Dieser Leitfaden soll also denen helfen, die gelegentlich oder regelmäßig vor der Aufgabe stehen, eine Moderation erfolgreich durchzuführen, und die dabei weder sich selbst dem Nervenzusammenbruch nahebringen noch das Publikum langweilen möchten.
Das vorliegende Buch konzentriert sich auf die Moderation von Diskussionsveranstaltungen. Konflikt- oder Eventmoderation sind etwas anderes und werden hier nicht berücksichtigt, um das Buch überschaubar zu halten. Die Publikation basiert auf der vieljährigen Erfahrung mit Moderationen – mit denen, die ich selbst durchgeführt habe, und mit denen, die ich beobachtet und gelegentlich auch durchlitten habe. Nachfolgend finden Sie daher auch keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern einen Erfahrungsbericht. Reißerisch würde man sagen: „Wie es wirklich ist“. Dazu gehört auch die einfache Wahrheit, dass es oftmals anders kommt, als man sich das vorgestellt hat. Veranstaltungen können gestört werden oder aus dem Ruder laufen. Das wird man als Moderator nicht immer verhindern können. Aber je besser man vorbereitet ist, je mehr man um die Risiken weiß, die eine Veranstaltung zum Misserfolg werden lassen können, desto größer ist die Chance, dass all das gar nicht passiert. Und auch aus einer Störung kann man für die Debatte und das Diskussionsklima Gewinn ziehen – man muss nur wissen, wie.
Ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum Thema Kommunikation stehen am Schluss des Buches. Auch für Praktiker ist es nicht verkehrt, sich einige Dinge zu vergegenwärtigen, die uns eigentlich klar, aber dennoch nicht immer bewusst sind.
Wer mehr wissen und es selbst ausprobieren will, bevor er auf die Bühne tritt: Ich führe auch Moderationstrainings durch – für Gruppen oder als Betreuung für Einzelne.
Aber vorab noch eine Bemerkung zur Sprache: Deutsch ist ein schönes Idiom, das den Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern in fast allen Substantiven kennt. So gibt es – anders als beispielsweise im Englischen – Moderatorinnen und Moderatoren, Zuhörerinnen und Zuhörer, Diskutantinnen und Diskutanten. Frauen und Männer sind gleichberechtigt, das ist eine Grundlage unseres Lebens und unserer Verfassung. Dem sollte man auch sprachlich Ausdruck verleihen. Das ist aber nicht so einfach. Ein Satz wie „Die Moderatorinnen und Moderatoren sollten immer das Interesse der Zuhörerinnen und Zuhörer im Auge behalten.“ ist politisch korrekt, aber sperrig. Seit einiger Zeit wird versucht, die Substantive durch Partizipkonstruktionen zu ersetzen. Wir kennen das schon von den „Studierenden“, die jetzt von „Dozierenden“ unterrichtet und sicher demnächst von Verwaltenden administriert werden. Der langen Rede kurzer Sinn: Dieses Buch richtet sich an Frauen und Männer, an Leserinnen und Leser, an Moderatorinnen und Moderatoren, an Sprecherinnen und Sprecher, an Diskutantinnen und Diskutanten, an Politikerinnen und Politiker, an Professorinnen und Professoren, an Studentinnen und Studenten, an Zuhörerinnen und Zuhörer – aber es greift in den meisten Fällen aus Gründen der Lesbarkeit auf die maskuline Form als Gattungsbegriff zurück.
Wer damit hadert, kann eine Diskussion über den sprachlichen Ausdruck der Gleichberechtigung organisieren – wie er (oder sie) diese Debatte moderieren kann, ist auf den nächsten Seiten zu erfahren.
Ihr
10 Goldene Regeln für erfolgreiche Moderation
1. Seien Sie fair und freundlich, aber versuchen sie nicht, jedermanns Liebling zu werden!
→ 2. KAPITEL
2. Bereiten Sie pro Diskussionsteilnehmer zwei Fragen vor. Es ist besser, eine Frage in petto zu haben und sie nicht zu stellen, als eine stellen zu müssen und nicht vorbereitet zu sein!
→ 2. KAPITEL
3. Seien Sie bereit und flexibel, von Ihrem Plan abzugehen, wenn die Diskussion sich anders entwickelt!
→ 2. KAPITEL
4. Intervenieren Sie bei gravierenden Regelverstößen sofort!
→ 4. KAPITEL
5. Der Moderator ist für die Diskussion die wichtigste Person im Raum, aber lassen Sie das niemanden merken!
→ 4. KAPITEL
6. Der Anfang einer Podiumsdiskussion entscheidet über ihr Gelingen. Ist der Anfang schlecht, bekommt das Ende keiner mehr mit!
→ 5. KAPITEL
7. Seien Sie als Moderator der Anwalt des Publikums. Ihre persönliche Meinung interessiert niemanden!
→ 6. KAPITEL
8. Prüfen Sie sich vor der Übernahme einer Moderationsverpflichtung, ob Sie die nötige Unabhängigkeit für diese Diskussionsleitung besitzen!
→ 6. KAPITEL
9. Ärgern Sie sich nicht über Störungen, sondern nehmen Sie sie souverän als Herausforderung!
→ 9. KAPITEL
10. Verlassen Sie die Veranstaltung nicht sofort nach dem offiziellen Ende, sondern stehen Sie noch für Gespräche zur Verfügung!
→ 10. KAPITEL
1. KAPITEL
Das Ziel der Veranstaltung
Niemand organisiert eine Talk- oder Diskussionsrunde, um „nur mal darüber zu reden“, jeder Veranstalter verfolgt damit eine Absicht. Als Moderator sollte man diese Absicht kennen, andernfalls kann man kräftig daneben tappen.
Bei allen Podiumsdiskussionen gibt es neben den offiziellen Zielen auch inoffizielle. Das ist ja immer so, wenn Menschen miteinander in Kontakt treten. Wenn Kollege A der Kollegin B im Betrieb öffentlich zum Geburtstag gratuliert, will er ihr einen Glückwunsch aussprechen (offizielles Ziel), er will ihr aber vielleicht auch gefallen oder den anderen zeigen, dass er ein besserer Redner ist als die Herren C und D, er will vielleicht demonstrieren, dass er im Team der primus inter pares ist und deshalb die Glückwünsche von ihm übermittelt werden. Das alles sind mögliche inoffizielle Ziele – und die spielen immer eine Rolle, oftmals sogar die entscheidende.
Bei organisierten Diskussionen ist das nicht anders: Eine Partei will ihre Positionen unters Wahlvolk bringen, die Europäische Union will zeigen, was sie Gutes für die Menschen tut, ein Unternehmen möchte auf die segensreiche Wirkung eines neuen Produkts hinweisen (und dieses auch verkaufen), ein Verlag möchte eine Autorin bekannt machen, na und so weiter. So werden Podiumsdiskussionen über ein Sachthema oftmals angesetzt, um einer bestimmten Person, beispielsweise aus der Politik, ein Forum zu bieten. Mag sein, die besagte Person will sich bald in einem Wahlkampf um ein Parlamentsmandat bewerben und sich bekannt machen, mag sein, sie möchte sich in einem innerparteilichen Machtkampf positionieren. Es kann auch darum gehen, einen Ort zu profilieren, indem dort etwas stattfindet – und dabei ist dann ziemlich egal, worum es sich handelt, Hauptsache es zieht Publikum und eventuell die Presse an. Das alles ist völlig legitim.
Als Moderator sollte man diese Ziele aber kennen und einschätzen können, in welchem Spannungsverhältnis das offizielle und das inoffizielle Ziel stehen und was für die Veranstalter wie (ge)-wichtig ist. Leicht erkennbar ist das, wenn eine politische Stiftung eine Podiumsdiskussion zu einem aktuellen Thema anbietet und einer der Podiumsteilnehmer ein Abgeordneter der Partei ist, der die Stiftung politisch verbunden ist. Die Vermutung liegt nahe, dass es der Stiftung nicht (nur) darum geht, ein bestimmtes Thema in die öffentliche Diskussion zu bringen, sondern vielmehr, den Kandidaten zu positionieren. Es kann auch die Absicht der Veranstalter sein, eine bestimmte inhaltliche Position zu bewerben.
Der Moderator hat in der Regel auf die Zielformulierung keinen Einfluss. Er wird vielmehr „eingekauft“, wenn die Veranstaltung mehr oder weniger vollständig geplant ist. Er wird allerdings bei seiner Moderation sowohl die offiziellen als auch die oftmals wichtigeren inoffziellen Ziele im Auge haben müssen, wenn seine Moderation erfolgreich sein soll. Erfolgreich in diesem Sinne ist sie, wenn sowohl das Publikum, das eine bestimmte inhaltliche Erwartung hat, als auch der Veranstalter, der eben mehrere Ziele im Blick hat, das berechtigte Gefühl haben, dass ihren Interessen entsprochen worden ist.
Читать дальше