für Kanadas Norden und Touristenroute für Millionen Auto- und Wohnmobilurlauber aus aller Welt.
In Dawson Creek weist ein Straßenschild auf den Beginn des Alaska Highways hin
Reisetipp 14: Fort St. James, Hudson's Bay Company
Jeden Morgen um kurz vor 9:00 Uhr wird im Fort der Hudson's Bay Company die rote Fahne mit dem Union Jack und den Buchstaben H.B.C. gehisst. Es ist der Dienstbeginn in Fort St. James, einem Zentrum des Pelzhandels in Nordamerika: Mägde sortieren im Lagerhaus Felle, Trapper laden gepresste Pelzballen in ihre Kanus, Händler legen im Laden Waren aus. So geschehen im Jahre 1896.
Über 120 Jahre nach der Blütezeit des Forts können Besucher in dem zum Freilichtmuseum umgewandelten Ensemble die Epoche der Fallensteller authentisch nacherleben. Erhalten geblieben sind rund ein Dutzend Blockhäuser, in denen man sogar übernachten kann. Nachts ist es dann totenstill, nur manchmal hört man das Plätschern des nahen Sees oder das Zirpen der Grillen. Am frühen Morgen kräht der Hahn, später servieren die Mägde das Frühstück. Es gibt Kaffee, englischen Tee, frisch gebackene Brötchen und Würstchen auf feinem Porzellan.
In der Stadt Fort St. James steht ein Fort gleichen Namens, das heute von der Parkbehörde Kanadas betrieben wird
Reisetipp 15: Vernon, Sparkling Hill Resort
Davon hat Gernot Langes-Swarovski immer geträumt: ein glitzerndes Wellness-Hotel aus Millionen Kristallen. Unweit von Vernon hat sich der Patriarch des österreichischen Swarovski-Glas-Imperiums den Wunsch erfüllt. Wie ein riesiger Diamant thront sein Hotel auf einem Hügel der Monashee Mountains, sogar Flugzeugpassagiere können das Funkeln der Fassade aus der Höhe erkennen. Auch im Inneren glitzert es überall: Das Atrium besteht aus 15 riesigen Glasdreiecken, im Foyer hängen Kronleuchter aus Glas, in den 152 lichtdurchfluteten Zimmer funkeln Sterne. Im KurSpa, dem riesigen Wellnessbereich, leuchten Glaskugeln. Gäste haben eine Auswahl von sieben Saunen, vier Erlebnisduschen, drei Pools und einem Kneipp-Bad. In der einzigen Kältesauna in Nordamerika zittert man bei minus 110 Grad Celsius. Abends lädt das Hotel während der europäischen Stunde zum textilfreien Saunen. Auf der Weinkarte im Piekfein Restaurant steht, natürlich, auch Grüner Veltliner.
Wellness mit Blick auf die Monashee Mountains von British Columbia
Reisetipp 16: Okanagan Valley, Wineries
Manchmal haben die Winzer im Okanagan Valley ungebetene Gäste. Dann schlüpfen hungrige Bären durch den Elektrozaun und schlagen sich den Bauch mit Pinot-Noir-Trauben voll. Damit weisen sich die zotteligen Räuber als wahre Kenner aus. Denn Pinot Noir reift gut und reichlich in der größten Weinregion in British Columbia, in der es mittlerweile über 150 Weingüter gibt. Das lockt nicht nur Genießer aus den nahen Großstädten an, sondern auch immer mehr Besucher aus Europa. Sie sitzen zur Lese auf der sonnendurchfluteten Terrasse der Quails Gate Winery in Kelowna und kosten die edlen Tropfen oder lassen sich im Örtchen Oliver von Adolf Krüger, einem Auswanderer aus dem Rheinland, in die Kunst des Kelterns einweisen. Krügers Wild Goose-Kellerei war vor 25 Jahren eine der ersten, die ihre Pforten für Besucher öffnete.
Der Okanagan Lake sorgt für ein mildes Klima – und damit für prima Weintrauben
Reisetipp 17: Canal Flats, Lussier Hot Springs
Diese heißen Quellen in der Wildnis der Rocky Mountains sind ein echter Geheimtipp, der auf vielen Straßenkarten gar nicht erst verzeichnet ist.
Erreichbar sind die Quellen nur über eine knapp 18 Kilometer lange Schotterpiste, die südlich von Canal Flats vom B.C. Highway 93 abzweigt. Im Sommer helfen robuste Reifen, im Winter ist ein Allradfahrzeug mit Schneeketten unverzichtbar. Wie auf einem Waschbrett geht es schier endlos im Schritttempo über Stock und Stein, doch die Strapaze lohnt. Nach einer Biegung hat man das Ziel vor Augen.
Direkt am Ufer des Lussier River haben sich eine Handvoll natürlicher Pools gebildet, mit Quellwasser von bis zu 43 Grad Celsius. Hartgesottene wärmen sich erst in den Pools und springen danach zur Abkühlung in den eisigen Fluss aus Gletscherwasser. Mehr Kneipp geht nun wirklich nicht!
In den heißen Quellen lässt es sich aushalten
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