Eines jener kleinen Dinge am kleinen Os palatinum ist seine orbitale Oberfläche. Es ist eine kleine, dreieckige, glatte Fläche, die ganz hinten im Boden der Orbita heraussteht.
Man beginnt sich zu fragen, wozu sie eigentlich da ist. Denken Sie sich zurück, entlang des N. maxillaris bis hin zum Ganglion trigeminale. Wenn Sie dem mittleren Ast des V. Hirnnervs geradewegs hinaus durch das im Os sphenoidale gelegene Foramen rotundum folgen, werden Sie feststellen, dass er genau um jene glatte Oberfläche auf dem Proc. orbitalis des Os palatinum herum verläuft.
Als N. infraorbitalis tritt er anschließend in eine Rinne der Maxillen ein, um an der Vorderseite der Maxillen durch das Foramen infraorbitalis auszutreten.
Beachten Sie den Verlauf dieses Nervs von der Spitze des vorderen Aspektes der Pars petrosa des Os temporale bis zum Foramen rotundum, von dort weiter bis zum Proc. orbitalis des Os palatinum, in den Körper der Maxilla hinein und hindurch – vier Knochen sind hintereinander aufgereiht in Aktion, wobei sich jeder einzelne auf seine ihm eigene Art bewegt. Betrachten Sie dann die Fissura sphenomaxillaris, die durch das Os sphenoidale, das Os palatinum und die Maxilla gebildet wird. Hier findet sich kein Gelenk, lediglich ein Raum, der sich mit der Bewegung der Knochen ändert. Sie erkennen, dass dieser aus dem Os sphenoidale austretende Nerv die Fossa kreuzt, jene kleine Oberfläche auf dem Os palatinum umfährt, um dann an der Rinne in die Maxilla einzutreten. Wenn wir Ihnen nun von der Mobilität der Orbitae berichten, von einer Erweiterung und Verengung während der Inhalation und Exhalation: Was, denken Sie, hat das für eine Wirkung auf diesen Nerv?
Ohne diese kleine Vorrichtung, den Proc. orbitalis des Os palatinum, gäbe es eine Spannung mit einer erschöpfenden Wirkung auf den N. maxillaris. Haben Sie sich schon einmal die Funktionsweise einer Dreschmaschine angesehen, wie dort ein Band läuft und ein kleiner Spannungsregulator dieses Band begleitet? Der kleine Proc. orbitalis des Os palatinum dient als Spannungsregulator, der verhindert, dass der Nerv durch Inhalation und Exhalation allmählich zerstört wird.
Ein weiteres kleines Ding in der funktionellen Anatomie des Gesichts ist das kleine Os palatinum. Dieser empfindliche kleine Knochen ist ein Mediator zwischen Os sphenoidale und Maxilla. Auf der Rückseite des senkrechten Teils befinden sich zwei Furchen, die eigenartig konkav geformt sind.
Eine ist medial, die andere lateral. Der Proc. pyramidalis der Ossa palatina passt genau zwischen die Laminae pterygoideae des Os sphenoidale. Seine Funktion kann man mit dem ‚Herzstück‘ einer Weiche bei der Eisenbahn vergleichen, das bei einem Umstellen der Weiche die Ausrichtung der Schiene ermöglicht.
Die Mechanik der Bewegung zwischen den konvexen Enden der Procc. pterygoidei und den konkaven Furchen auf der Rückseite der Ossa palatina ist vergleichbar mit dem Schiffchen einer Nähmaschine, das vor und zurück gleitet.
Die beiden Furchen auf der Rückseite des Os palatinum machen nicht den gesamten Mechanismus aus. Der gesamte Mechanismus ähnelt dem einer Nähmaschine. In der Mechanik einer Nähmaschine gibt es eine kleine Art Schiffchen, die Spulenkapsel, welche in einer Konkavität verläuft und dabei vor und zurück gleitet. Die Procc. pterygoidei verhalten sich in den konkaven Furchen auf den Ossa palatina wie diese Schiffchen. Beide Procc. pterygoidei hängen vom Corpus des Os sphenoidale herunter. Jeder besitzt eine mediale und laterale Lamina. Ihre Enden sind glatt und passen in die medialen und lateralen Furchen der Ossa palatina. Die Enden konvergieren anterior und divergieren posterior.
Die empfindliche kleine Gleitbewegung zwischen den Enden der Laminae pterygoideae auf dem Os sphenoidale und den Furchen auf dem Os palatinum ist eines der großen Dinge in der osteopathischen Wissenschaft. Es ist eines der wichtigen mechanischen Prinzipien, die Sie verstehen müssen. Es muss zu Ihrem Wissen über den kranialen Mechanismus dazugehören.
ZEICHNUNG I–9: DIE HINTERE GELENKFLÄCHE DER OSSA PALATINA UND IHRE BEZIEHUNG ZU DEN PROCC. PTERYGOIDEI
Es werden die Furchen posterior auf dem Os palatinum gezeigt, in denen die Laminae pterygoideae gleiten. Beachten Sie den Proc. orbitalis des Os palatinum.
Wenn Sie den menschlichen Kopf in seiner Gesamtheit anschauen, sehen Sie, dass er anterior konvergiert und posterior divergiert. Denken Sie an all die kleinen Stellen im Kopf, an denen dieses mechanische Prinzip im Entwurf zur Wirkung kommt. Von den Facetten der Gelenke auf dem Atlas und den Kondylen des Os occipitale bis hin zu den Alae majores des Os sphenoidale, von der Incisura ethmoidalis in den Ossa frontalia bis zur Mandibula sind anteriore Konvergenz und posteriore Divergenz deutlich sichtbar. Bedenken Sie die strukturellen und mechanischen Vorteile dieses Entwurfs in Hinsicht auf Stabilität und Mobilität.
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Als Nächstes möchte ich, dass Sie mich zum Bereich des kleinen Os palatinum begleiten. Es befindet sich unterhalb der Fossa nasalis, in einer Linie mit dem Dach des Mundes. Auf der Rückseite des senkrechten Teils sehen Sie zwei kleine Rinnen oder Furchen, die dem mechanischen Prinzip der Konvergenz nach vorne und Divergenz nach hinten folgen. Es gibt zwei Ossa palatina und jedes von ihnen besitzt doppelte Furchen. Stellen Sie sich einen Lastwagen mit Doppelbereifung vor. Wenn er auf einer schlammigen Straße fährt, hinterlassen die zwei Reifen auf ihrem Weg ähnliche Furchen.
Wenn Sie nun rückwärtsfahren wollten, bewegen sich die Räder in diesen Furchen zurück. Ein Reifen befindet sich in der einen Rille und der andere in der anderen. Innerhalb dieser Furchen können die Räder rotieren.
Sie sehen nun die Enden der medialen und lateralen Procc. pterygoidei des Os sphenoidale. Hier gibt es einen Knochen, der zwei Procc. pterygoidei besitzt, und jeder hat wiederum zwei Laminae. Diese Procc. pterygoidei konvergieren vorne und divergieren hinten.
Sie sind wie die Reifen auf den Rädern jenes Lastwagens. Der Mechanismus des Os palatinum ist dort, wo die Enden der Procc. pterygoidei sich in den Furchen auf der Rückseite der kleinen Ossa palatina bewegen. Dieses Os palatinum artikuliert mit der Maxilla auf jeder Seite des Gesichts.
Wenn das Os sphenoidale zirkumrotiert, können Sie die Procc. pterygoidei als Speichen des sphenoidalen Rades sehen. Dreht sich das Rad in eine andere Position, machen sie mit den kleinen Ossa palatina das Gleiche, was die Alae majores mit dem Os ethmoidale und den Ossa frontalia tun: die Bewegung des Os sphenoidale lässt sie weiter werden. Wenn die Procc. pterygoidei in den Furchen auf den Ossa palatina reiten, drehen sie diese nach außen in Außenrotation. Die Ossa palatina drehen ihrerseits die Maxillen, die vom Os frontale herabhängen, in Außenrotation.
Dreht das Os sphenoidale um sich selbst in Extension, fahren die Procc. pterygoidei in den Furchen der Ossa palatina zurück und ziehen die Ossa palatina und die Maxillen in Innenrotation. Können Sie sich das bildlich vorstellen? Erkennen Sie den Mechanismus? Es ist ein Mechanismus, der häufig auf mechanische Weise gebremst wird.
Wenn Sie den Mechanismus des Os palatinum unten stören, beeinträchtigen Sie damit auch den Mechanismus im oberen Bereich. Andere Zusammenhänge werden dann gestört, am häufigsten die physiologische Funktion des Ganglion sphenopalatinum. Am wahrscheinlichsten ist eine Störung an jener Stelle, an welcher der N. maxillaris um den kleinen Proc. orbitalis des Os palatinum hinten in der Orbita verläuft. So sieht es aus, wenn Sie einige der mechanischen Strainmuster im Mechanismus der Gesichtsknochen angehen.
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