Johann wolfgang Goethe - Die schönsten Gedichte

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Ob «Edel sei der Mensch, Hülfreich und gut!», «Füllest wieder Busch und Tal / Still mit Nebelglanz» oder «Zum Sehen geboren, / Zum Schauen bestellt» – unzählige Verse aus Goethes lyrischem Werk sind auch heute noch gern verwendete Bonmots. Mehr als dreitausend Gedichte schrieb Goethe, in unterschiedlichsten Formen, Traditionen und zu den verschiedensten Themen. Mit diesem an Umfang und Bedeutung außergewöhnlichen Werk hat er das deutschsprachige Gedicht der Neuzeit erst eigentlich ermöglicht: «Prometheus», «Erlkönig» oder die Sammlung «West-östlicher Divan» sind Klassiker im besten Sinne des Wortes.
Die 50 schönsten und bekanntesten Gedichte des Dichterfürsten laden dazu ein, sein großes lyrisches Werk (wieder) zu entdecken! – Mit einer kompakten Biographie des Autors.

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Johann Wolfgang Goethe

Die schönsten Gedichte

Ausgewählt von Dietrich Bode

Reclam

2021 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Anja Grimm Gestaltung

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2021

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961863-0

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020632-4

www.reclam.de

Die Nacht

Gern verlass ich diese Hütte,

Meiner Schönen Aufenthalt,

Und durchstreich mit leisem Tritte

Diesen ausgestorbnen Wald.

Luna bricht die Nacht der Eichen,

Zephirs melden ihren Lauf,

Und die Birken streun mit Neigen

Ihr den süßten Weihrauch auf.

Schauer, der das Herze fühlen,

Der die Seele schmelzen macht,

Wandelt im Gebüsch im Kühlen.

Welche schöne, süße Nacht!

Freude! Wollust! Kaum zu fassen!

Und doch wollt ich, Himmel, dir

Tausend deiner Nächte lassen,

Gäb mein Mädchen eine mir.

Ode

an meinen Freund Behrisch

Sei gefühllos!

Ein leichtbewegtes Herz

Ist ein elend Gut

Auf der wankenden Erde.

Behrisch, des Frühlings Lächeln

Erheitre deine Stirne nie,

Nie trübt sie dann mit Verdruss

Des Winters stürmischer Ernst.

Lehne dich nie an des Mädchens

Sorgenverwiegende Brust,

Nie auf des Freundes

Elendtragenden Arm.

Schon versammelt

Von seiner Klippenwarte

Der Neid auf dich

Den ganzen luchsgleichen Blick,

Dehnt die Klauen,

Stürzt und schlägt

Hinterlistig sie

Dir in die Schultern.

Stark sind die magern Arme,

Wie Panther-Arme,

Er schüttelt dich

Und reißt dich los.

Tod ist Trennung,

Dreifacher Tod

Trennung ohne Hoffnung

Wiederzusehn.

Gerne verließest du

Dieses gehasste Land,

Hielte dich nicht Freundschaft

Mit Blumenfesseln an mir.

Zerreiß sie! Ich klage nicht.

Kein edler Freund

Hält den Mitgefangenen

Der fliehn kann zurück.

Der Gedanke

Von des Freundes Freiheit

Ist ihm Freiheit

Im Kerker.

Du gehst, ich bleibe.

Aber schon drehen

Des letzten Jahrs Flügelspeichen

Sich um die rauchende Achse.

Ich zähle die Schläge

Des donnernden Rads,

Segne den letzten,

Da springen die Riegel, frei bin ich wie du.

Mit einem gemalten Band

Kleine Blumen, kleine Blätter

Streuen mir mit leichter Hand

Gute junge Frühlings-Götter

Tändelnd auf ein luftig Band.

Zephyr, nimm’s auf deine Flügel,

Schling’s um meiner Liebsten Kleid;

Und so tritt sie vor den Spiegel

All in ihrer Munterkeit.

Sieht mit Rosen sich umgeben,

Selbst wie eine Rose jung.

Einen Blick, geliebtes Leben!

Und ich bin belohnt genung.

Fühle, was dies Herz empfindet,

Reiche frei mir deine Hand,

Und das Band, das uns verbindet,

Sei kein schwaches Rosenband!

Willkommen und Abschied

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!

Es war getan fast eh’ gedacht;

Der Abend wiegte schon die Erde

Und an den Bergen hing die Nacht:

Schon stand im Nebelkleid die Eiche,

Ein aufgetürmter Riese, da,

Wo Finsternis aus dem Gesträuche

Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel

Sah kläglich aus dem Duft hervor,

Die Winde schwangen leise Flügel,

Umsausten schauerlich mein Ohr;

Die Nacht schuf tausend Ungeheuer;

Doch frisch und fröhlich war mein Mut:

In meinen Adern welches Feuer!

In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude

Floss von dem süßen Blick auf mich;

Ganz war mein Herz an deiner Seite

Und jeder Atemzug für dich.

Ein rosenfarbnes Frühlingswetter

Umgab das liebliche Gesicht,

Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!

Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne

Verengt der Abschied mir das Herz:

In deinen Küssen welche Wonne!

In deinem Auge welcher Schmerz!

Ich ging, du standst und sahst zur Erden,

Und sahst mir nach mit nassem Blick:

Und doch, welch Glück geliebt zu werden!

Und lieben, Götter, welch ein Glück!

Heidenröslein

Sah ein Knab ein Röslein stehn,

Röslein auf der Heiden,

War so jung und morgenschön,

Lief er schnell es nah zu sehn,

Sah’s mit vielen Freuden.

Röslein, Röslein, Röslein rot,

Röslein auf der Heiden.

Knabe sprach: Ich breche dich,

Röslein auf der Heiden!

Röslein sprach: Ich steche dich,

Dass du ewig denkst an mich,

Und ich will’s nicht leiden.

Röslein, Röslein, Röslein rot,

Röslein auf der Heiden.

Und der wilde Knabe brach

’s Röslein auf der Heiden;

Röslein wehrte sich und stach,

Half ihm doch kein Weh und Ach,

Musst’ es eben leiden.

Röslein, Röslein, Röslein rot,

Röslein auf der Heiden.

Wandrers Sturmlied

Wen du nicht verlässest, Genius,

Nicht der Regen, nicht der Sturm

Haucht ihm Schauer übers Herz.

Wen du nicht verlässest, Genius,

Wird dem Regengewölk,

Wird dem Schlossensturm

Entgegen singen,

Wie die Lerche,

Du da droben.

Den du nicht verlässest, Genius,

Wirst ihn heben übern Schlammpfad

Mit den Feuerflügeln;

Wandeln wird er

Wie mit Blumenfüßen

Über Deukalions Flutschlamm,

Python tötend, leicht, groß,

Pythius Apollo.

Den du nicht verlässest, Genius,

Wirst die wollnen Flügel unterspreiten,

Wenn er auf dem Felsen schläft,

Wirst mit Hüterfittigen ihn decken

In des Haines Mitternacht.

Wen du nicht verlässest, Genius,

Wirst im Schneegestöber

Wärmumhüllen;

Nach der Wärme ziehn sich Musen,

Nach der Wärme Charitinnen.

Umschwebet mich, ihr Musen,

Ihr Charitinnen!

Das ist Wasser, das ist Erde

Und der Sohn des Wassers und der Erde,

Über den ich wandle

Göttergleich.

Ihr seid rein, wie das Herz der Wasser,

Ihr seid rein, wie das Mark der Erde,

Ihr umschwebt mich und ich schwebe

Über Wasser, über Erde,

Göttergleich.

–––––––

Soll der zurückkehren

Der kleine, schwarze, feurige Bauer?

Soll der zurückkehren, erwartend

Nur deine Gaben, Vater Bromius,

Und hellleuchtend umwärmend Feuer?

Der kehren mutig?

Und ich, den ihr begleitet,

Musen und Charitinnen alle,

Den alles erwartet, was ihr,

Musen und Charitinnen,

Umkränzende Seligkeit

Rings ums Leben verherrlicht habt,

Soll mutlos kehren?

Vater Bromius!

Du bist Genius,

Jahrhunderts Genius,

Bist, was innre Glut

Pindarn war,

Was der Welt

Phöbus Apoll ist.

Weh! Weh! Innre Wärme,

Seelenwärme,

Mittelpunkt!

Glüh entgegen

Phöb’ Apollen;

Kalt wird sonst

Sein Fürstenblick

Über dich vorübergleiten,

Neidgetroffen

Auf der Zeder Kraft verweilen,

Die zu grünen

Sein nicht harrt.

–––––––

Warum nennt mein Lied dich zuletzt?

Dich, von dem es begann,

Dich, in dem es endet,

Dich, aus dem es quillt,

Jupiter Pluvius!

Dich, dich strömt mein Lied,

Und kastalischer Quell

Rinnt ein Nebenbach,

Rinnet Müßigen,

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