Thomas Höffgen
Schamanismus bei den Germanen
Götter · Menschen · Tiere · Pflanzen
Edition Roter Drache
Im Mittelpunkt der germanischen Mythologie – im Zentrum des heiligen Haines – steht der Weltenbaum, das universelle Symbol des Schamanismus. In Sibirien gibt es ein Ritual, bei dem der Schamane auf eine Birke klettert, in die neun Einkerbungen geritzt sind, welche die neun Welten symbolisieren. Bei den Germanen ist es Wotan, der den Weltenbaum rituell erklettert, um die neun Welten zu erforschen. Rekonstruktion der Externsteiner Irminsul (mit neun Ästen).
1. Auflage März 2017
Copyright © 2016 by Edition Roter Drache
Edition Roter Drache – Holger Kliemannel, Haufeld 1,
07407 Remda-Teichel
edition@roterdrache.org; www.roterdrache.org
Umschlag- und Buchgestaltung: Edition Roter Drache
© Foto des Runensteins: Sören Hallgren/ The Swedish History Museum
Lektorat: Sarah Bräunlich
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018
Alle Rechte der Verbreitung in deutscher Sprache und der Übersetzung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Ton- und Datenträger jeder Art und auszugsweisen Nachdrucks sind vorbehalten.
ISBN 978-3-964260-00-0
Cover
Titel Thomas Höffgen Schamanismus bei den Germanen Götter · Menschen · Tiere · Pflanzen Edition Roter Drache
Impressum 1. Auflage März 2017 Copyright © 2016 by Edition Roter Drache Edition Roter Drache – Holger Kliemannel, Haufeld 1, 07407 Remda-Teichel edition@roterdrache.org ; www.roterdrache.org Umschlag- und Buchgestaltung: Edition Roter Drache © Foto des Runensteins: Sören Hallgren/ The Swedish History Museum Lektorat: Sarah Bräunlich E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018 Alle Rechte der Verbreitung in deutscher Sprache und der Übersetzung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Ton- und Datenträger jeder Art und auszugsweisen Nachdrucks sind vorbehalten. ISBN 978-3-964260-00-0
Vorwort
Einleitung: Germanischer Schamanismus
Was ist Schamanismus?
Der „Schamane“
Steinzeit-Schamanismus
Heilige Ekstase
Hinter dem Schleier der Natur
Der Jhankri vom Himalaya
Der Weltenbaum
Yggdrasil
Die neun Welten
Kultbäume der Germanen
Odin erklettert den Schamanenbaum
Das Trommelpferd
Drei Götter der Ekstase
Wotan, der Zauberer
Thor, der Donnergott
Loki, der Listige
Balders Träume
Jenseitsreisen und Unterweltmythen
Das Grab der Prophetin
Hermod und Hel
Das „Draußensitzen“
Zauberkünste der Germanen
Die Magie der Runen
Geheimwissen vom Weltenbaum
Was sind Runen?
Das „Futhark“ ( )
Runenlieder der Germanen
Zaubersprüche
Lösezauber
Knochenzauber
Neun-Kräuter-Zauber
Alptraumzauber
Flursegen der Frau Holle
Germanische Schamaninnen
Freyja Seiðkona
Weissagung der Völva
Der Zauberstab
Thorbjörg, die „kleine Völva“
Veleda, Albruna, Ganna
Die Hexe Waluburg
Tierverwandlungen
Das Geheimnis der Tiermenschen
Tiere der Germanen
Die Wilde Jagd
Berserker
Werwölfe
Der wilde Mann
Germanische Götterpflanzen
Pflanzen der Schamanen (Odins Äcker)
Der Met der Begeisterung
Fliegenpilz
Hexenpflanze Bilsenkraut
Die Magie der Mandragora
Entheogene Eiben
Der Autor
Literaturverzeichnis
Quellen
Forschung
Weitere Bücher
Anmerkungen
„ Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.“
Goethe: Erinnerung
Fragt man einen modernen Mitteleuropäer, was Schamanismus sei, verweist er sicher auf die indigenen Völker ferner Länder und ihre fremdartigen Kulte. Stellte man dieselbe Frage einem antiken Mitteleuropäer, vielleicht dem Vorfahren jenes modernen, dann würde dieser höchstwahrscheinlich antworten: „Wenn Sie was von unserm weisen Mann und Zauberer erfahren wollen – der wohnt gleich dahinten, in dem kleinen Haus am Waldrand“.
Schamanismus gilt als etwas Exotisches (altgr. exōtikós : „fremdländisch“): Der Begriff ruft Bilder wilder Eingeborener mit Fell und Federtracht hervor, die in den letzten Winkeln dieser Erde vormoderne Geisterrituale ausüben. Man denkt an Medizinmänner und -frauen, die Trommelkulte praktizieren und unterm Totempfahl in Trance fallen. Edle Wilde, die in den Phänomenen der Natur die Zukunft lesen und die Sprache der Tiere sprechen. Ur-Menschen, die am Gürtel ihres Lendenschurzes einen Lederbeutel tragen, in dem sich entheogene Naturdrogen befinden. Und diese Vorstellung ist mitunter vollkommen korrekt.
Doch sie ist nur die halbe Wahrheit, denn der Schamanismus ist – aus europäischer Perspektive – nicht nur ein exotisches, sondern auch ein einheimisches Phänomen: Auch die Europäer haben eine schamanische Tradition, haben schamanische Mythen und schamanische Kulte. Auch die Europäer haben eine schamanische Kulturgeschichte mitsamt Trancetechniken, Trommelritualen und Tierverwandlungen. Sie haben sie nur fast vergessen, verdrängt und sogar verteufelt. Wer denkt schon noch an Schamanismus, wenn er heute einen Weihnachtsbaum aufstellt, in den Mai tanzt, sich zu Karneval verkleidet oder auch nur jemandem „den Daumen drückt“? Modernes magisches Denken und Handeln, das in die Zeit der alten Europäer führt, als noch Wald den Kontinent bedeckte und vorchristliche Waldvölker in heiligen Hainen ihre heidnischen Naturgötter verehrten. Für diese Ur-Einwohner von Europa war der Schamanismus nicht exotisch, sondern genuin, ein fester Teil der täglichen Kultur und religiösen Praxis. Der Schamanismus war nicht fremd, sondern vertraut und ein wesentliches Element der europäischen Existenz und Lebenswirklichkeit. Daher rührt die Faszination, die exotische Kulturen auf uns ausüben, weil ihr Schamanismus uns so sehr an unsere eigene Kultur und Tradition erinnert, unser eigenes Schamanentum, das tief in unserem kulturellen Kollektivgedächtnis, in unserer Erinnerung, immer noch lebendig ist.
Wotan, der germanische Ur-Schamane, mit Zauberstab und Schlapphut, opferte sein Auge, um aus der heiligen Quelle der Erkenntnis zu trinken, die an den Wurzeln des Weltenbaums entspringt. Georg von Rosen, 1886.
Einleitung: Germanischer Schamanismus
In einer rustikalen Gaststube aus dem 19. Jahrhundert, die in dunkel-hölzernem Barock gehalten war, traf ich mich zu einem Abendessen mit dem Hochschullehrer Hasenfratz. Im Schein der Kerze offenbarte ich dem Schweizer Religionshistoriker die Idee, ein Buch zum Thema „Schamanismus bei den Germanen“ zu verfassen. Freilich ein schillerndes Thema. Der emeritierte Professor fand die Idee jedoch „höchst spannend“ und rezitierte mir sogleich den ersten Merseburger Zauberspruch in althochdeutscher Sprache – ich konterte mit dem zweiten. Hasenfratz sah mich scharf mit einem Auge an und sagte: „Natürlich macht ein solches Unterfangen Sinn. Denken Sie nur einmal an den Weltenbaum, den haben die Germanen ebenso wie alle zirkumpolaren schamanischen Kulturen. – Der Weltenbaum“, sagte Hasenfratz, zahlte das Essen und setzte im Hinausgehen seinen Hut auf, „könnte Sie tatsächlich zu den germanischen Schamanen führen“. Der Mann ließ mich verdutzt zurück, widersprachen seine Worte doch der wissenschaftlich etablierten Lehrmeinung, welche diesem Thema tendenziell mit Ablehnung entgegen tritt. Doch er machte mir auch Mut, meine langjährige Privatforschung, die zum Teil zu unorthodoxen Ergebnissen geführt hat, zu diesem kleinen Büchlein auszuarbeiten.
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