P E T E R S C H E E R
Lust aufs Alter
Unkonventionelle Gedanken über das Älterwerden
F A L T E R V E R L A G
© 2016 Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.
1011 Wien, Marc-Aurel-Straße 9
T: +43/1/536 60-0, E: bv@falter.at, W: www.falter.at
Alle Rechte vorbehalten.
Keine unerlaubte Vervielfältigung!
ISBN ePub: 978-3-85439-585-0
ISBN Kindle: 978-3-85439-586-7
ISBN Printausgabe: 978-3-85439-580-5
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016
Cover
Titel P E T E R S C H E E R Lust aufs Alter Unkonventionelle Gedanken über das Älterwerden F A L T E R V E R L A G
Impressum © 2016 Falter Verlagsgesellschaft m.b.H. 1011 Wien, Marc-Aurel-Straße 9 T: +43/1/536 60-0, E: bv@falter.at , W: www.falter.at Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Vervielfältigung! ISBN ePub: 978-3-85439-585-0 ISBN Kindle: 978-3-85439-586-7 ISBN Printausgabe: 978-3-85439-580-5 E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016
Vorwort
Teil 1 Anleitung zum Älterwerden
Zwei ältere Herren
Der fröhliche Pensionist
Sie sind unwichtig
Sie sind gesünder, als Sie glauben
Lebensführung
Sie sind reicher, als Sie glauben
Meiden Sie manche Menschen, treffen Sie andere
Es ist wie eine zweite Jugend
Teil 2 Betreuung und Sterben
Mein Großvater
Träume
Das Foto
Die Apfelblüte
Was heißt es sich zu kümmern?
Gestorben muss werden, so oder so
Ernstl stirbt
Die Verscheuchung
Die Sorge
Die Diagnose(n)
Heute geht alles schief
Der Beginn des Abschieds
Wie erleben die Alten die Betreuung?
Mutter schweigt
Verlust der Erinnerung
Die Steinsetzung
Zwei Jahre danach
Auf dem Weg in den Wald
Nachwort
Der Autor
Fußnoten
Es ist ein schweres Buch, das Sie in Händen halten. Manchmal hat es mich als Autor stutzig gemacht: So viel „Wahrheit“, so viel Reflexion steckt drin. Nicht nur das Wissen, dass ich mit dem Älterwerden zunehmend unnötig geworden bin, nein, auch meine „Wichtigkeit“, meine „Bedeutung“ habe ich dem nicht vorhandenen Wind des Kosmos übergeben. Und so ist es auch ein leichtes Buch, denn die Erkenntnis, unwichtig und leicht ersetzbar zu sein, macht auch leicht und froh.
Dazu eine kleine Geschichte: Zwei Esel gehen am Morgen bepackt aus dem Dorf. Der eine hat Salz geladen, schwer und drückend lastet es auf seinem alt gewordenen Körper. Der andere aber hat Schwämme mit, die fühlen sich an wie Luft. Der Zweite triumphiert ob seines glücklichen Loses. Da plötzlich setzt heftiger Regen ein, wie in den ersten Sommertagen des Jahres 2016, und die Furt durch den Bach ist voll reißenden Wassers. Strauchelnd versinken beide Esel und versuchen verzweifelt, das Ufer zu erreichen. Und siehe da: das Salz löst sich auf, die Schwämme saugen sich voll, der erste Esel ist gerettet, der zweite ertrinkt.
„Wer wird von Dir erhöht, wer erniedrigt? Wer bleibt gesund, wer wird krank?“, heißt es im Gebet, das mit einem „Alles ist in Deiner Hand!“ endet. Ob man nun glaubt oder nicht: wir kennen des Menschen Schicksal nicht und seine Zukunft ist ungewiss.
Da es nun einmal so ist, werden Sie in diesem Buch durch Ihre Pflichten als Älterwerdende ebenso wie durch jene, die sie gegenüber der allenfalls noch vorhandenen älteren Generation haben, geleitet. Sie werden durch die Angst vor Krankheit und Tod geführt wie auch durch die Verzweiflung, die mit der Erkenntnis des plötzlichen Unnötigseins einhergeht. Sie werden aber auch die Freude an der damit verbundenen Entlastung kennen lernen. Vor allem aber werden Sie sehen, wie leicht diese Tage sein können. Da an Ihren Erfahrungen, an Ihrem Wissen kaum mehr jemand interessiert ist, können Sie diese grad so gut für sich behalten. Da Ihre Meinungen für die jungen Menschen ohne Belang sind, brauchen Sie diese auch nicht abzusondern. Nehmen Sie sich stattdessen Zeit und Muße, sich fröhlich und stoisch von der Welt zu verabschieden, ihre Schönheiten zu sehen, zu riechen und zu bestaunen.
Krankheiten und die zunehmende Schwäche des Körpers und des Geistes bedrohen diesen Genuss. Diese zuzulassen und sich darum zu kümmern, sie einigermaßen in Schach zu halten, auch darum geht es. Ein Loblied auf das zentraleuropäische Gesundheitswesen zu singen und dankbar jeden Tag, an dem nicht alles schmerzt, zu genießen, das klingt leichter, als es ist. Denn die Geister der Vergangenheit, die Erinnerung an die Wichtigkeit der eigenen Meinung, die eigene Bedeutung und insgesamt die Verklärung der Zeit, in der man jung war, machen manche giftig und geistig alt.
Dieses Buch soll helfen, genau das zu vermeiden. Schauen Sie den Jungen zu; erfreuen Sie sich an ihren Lösungsversuchen; erklären Sie ihnen nicht, wie sie es besser machen könnten; und schließlich: Ruinieren Sie Europa nicht, nur weil Ihnen langweilig ist und Sie sich nach einer Zeit zurücksehnen, die nicht mehr kommen wird, nach einem Leben, das vergangen ist.
„Alter ist wie Jugend, nur ohne Zukunft“, hat mir in einer Diskussion der vormalige Präsident des Österreichischen Forschungsförderungsfonds, Univ.-Prof. Dr. Christoph Kratky, gesagt. Wie wahr!
Peter Scheer
Ich widme dieses Buch
meiner geliebten Frau Marguerite,
die mein Leben so besonders lebenswert macht.
Ich bedanke mich für hilfreiche Korrekturen
bei meiner privaten Lektorin Mag.a Gertraud Stadler, Graz.
Peter Scheer, August 2016
Teil 1
ANLEITUNG ZUM ÄLTERWERDEN
Zwei ältere Herren sitzen in Zermatt beim Abendessen. Die Wahl des Lokals war ihnen schwergefallen. Dabei waren es nicht die Auswahlkriterien ihrer Jugend gewesen, die es schwer gemacht hatten, denn es gab in Zermatt kein Restaurant, das sie sich nicht hätten leisten können. Sie mussten auch nicht auf ihre Linie schauen, noch gab es Dinge, die sie nicht aßen oder nicht mehr vertrugen. Sie wollten einfach nicht zu nobel essen, vor allem der ältere der beiden Freunde, die sich seit über dreißig Jahren kannten, hasste Noblesse – sie erinnerte ihn an seine vielen beruflichen Essen, bei denen ihm meist schlecht geworden war. Noblesse, so meinte er, drücke sich meist im übertrieben schlechten Benehmen des Personals aus, welches ihn nicht als Promi wahrnahm und daher schlecht behandelte, sowie in überhöhten Preisen. Gestern waren sie erst im Walliserhof, einem der noblen Hotelrestaurants an der Bahnhofstraße, gewesen. Der Ober, wie sie ihn auf Wienerisch nannten, also der Chef de rang, hatte, als sie sich an den von ihnen reservierten Tisch setzen wollten, Peter, den Älteren, angeschrien, dass dieser Tisch reserviert sei, und als sich dann klärte, dass alles seine Richtigkeit habe, kein Wort der Entschuldigung gefunden. Überdies war der Tisch praktisch mitten im Raum gestanden, aber doch so knapp an der unbenutzten Bar, dass die Kellner immer wieder an ihm anstreiften. Schließlich war die Speise – das Züricher Geschnetzelte mit Rösti, weshalb sie sich ein traditionell schweizerisches Lokal ausgesucht hatten – unspektakulär gewesen und Peter hatte kommentiert, dass es eben schwer sei, indischen oder thailändischen Köchen die Besonderheiten der schweizerischen Küche nahezubringen. Auf den Nachtisch hatten sie dann verzichtet, so frustriert waren sie vom Service und der Kost. Der Kellner hatte sie, obwohl nach Aussprache und Sprachtönung offensichtlich eher Italiener als Schweizer, vielleicht aber auch Tessiner, ständig belehrt, dann bestimmt, wann er Wein und wann Bier bringen würde, und zuletzt auch noch bei der Bezahlung das Trinkgeld zurückgewiesen, als hätten sie einen Fauxpas begangen.
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