‚Es fing an’, sagte Karl, ‚als ich bei den Greifvögeln war. Ich stellte fest, dass die einzelnen Vögel in den Gehegen vertauscht worden waren, der Geier war im Adlergehege und der Adler im Geiergehege und so weiter. Ich dachte, das gibt es doch nicht, man kann doch nicht einfach die Vögel austauschen, aber es war so. Eine Erklärung dafür fanden wir nicht und so wurde das ganze Vogel-Gebiet gesperrt und mit sehr viel Mühe die Vögel wieder in ihre richtigen Gehegen gesetzt. Das war eine Menge Arbeit’, sagte Karl. ‚Wir dachten, das war es nun, da hat sich einer einen bösen Streich ausgedacht und hatte nun seinen Spaß. Aber es war erst der Anfang. Es war wie verhext, jedes Mal waren andere Tiere in den Gehegen vertauscht. Gott sei Dank ist es noch nicht zur Katastrophe gekommen, aber es waren zum Beispiel die Tiger im Löwenkäfig und die Löwen im Tigerkäfig. Wir mussten den Tierarzt holen, der die Tiere betäubte, damit wir sie wieder in ihre Käfige transportieren konnten, der reine Wahnsinn und keine Erklärung, wie das passiert ist. Der Zoodirektor ist schon ganz verzweifelt, er sagt, wenn das an die Presse geht, dann können wir schließen.’“
„Deshalb sollen wir auch nichts sagen, euer Uropa hat es eben mitbekommen, aber ich weiß, dass er es niemals weiter erzählen würde, deshalb habe ich ihn eingeweiht. Auch ihr müsst jetzt schwören, dass ihr niemals jemanden davon erzählt.“ Lucia und Lukas waren wie versteinert. „Das gibt es doch nicht“, sagte Lucia und schaute ihren Bruder an.
„Da geht etwas nicht mit rechten Dingen zu“, meinte Lukas. Alle nickten mit dem Kopf. Lucia und Lukas schauten sich ernst an und hoben die Finger zum Schwur. Die andere Hand hielten sie jedoch mit gekreuzten Fingern hinterm Rücken versteckt. Nur für den Fall, dass sie eventuell Hilfe brauchten, von ihren Freunden im Seniorenheim.
„Nun lasst uns aber weiter die Tiere anschauen und hoffen, dass der Unruhestifter bald gefasst wird“, sagte Uropa Heinz. Sie verabschiedeten sich von Karl und spazierten weiter durch den Zoo. Als sie zu dem Borgori-Wald mit den Menschenaffen kamen, war Lukas ganz begeistert. Lucia fand das Grzimek-Haus, das Nachthaus, ganz toll. Aber auch das Exotarium mit den vielen Exoten rief Begeisterung bei den Kindern hervor. Und doch mussten sie immer wieder an diese komische Geschichte denken.
„Ich kann das nicht verstehen“, sagte Lucia zu Uropa Heinz, „das geht doch gar nicht. Das müssen doch sehr viele Personen sein, die die Tiere von einem in das andere Gehege tun. Und keiner bekommt etwas mit?“
„Also irgendwie ist das sehr seltsam“, sagte auch Lukas nachdenklich.
„Ach, Kinder, ich verstehe das auch nicht, wenn man mir früher so etwas erzählt hätte, ich hätte es nie geglaubt, aber ich habe es ja selbst miterlebt.“
Als sie abends im Bett lagen, sagte Lucia zu Lukas:
„Du, mir kommt das komisch vor, ich würde das gerne mit Carasenta besprechen, vielleicht hat sie einen Rat für uns.“
„Ja, wir fragen sie, aber wir dürfen Uropa davon nichts erzählen, er weiß ja nichts von unserem Geheimnis und dem wundersamen Seniorenheim.“ Was für ein Glück, dass Lucia und Lukas vor den Ferien ein Handy bekommen hatten. Die Eltern sind zwar nicht so begeistert von Handys, aber in diesem Fall, wenn sie in den Ferien bei Uropa Heinz waren, der ja nicht mehr der Jüngste war, da machten die Eltern eine Ausnahme. „Es könnte ja lebenswichtig sein, ein Handy dabei zu haben“, hatte die Mutter gesagt.
„Morgen wirst du Uropa ablenken und ich rufe Carasenta an“, sagte Lucia zu Lukas.
„Gut, so machen wir es“, sagte Lukas, „und jetzt gute Nacht, ich bin hundemüde.“
Am nächsten Tag besuchten sie das Senckenberg-Museum. Lukas fragte seinen Uropa Löcher in den Bauch. Aber Uropa Heinz war der geduldigste Uropa der Welt. Lucia nutzte indes nach einiger Zeit die Gelegenheit, auf die Toilette zu verschwinden, um die Oberhexe Carasenta anzurufen. Sie erzählte ihr von den vertauschten Tieren und als sie fertig war, blieb es am anderen Ende der Telefonleitung lange Zeit still.
„Hm“, meinte Carasenta schließlich, „das ist aber sehr merkwürdig. Ich werde mich einmal umhören und wenn ich etwas herausgefunden habe, melde ich mich mit einer SMS bei dir. Du kannst mich, wenn es dir passt, zurückrufen, damit ich dir alles erzählen kann.“
„Da bin ich aber froh, so machen wir es und bitte, sage allen liebe Grüße von mir und Lukas.“
„Das mache ich, verbringt schöne Tage mit eurem Uropa.“ Lucia war erleichtert, sie wusste, dass ihre Freunde im Seniorenheim alles versuchen würden, um den Schuldigen für die merkwürdigen Veränderungen im Zoo ausfindig zu machen. Sie lief zu Lukas und Uropa Heinz zurück und blinzelte Lukas erleichtert zu.
Nach dem langen Herumlaufen im Senckenberg-Museum waren alle nun total erschöpft. Ihre belegten Brote und auch das Obst hatten sie längst aufgegessen, sogar die Tafel Schokolade, die Uropa Heinz extra eingepackt hatte. Sie fuhren mit der U-Bahn nach Hause und fielen dort aufs Sofa.
„Heute, liebe Kinder, müssen wir nicht kochen, wir sind bei Ali und seiner Familie zum Abendessen eingeladen.“
„Juhu“, schrien die Geschwister, „das ist ja toll, da essen wir wohl richtig türkisch, Uropa?“
„Ja, und das schmeckt so lecker, ich freue mich auf den köstlichen Pfefferminztee und wenn ich erst an den Nachtisch denke, mit dem köstlichem Honig, hm.“
„Uropa, jetzt habe ich richtig Hunger gekriegt“, sagte Lukas, „wann gehen wir?“
„In einer halben Stunde, so habe ich es mit Ali ausgemacht.“ War das ein kulinarisches Erlebnis bei Alis Familie. Sie hatten die delikatesten Speisen zubereitet. Alis gesamte Kinderschar war da, vier Kinder, Mehmet, der älteste Sohn, war 15 Jahre alt, Leila war zwölf, Aicha neun und der jüngste Sohn Sonay war erst zwei Jahre alt. Lucia und Lukas waren von dem ganzen Trubel begeistert und genossen das Mahl. Es war der schönste Abend, den man mit Freunden verbringen kann. Vollgestopft und überglücklich machten sich die drei auf den Nachhauseweg und fielen bald in einen tiefen Schlaf.
Tierpfleger Karl liebte seine Tiere über alles. Seine Frau Elsbeth sagte immer: „Ich glaube, Karl, du hast die Tiere im Zoo lieber als mich.“
„Ach, was ein Quatsch, Elsbeth, dich liebe ich und die Tiere mag ich. Das ist ein riesengroßer Unterschied.“ Da war Elsbeth dann ganz glücklich über ihren so liebevollen Mann.
Aber seit dieser geheimnisvollen Tauschgeschichte im Zoo war Tierpfleger Karl traurig und verzweifelt. Er hatte Angst, dass irgendetwas Schreckliches passieren würde. Er hielt jetzt schon zum vierten Mal Nachtwache, um endlich diese Bösewichte zu erwischen, die dieses Unheil anrichteten. Aber leider kam er wieder einmal zu spät.
„Ja sind die denn unsichtbar?“, murmelte er vor sich hin, „anders kann ich es mir nicht erklären.“ Laut durfte er das natürlich nicht sagen, denn dann würde man denken, er sei verrückt, schließlich gibt es doch keine unsichtbaren Menschen. Tierpfleger Karl war sich aber darüber gar nicht mehr so sicher, manchmal glaubte er schon an überirdische Wesen, aus dem Weltall oder so, davon hatte er auch schon einiges gelesen.
„Irgendwann werde ich die Schurken erwischen“, sagte er sich, „die meinen Tieren das antun! Aber dann zieht euch warm an! Tierpfleger Karl wird euch die Leviten lesen.“ Mit der großen Hoffnung, bald die Täter zu erwischen, machte sich Tierpfleger Karl wieder an seine Arbeit.
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