Wolfgang Maria Siegmund
Schäm dich,
Europa
~
Meer-Ethik in Anbetracht
der „Herzenge“ von Gibraltar
Veröffentlicht mit Unterstützung des Forschungsrates der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
IMPRESSUM
ISBN 9783990401927
© 2013 by Styria premium
in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG
Wien · Graz · Klagenfurt
Bücher aus der Verlagsgruppe Styria gibt es in jeder Buchhandlung und im Online-Shop
Covergestaltung: Bruno Wegscheider
Coverbild: Linda von Alten, Acrylcollage auf Leinwand, 100x100 cm
Buchgestaltung: Anna Caterina Wegscheider
1.digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Für meinen Vater, der mir schon früh das ver-MITTEL-nde MEER gezeigt hat
Cover
Titel Wolfgang Maria Siegmund Schäm dich, Europa ~ Meer-Ethik in Anbetracht der „Herzenge“ von Gibraltar
Impressum Veröffentlicht mit Unterstützung des Forschungsrates der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. IMPRESSUM ISBN 9783990401927 © 2013 by Styria premium in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG Wien · Graz · Klagenfurt Bücher aus der Verlagsgruppe Styria gibt es in jeder Buchhandlung und im Online-Shop Covergestaltung: Bruno Wegscheider Coverbild: Linda von Alten, Acrylcollage auf Leinwand, 100x100 cm Buchgestaltung: Anna Caterina Wegscheider 1.digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Widmung Für meinen Vater, der mir schon früh das ver-MITTEL-nde MEER gezeigt hat
Vorwort
1. Stapellauf oder „Auf die Schiffe, ihr Philosophen!“
1.1 Was im Grunde nicht hierher gehört – aber dennoch meinen Schreibgrund ausmacht
1.2 Die zweite Untiefe
1.3 Neben Oliven & Landwein sind in diesem Falle die Fragen der wichtigste Proviant
2. Bordnotizen zu den Biografien meiner SchiffsbeSatzung
2.1 Zu Monsieur Emmanuel Lévinas oder Die Unendlichkeit ist mitten unter uns
2.2 Vom maghrebinischen Derrida, dem ganz Anderen vom gegenüberliegenden Kap
2.3 Zu Giorgio Agamben und seiner Ethik im Namen aller Namenlosen
3. Die erste Enttäuschung oder Verwende deinen eigenen Verstand!
3.1 Funken-Sprüche vom Festland: Unruhen in den Vororten von Paris!
3.2 Die Mudras der Goldenen Drei
4. Erster Tauchgang oder Der Gründungssatz der Ethik fiel erst in der allerletzten Runde
4.1 Zweite Tauchfahrt oder 152 Millionen Kilometer über der Welt
4.2 In der Philosophie ging erstmals das Licht an, als jene Sonnenfinsternis über sie kam oder Wie sich das Abendland im Morgenland erfand
4.3 Eine Ethik vom Gehen und vom Begreifen
4.4 Wenn Landzungen philosophieren
4.5 Indem die Landschaft das Böse speichert, erzählt sie uns vom Guten
5. Die Fahrt ins Epizentrum einer ethischen Aporie
5.1 Heimfahrt oder Immer an Ithaka vorbei
5.2 Reise in etwas, was es nie gab
5.3 Weil jede Flüchtlingsspur ins Eigene führt
6. Die vier Masten einer mittelmeerischen Ethik, wenn wir nicht wollen, dass der Mensch an uns vorübergeht
7. Der gelungene Morgen am Ende einer philosophischen Nacht
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Bildnachweis
Vieles, woraus der Westen berechtigt seinen Stolz bezieht, seine frühen Erkenntnisse in Wissenschaft, Philosophie und Kunst – und damit die Ursprünge seines Wertesystems – hat er den Bewohnern beiderseits des Mittelmeeres zu verdanken. Unter dieser gemeinsamen Sonne, für Platon das sichtbare Symbol für das Gute, wurden die Schrift, die Zahl, das Geld erfunden. Ja, die ersten Meister der Philosophie lebten und lehrten allesamt in der heutigen Türkei. Es ist arabischen Übersetzern zu verdanken, wenn wir heute die Schriften des Aristoteles in Form von günstigen Reclambüchern in Händen halten; der Bewässerungskunst der Mauren, wenn wir abends in Tomaten beißen, deren Haut nach Südspaniens Neusklaven schmeckt (ein Fortschritt, dessen Nichteintritt leicht zu verschmerzen wäre). Und ganz ohne den Auftritt des jüdischen Lennons der Levante hinge in unseren Schulen noch immer das Porträt vom Goldenen Kalb. Doch den Anfang unseres Begreifens provozierte die glitzernde Weite dieses Meeres, das uns alle das Staunen lehrte, gemeinsam fragend in dieser Welt zu stehen.
Umso beschämender der Umstand, wie sich Europa, nach Erhalt all dieser Gaben, mit einer Mauer der Abwehr vor seinen südlichen Ideenspendern, seinen Nachbarn verschließt. Das Abendland nimmt es somit in Kauf, die lebenserhaltende Blutbahn des Kreativen zu kappen, die „Herzenge“ von Gibraltar noch weiter zu schließen. Die sokratisch-ethische Präambel, „es sei besser, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun“, wird der endgültigen Austrocknung überlassen, ja auf den Kopf gestellt. Die Abwehr des Anderen läuft im Moment auf höchsten Touren, aber somit auch die moralische Gefahr für den Westen, im Schatten der untergehenden Sonne die eigenen Werte gleich mit zu begraben.
Davor hat schon vor Jahren Albert Camus, selbst ein Bewohner der anderen Meeresseite, in seiner radikal humanistischen Schrift über das „mittelmeerische Denken“ gewarnt, vor dieser neuen Verrohung Europas. Ohne den notwendigen Austausch von Licht und Schatten, des Eigenen mit dem Andern und dabei immer Nemesis, die Göttin des Maßes im Blickpunkt, käme eine ethische Verwüstung auf uns zu. Diese Gedankenspur nimmt der Verfasser dieses Pamphlets, mehr Literat als Philosoph, noch einmal auf. Neben Camus lädt er drei weitere große Denker der Ethik auf sein fiktives Schiff: Jacques Derrida, geboren am „anderen Kap“, Emmanuel Lévinas, der wohl radikalste Ethiker unserer Tage, und Giorgio Agamben, sie alle kommen mit an Bord für diese Zeitreise zu den Anfängen des Abendlandes, als das Gute seine erste Setzung hier empfing. Dabei schrammt ihr Schiff auch die Gegenwart. An westlichen Verbannungsinseln, für das Böse bis hinauf in unsere Tage geöffnet, zieht es vorbei. Alle vier Denker halten ein Puzzle einer Meeresethik in der Hand, doch dann … Und dazu taucht noch ein Familienrätsel auf, eine Sache, worüber der eigene Großvater nie sprach …
Das Buch wurde nicht für den alles wissenden Philosophen geschrieben, sondern für den interessierten Laien, der neben ernsten Fakten den Mix aus Literatur, Philosophie und Reisebericht nicht scheut. Doch auch hier werden dem Zorn, den ein Pamphlet einfach braucht, zum Ausgleich die Selbstironie und das Augenzwinkern als Maß zur Seite gestellt.
Alle nichtkursiven Dialoge der philosophischen Bordbesatzung sowie die Figur Stane entspringen der Fantasie des Verfassers.
I.
STAPELLAUF ODER „AUF DIE SCHIFFE, IHR PHILOSOPHEN!“
Abb. 1
„(…) eine neue Gerechtigkeit tut not! Und eine neue Losung! Und neue Philosophen! Auch die moralische Erde ist rund! Auch die moralische Erde hat ihre Antipoden! Auch die Antipoden haben ihr Recht des Daseins. Es gibt noch eine andere Welt zu entdecken – und mehr als eine! Auf die Schiffe, ihr Philosophen!“1
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