Wenn wir jedoch um diese seelischen Aussteuerungsmechanismen wissen und die verdrängten, sich im astrologischen Modell bestätigenden Sehnsüchte nicht unreflektiert zum karmischen Zielpunkt erheben, dann bleibt auch abzüglich der Übertragungen und Selbstsuggestionen, die bei der Beschäftigung mit Astrologie eine dominierende Rolle spielen, unter dem Strich immer noch eine Menge unerklärlicher Erkenntnisse übrig, die an die Pforten unseres rationalen Weltbildes klopfen und denen wir uns, wenn wir uns mit den kosmischen Gesetzen auseinandersetzen wollen, nicht verschließen sollten.
Partnerschaftsastrologie aus tiefenpsychologischer Sicht
Um die Partnerschaftsastrologie in ihrem tieferen Sinn zu verstehen, müssen wir das Prinzip von Ursache und Wirkung verlassen. Dieses Prinzip ist nur ein Kunstgriff unseres Verstandes, um uns die Strukturen in der Welt einsichtiger zu machen (denn die Voraussetzungen unseres Verstandes zwingen uns, die Welt nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung zu betrachten). Wir müssen begreifen, daß die Ursachen, aus denen sich die Wirkungen ergeben, selbst nur Wirkungen zurückliegender Ursachen sind, die sich auf immer weiter zurückliegende Voraussetzungen zurückführen lassen. Probleme in der Beziehung sind die Wirkungen weiter zurückliegender Ursachen, die wiederum Wirkungen noch tieferer Ursachen sind. Man muß sich Gedanken über die Gesamtzusammenhänge machen, um sich mit seinen Problemen spirituell oder tiefenastrologisch auseinandersetzen zu können.
Es ist nicht nur der Partner, der uns gibt oder nicht gibt, was wir von ihm erwarten; genauso sind wir es selbst, die den anderen unbewußt dazu zwingen, uns das Bild zu vermitteln, das wir aufgrund unserer Vorstellung von ihm erwarten. Solche Beobachtungen helfen uns zu erkennen, daß unsere objektive Wirklichkeit einem Denken entspricht, das sich aus seinen Beobachtungen selbst ausschließt, weil es glaubt, außerhalb zu stehen und den anderen getrennt von der eigenen Vorstellung zu sehen. In Wirklichkeit gibt es nur die Wechselwirkung zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten, wobei der Beobachter das, was er sehen will, in das zu Beobachtende einfließen läßt, um in der Außenwelt die Bestätigung für das zu bekommen, was er sehen will.
Erst wenn wir den anderen von unserem inneren Bild abziehen, können wir ihn wirklich sehen, da er sonst mit unserer inneren Vorstellung verschmilzt. Wir sehen eine Sache nicht so, wie sie ist, sondern nur so, wie wir sie sehen wollen. Wenn Disharmonien zum Partner in unserer Psyche angelegt sind, dann kann sich der andere verhalten, wie er will – immer wird er von unserem unbewußten Verhalten in eine Lage gezwungen, in der sich die Spannungen auch auslösen. Das, was mir im anderen begegnet, sind meine inneren Bilder, die mich zwingen, mich denjenigen Umständen in der Umwelt auszuliefern, die mich dorthin dirigieren, wo mich mein gelebtes, akzeptiertes Schicksal freudig belohnt oder mich meine Verdrängungen zwangsweise von außen wieder einholen. Immer sind es die Gefühle uns selbst gegenüber, die uns einladen, den anderen aus jener Perspektive zu beurteilen, die den Gefühlen entspricht, mit denen wir uns identifizieren. Es sind die uns anziehenden Gefühle, an die wir uns je nach Anlagen zu binden haben und die dann über diese Bindungen die Funktionen oder Wirkungen in unserem Leben festlegen, die wir aufgrund unserer Veranlagungen über den Partner in unser persönliches Schicksal übernehmen.
Dieses Geflecht, das dem Verhalten der menschlichen Psyche entspricht, sich immer auf irgend etwas zu beziehen, ist die Welt, die sich aus dem Bewußtsein dieser Bilder nährt. Es ist also wichtig zu wissen, daß die Probleme in einer Partnerschaft auch Probleme einer Folge von Wirkungsprinzipien sind, die auf Ursachen folgen, deren Grundlagen in uns selbst zu suchen sind. Dieses Beziehungsgeflecht zieht sich durch die Geschichte der Menschheit und wird gleichsam zu der Straße, auf der sich Generationen vererbter Vorstellungen bewegen. Und so, wie die Menschheit keinen Frieden finden wird, solange sie ihr Verhalten nicht ändert, weil der Krieg exakt den Auswirkungen menschlicher Verhaltensmuster entspricht, so werden sich die Partnerschaftsprobleme nicht ändern, wenn man dem anderen die Schuld gibt. Der andere ist nicht nur Ursache, sondern auch Wirkung in unserem eigenen Verhalten, das gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft weist.
Der kybernetische Ansatz
Ein ins Wasser geworfener Stein verursacht Wellen – doch der Flug setzt das Werfen eines Werfenden voraus und beginnt beim Loslassen des Steins. Psychologisch relevant sind beide Aspekte: der «Hintergrund der Erwartungshaltung des Werfenden» ebenso wie die «Zukunft der Wellen, die der Stein (= die Erwartungshaltung des Werfenden) auslöst». Beide Aspekte ein und desselben Vorgangs überlagern sich im Moment des Aufschlagens des Steins auf der Wasseroberfläche. Dies ist der magische Brennpunkt, den es zu untersuchen gilt, weil sich hier das Bild des anderen fokussiert.
Nehmen wir einmal an, Eva wünscht sich einen lieben, netten und zärtlichen Mann. Ein solcher Wunsch ist niemals der Anfang – genausowenig wie ein Keimling nur Anfang ist, sondern immer auch Frucht einer vorangegangenen Blüte –, sondern er impliziert bereits zwei entscheidende Voraussetzungen oder Vorgeschichten: zum einen den Wunsch selbst und zum anderen den Hintergrund dieses Wunsches. Wir gehen davon aus, daß das, was wir uns wünschen, uns deshalb fehlt, weil es uns zufälligerweise noch nicht über den Weg gelaufen ist. Das Fehlende auf der horizontalen Ebene ist uns noch nicht begegnet, weil wir uns noch nicht genügend auf der flächendeckenden Ebene der Realität umgesehen haben, um dem Gewünschten zu begegnen. Doch im Grunde verhält es sich gerade umgekehrt: Das Fehlende verbirgt sich vor uns auf der rationalen Ebene gerade aus dem Grund, weil es uns fehlt. Was sich hier auf der dualen Ebene wie ein Widerspruch andeutet, ist gerade ein Grund, warum wir aus der dualen Ebene des Verstandes die psychologischen Probleme der Seele nie erkennen können. Denn das, was uns fehlt, kann gerade deshalb nicht von uns gesehen werden, weil es sich vor uns verbirgt. Um das Problem überhaupt zu erkennen, müßten wir unsere Sichtweise ändern, da alles, was wir aus der alten Perspektive betrachten, immer genau das ungesehene Problem ausdrückt. Das bedeutet im konkreten Fall: Solange Eva mit ihren abgespaltenen inneren männlichen Anteilen keinen inneren Frieden findet, solange kann sie keinen entsprechenden Mann in der Außenwelt anziehen. Der Mann, von dem sie sich anziehen läßt, muß sie zwangsläufig enttäuschen, weil das ganz genau ihrer unbewußten inneren Abmachung entspricht, solange in der Außenwelt enttäuscht zu werden, solange sie ihre inneren Verstrickungen nicht erkennen kann.
Wenn also Eva die Werfende und ihre Absicht die ist, einen lieben Mann zu finden, dann ist die «Vergangenheit der zukünftigen Absicht der Werfenden» wahrscheinlich eine unbewußte Ablehnung des Mannes (der verdrängte Hintergrund ihrer Partnerschaftssituation), die sich unbeabsichtigt und ohne Evas Wissen in jeder Absicht inkarniert.
Was passiert jetzt? In dem Moment, wenn sich der Wunsch in der Realität verwirklicht (das ist der Moment des Aufschlagens des Steins auf der Wasseroberfläche, wo sie dem Partner in der Realität begegnet), begegnet Eva ihrem beabsichtigten Mann, der ihr aber nicht objektiv, sondern auf der Grundlage ihrer unbewußten inneren Disposition begegnet. Wenn wir annehmen, daß Eva nicht die Zuneigung ihres Vaters bekam, könnte sich dieses Muster in der Partnerschaft so auswirken, daß sie sich nur von einem Mann angezogen fühlt, der sie enttäuschen wird, ja geradezu enttäuschen muß, damit sich die auf die unterbliebene Vaterliebe entwickelte psychische Reaktion, das «Zuneigungs-Verhinderungsmuster», also «das, was ich sowieso nicht kriege, auch nicht zu wollen», erfüllen kann. Denn was Eva nicht weiß: In jedem äußeren Wunsch fährt ihre unbewußte Verhinderung als blinder Passagier mit und zwingt sie, ihre Option einzulösen – zum Beispiel, die Zuneigung eines Mannes niemals annehmen zu wollen. Die Partnerschaftsanziehung funktioniert also nicht, sondern es ist vielmehr so, daß sich die Anziehung nach ihren eigenen komplexen Gesetzen vollzieht, die die unbewußt in den Wunsch eingelagerten Konditionen mit einschließt, und nicht nach den Gesetzen der bewußten Absichten der Wünschenden. Dies kann mit Hilfe der astrologischen Komponenten besser nachvollzogen werden.
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