Höchstleistung kann nicht „von außen“ über Methoden und Berater ins Unternehmen hineingetragen werden. Sie ist schon drin. Weil sie aber in der vergangenen tayloristischen Periode empfindlich gestört hätte, ist sie „ruhig gestellt“. Höchstleistung ist ein betäubter Riese, heute würde es wieder nützen, ihn aufzuwecken.
Aufgeweckt wird die Höchstleistung immer von einem talentierten Könner, der die Organisation mit seinen Ideen irritieren kann. Wenn ein solches Führungstalent wirksam wird, entwickelt sich die Höchstleistung - sogar gegen Widerstand.
Ohne diesen Visionär sollte man die Finger davon lassen. Es reicht völlig, sich die Höchstleister als Provokation zu nehmen, die eigenen Probleme besser, billiger und schneller zu lösen. Das macht noch keinen Höchstleister, ist aber besser als immer wieder mehr vom Gleichen.
Höchstleistung ist kein Ziel, das man anstreben könnte, sondern die Wirkung einer Resonanz zwischen einem Talent und „seinen“ Leuten.
In vielen
Unternehmen staunen Mitarbeiter und Management über die Stabilität allseits beklagter Missstände. Auch regelmäßige Umorganisation verschafft keine Linderung - selbst dann nicht, wenn sich alle einig sind, dass sich etwas ändern muss. Zum Beispiel Bürokratie, keiner will sie, trotzdem nimmt sie zu, und alle leiden - was für ein Unsinn.
Aus Gewohnheit werden Schuldige gesucht. Dass diese nicht die Ursache sind, könnte man schnell einsehen. Denn oft werden sie ausgetauscht, und trotzdem bleibt alles, wie es ist. Es entsteht nur die Illusion, dass endlich mal was geschieht. Selbst ein raffiniertes
Change-Management-Projekt verpufft schnell. Der Unsinn schlägt immer wieder durch, wie ein schon oft übermalter Riss im Putz.
Unsere These: Solange Schuldige (oder Helden) gebraucht werden, um eine Situation plausibel zu erklären, ist sie noch nicht verstanden. Für dynamikrobuste Organisationsentwicklung ist die Schuldzuweisung immer ein Fehlstart.
Hier berichten wir über Denkalternativen.
Wer das Geschehen in seiner Firma als Unsinn beschreibt, der redet Unsinn, denn hinter dem alltäglichen
Chaos steckt Vernunft. Was auf den ersten Blick verwirrt, ist bei genauem Hinsehen oft eine brillante Lösung.
Weil diese Vernunft verborgen ist, nennen wir sie die Vernunft der
Hinterbühne . Wie im Theater ist das Strippen-Ziehen und Möbel-Rücken auf der Hinterbühne unentbehrlich für eine gute Aufführung. Und wie im Theater ist es entscheidend, dass der Beitrag der Hinterbühne unbemerkt bleibt.
Im Unternehmen besteht die Hinterbühne aus den unsichtbaren Anteilen der
Kultur, den sogenannten „weichen Faktoren“. Dazu gehören zum Beispiel der Flurfunk, die
Werte, der Teamgeist oder das Mobbing. Diese informellen Strukturen sind nirgendwo beschrieben. Sie haben kein Büro und können nicht eingefordert oder bestritten werden. Dennoch sind sie das „Kraftfeld“, in dem sich alle bewegen.
Die Hinterbühne ist kein Makel, sondern das Rückgrat einer
Organisation. Besonders wenn ein Unternehmen durch
Dynamik überlastet wird, verhindern die Reflexe der Hinterbühne den Kollaps. Sie ist die Vernunft im Unsinn. Nur weil es sie gibt, sind viele Organisationen noch da. Allerdings verhindert sie nur den Untergang. Ein stolzes Unternehmen kann sie nicht bewirken.
5.2 Warum das Alte so zäh ist
Zu Beginn der Industrialisierung war
tayloristische Organisation Voraussetzung für
Höchstleistung. Wie erwähnt, hat sich das geändert. In modernen dynamischen
Märkten sind Unternehmen im Vorteil, die auch mit
Überraschungen souverän umgehen. Früher war die Hauptaufgabe des
Managements die gestaltende Vorwegnahme der Zukunft durch
Planung. Hohe
Dynamik macht planerische Annahmen über die Zukunft unzuverlässig. Bewährte
Methoden versagen. Die formalen Elemente der Organisation mit ihren
Gremien,
Prozessen und Sitzungsprotokollen werden zunehmend hilflos. Die Organisation „verblödet“ und wird schließlich nur noch von ihrer Hinterbühne zusammengehalten .
Meist vermutet das
Zentrum Disziplinmangel oder Unverständnis der Schuldigen als Ursache. Dieser
Irrtum hält sich umso länger, je erfolgreicher das Unternehmen aktuell ist oder früher war. Er blockiert die Einsicht, dass dynamische Zukunft nicht geplant werden kann - weder durch Disziplin noch durch hochgerüstete technische Systeme. Wird es dennoch versucht, endet dieses Bemühen zuverlässig in einer
Havarie.
Hält das Elend lange genug an, dann wird der zentralen
Steuerung die Gefolgschaft verweigert - nicht aus Bequemlichkeit oder Aufsässigkeit, sondern aus Notwehr. Die Anweisungen des
Zentrums passen nicht mehr zur Lage. Die
Peripherie ist gezwungen, nach eigenen Einsichten zu handeln. Das Zentrum weiß das. Da aber eine Alternative fehlt, hält es aggressiv-resignierend den alten Kurs.
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