ERINNERN und BEWAHREN
Leseheft
der Autorengruppe „WortArt“
Sonderausgabe 2017
Ein gefördertes Projekt im Ergebnis des Schreibaufrufes vom Januar 2017
„Diese Maßnahme wurde mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.“
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2017
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.
Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Was hat Dich plötzlich geweckt?
Immer mehr Details tauchen auf.
Wo war das so lang versteckt?
War es so oder so? Und wann?
Wie komme ich darauf?
Erinnerung, Du bist ein flüchtiges Gut.
Dieser schöne Tag, wann war er bloß?
Er gibt immer wieder Mut.
Unordentlich ist alles aufbewahrt.
Und wichtig muss es gewesen sein.
Erinnerung, lass mich nicht los.
Geboren 1948 in Leipzig, Deutschland
Ich heiße Marga Friedrich und bin in Leipzig geboren. Bis heute habe ich in verschiedenen Leipziger Stadtbezirken meine Kindheit, meine Schulzeit, die Lehr- und Arbeitsjahre verbracht. Hier hatte ich viele unterschiedliche Erlebnisse. Eines davon prägte mich ganz besonders.
Als ich 1984 in ein sehr „tiefes Loch gefallen“ war und eigentlich nicht mehr weiter wusste, schenkten mir Freunde zum Geburtstag eine Langhaardackeldame.
Diese Hündin – „Asta“ – brachte mir nach und nach meinen Lebensmut zurück. Ich bekam wieder Freude am Leben.
Über einige Begebenheiten mit meiner Hündin möchte ich berichten:
Asta war also mein Geburtstagsgeschenk von einer Freundin aus Radeberg. Ich holte sie mir persönlich dort ab, da war sie ca. ein halbes Jahr alt. Leider weiß ich ihr genaues Geburtsdatum nicht. Meine Freundin erzählte mir, dass sie die vierte im Wurf war und deshalb nie „Papiere“ erhalten kann. Mir war dies egal. Asta war mir eine gute Kameradin gewesen, sie war mir stets treu ergeben.
Im Frühjahr 1985 wurde sie sehr krank, danach durfte sie nicht mehr geimpft werden. In unserer Gruppe von Hundefreunden befand sich zum Glück eine Tierfreundin, die für Asta ein Heilmittel hatte, so dass diese schnell wieder gesund wurde. Später erfuhr ich, dass sie die Staupe hatte.
Damals arbeitete ich noch als Zustellerin und ging voll arbeiten. Dies war jedoch kein Problem. Asta lernte sehr schnell und war bald stubenrein. Frühmorgens vor der Arbeit ging ich mit ihr spazieren, und dann hielt sie bis Mittag durch. In der ersten Zeit mussten nur einige Dinge „daran glauben“, wie Hausschuhe oder ähnliches.
Nach der Arbeit mache ich erst einen kurzen Rundgang mit Asta, anschließend hielt ich selbst ein kleines Mittagsschläfchen. Danach nahm ich mir immer den Nachmittag für Asta frei.
Sehr oft verbrachte ich meine Zeit im Clara-Zetkin-Park, wo ich einige Hundefreunde kennen lernte. Unter den Hunden befanden sich ein Langhaardackel-Rüde, eine Collie-Dame und ein Mischlingshund. Wir Besitzer waren befreundet.
Eigentlich wollte ich Asta einmal „zulassen“, aber sie weigerte sich strikt, einen Rüden an sich heranzulassen. Wenn Asta „heiß“ war und sich die Rüden ihr näherten, gab es manchmal Ohrfeigen.
Wenn sie „heiß“ war, ging ich nicht unbedingt im Clara-Zetkin-Park spazieren, weil ich vermeiden wollte, dass die Rüden hinter ihr her waren. Trotzdem passierte es manchmal, wenn ich zu Hause ankam (damals wohnte ich in der Gottschedstraße 1), dass mehrere Rüden hinter ihr her waren. Da musste ich dann immer warten, bis die Besitzer ihren Hund einholen und anleinen konnten.
Viel später habe ich erst erfahren, warum Asta keinen Rüden an sich heranließ.
Es war Folgendes geschehen:
Asta und ein Schäferhund spielten miteinander, sogar ziemlich intim. Eine Spaziergängerin sprach uns an: „So etwas gehört sich nicht. Hier spielen schließlich auch Kinder ...!“ Die Besitzerin des Schäferhundes fing lauthals an zu lachen ...
Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, meinte sie, dass überhaupt nichts passieren könnte, da ihr Hund eine Hündin sei. – So merkte ich, dass Asta lesbisch war.
Also: Es gibt dies auch unter Hunden – wie ich später von einem Tierarzt erfuhr.
So lange ich in der Gottschedstraße wohnte, war ich sehr häufig im „Clara-Park“.
Asta hatte einen ganz schönen Dickkopf, wenn sie nicht wollte. Zum Beispiel konnte ich sie ohne Leine laufen lassen, auch über die Straße. Wenn sie aber nicht mehr wollte, blieb sie plötzlich mitten auf der Kreuzung sitzen, und die Autofahrer mussten um sie herum fahren. Dies war sehr ärgerlich ... Deshalb bestrafte ich sie dann immer damit, dass sie während der nächsten Wochen nur an der Leine bleiben musste. Das gefiel ihr natürlich nicht. Also war sie zunächst schön brav, bis ich sie endlich wieder frei laufen ließ – bis abermals ihr Dickkopf die Oberhand gewann.
Als ich in die Zweinaundorfer Straße zog, durfte sie nur noch in Parks oder im Wäldchen frei laufen.
Mit Asta konnte ich kleine Reisen unternehmen, besuchte Potsdam, Dresden und Weimar. Nach Dresden und Weimar begleitete uns mein Sohn. Auch mit meinem geschiedenen Mann – mit Auto – erlebten wir einige interessante Ausflüge. Asta und ich haben die Wochenendreisen und einen kleinen Urlaub dabei immer sehr genossen.
Als mein Sohn und seine Familie wieder mit mir Kontakt suchten, kaufte ich mir 1992 einen Garten, um mit ihnen mehr zusammen zu sein. Hier tobte sich Asta richtig aus; aber vor allem gab es jetzt keine Wühlmäuse mehr. Sie verzogen sich zum Nachbarn. Asta hatte im Garten auch eine Freundin, mit der sie gern spielte.
Gelegentlich musste ich Asta bei Fremden oder meinen Kindern abgeben, weil ich sie ja nicht in ein Krankenhaus oder zur Kur mitnehmen durfte. Das nahm sie mir immer übel und beachtete mich nicht, aber nach kurzer Zeit war alles wieder gut.
Als ich in meine heutige Wohnung gezogen bin, konnte sich Asta nur schwer einleben. Ausgedehnte Spaziergänge waren nicht mehr möglich. Sie war inzwischen dreizehn Jahre alt und baute ab. Sie magerte ab, obwohl sie normal fraß. An ihrem Gesäuge bildeten sich kleine, stetig wachsende Beulen, es war Krebs. Dann ging es sehr schnell. Sie wurde immer schmaler und sah nicht mehr viel. Ich wollte Asta nicht unnötig leiden lassen. Der Tierarzt meinte, dass sie eine Operation nicht überstehen würde. So ließ ich sie am sechsten August 1997 einschläfern.
Das konnte ich alles nicht so einfach verarbeiten.
Asta schlief eben nicht gleich ein nach der Spritze. Stattdessen kämpfte sie, zog sich die Spritze wieder heraus, und schrie wie ein Baby. Dies ging mir so durch Mark und Bein ... Auch heute noch, wenn ich das hier aufschreibe, sehe ich dieses Bild vor mir, ... Deshalb ging es mir lange nicht gut.
Aber ich ließ mich nicht unterkriegen, suchte mir neue Hobbys wie „Doppelkopf“ in der „Anger-Crotte“ oder den Chor der Volkssolidarität in der Grunerstraße. Ich war dabei. Aber vor allem tat mir die Arbeit im Garten gut.
Bis dann in mir wieder der Wunsch aufkam: Mit Hund war das Leben doch eigentlich schön und abwechslungsreich.
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