Nordfassade des Palazzo Veneziano in Malborghetto
Natürlich wurde auch das Kanaltal nicht von Türkeneinfällen verschont. Das Gebiet um Tarvis suchten die Türken in den Jahren 1478 und 1492 heim, plünderten die Häuser und töteten viele Bewohner.
Am Anfang des 16. Jahrhunderts siedelten sich venezianische Familien im Kanaltal an. So auch in Malborgeth. Dort errichtete die Holzhändler-Familie Canal den Palazzo Veneziano, der heute das Ethnografische Museum beherbergt, als kultureller Treffpunkt genützt wird und als Präsentationsort der Veranstaltung „Ein Prosit in Tarvis“ jeden Oktober Heerscharen von Wein- und Kulinarikfreunden anlockt.
Ab 1550 kam der Bergbau von Raibl in den Besitz der Familie von Rechbach. Die Zeit der Bamberger Herrschaft endete 1759. Damit fiel das Kanaltal an die Habsburger.
In den Jahren von 1797 bis 1809 gab es zwischen den Habsburgern und den napoleonischen Truppen hier im Tal mehrmals kriegerische Auseinandersetzungen. Ein markantes Ereignis ist die Eroberung der Festung bei Malborgeth 1809 (siehe Malborghetto: Auf Napoleons Spuren, Seite 132).
Mit dem Bau der Nationalstraße im Jahr 1851 im Raum Tarvis wurde die alte römische Trasse ersetzt. Die Eisenbahnlinie Laibach – Tarvis stellte man 1872 fertig und die Linie Villach – Tarvis 1877. Nach Udine konnte man ab 1879 mit der Eisenbahn fahren.
Heilwasser-Häuschen in Bagni di Lusnizza
Der Bach Pontebbana in Pontafel/Pontebba wurde 1866 zum Grenzfluss zwischen dem Königreich Italien und dem Kaiserreich Österreich-Ungarn.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Bad Lussnitz (Bagni di Lusnizza/Lužice) mit seiner Schwefelquelle zum Kur-Badeort.
Überschwemmungen suchten Uggowitz im Jahr 1903 heim. Im Ersten Weltkrieg folgte, wie in anderen Orten auch, der Beschuss durch die italienische Armee.
Erster Weltkrieg („Grande Guerra“) zwischen Nassfeld und Sella Nevea
Der Mai 1915 war kein Wonnemonat, sondern ein schicksalhafter Monat mit weitreichenden Folgen. Das Königreich Italien kündigte am 4. Mai den Dreibundvertrag, der zwischen Italien, Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich bestand, auf. Am 23. Mai wurde die italienische Kriegserklärung an Österreich-Ungarn in Rom an Botschafter Baron Machio übergeben und gleichzeitig in Wien durch den Herzog von Avarna an Minister Burian. Damit war Italien, der ehemalige Verbündete – so die Definition in Wien –, nicht ganz unerwartet der Habsburg-Monarchie in den Rücken gefallen. Tatsache ist, dass es ohne diese Kriegserklärung nie zum Gebirgskrieg zwischen Brenta, Dolomiten, Karnischen Alpen, Julischen Alpen und Isonzo gekommen wäre. Doch Italien stellte schon im Vorfeld Ansprüche auf Triest und das Trentino.
Italiens Generalstabchef Luigi Cadorna hatte bereits 1914 drei Varianten von Angriffsplänen ausgearbeitet. Eine Variante wäre der Vorstoß über Tirol gewesen, die zweite sollte über den Karst nach Laibach und Wien führen, und die dritte über das Fellatal nach Kärnten. So beschreibt es Manfried Rauchensteiner in seinem Buch „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“.
Doch bleiben wir im Großraum Tarvis. Mit Variante drei stand auch das österreichische Kanaltal im Brennpunkt. An der Kärntner Front entlang der Karnischen Alpen, des Kanaltales und der Julischen Alpen fehlten allerdings Soldaten. Die wehrfähigen Männer waren anderswo im Kriegseinsatz. Freiwillige meldeten sich also in Kärnten zu den Waffen: sehr junge Männer und solche, die eigentlich nicht mehr wehrfähig waren, zogen gegen Italien in den Krieg. Es waren dies die „Kärntner Freiwilligen Schützen“.
Und Österreich-Ungarn musste auch einen strategischen Nachteil zur Kenntnis nehmen. In den vorangegangenen Jahren wollte man den Verbündeten Italien nicht durch Festungs- und Stellungsbauten in den Julischen Alpen provozieren und ging daher schlecht vorbereitet in den Krieg in dieser Gebirgsregion. Deshalb besetzte die italienische Armee nach der Kriegserklärung ziemlich rasch strategisch wichtige Punkte auf den Gipfeln der Julier und südlich des Kanaltales. Das Tal selbst stellte die Verbindung zwischen Karnischer und Julischer Front dar. Denn vom Hauptkamm der Karnischen Alpen zog sich die Front herunter nach Pontebba/Pontafel, wo der Pontebbana-Bach die Grenze und Frontlinie zog. Hier standen sich die Feinde praktisch von Ufer zu Ufer gegenüber.
Von Pontafel zog sich der Frontverlauf weiter bis nach Malborgeth. Die nördliche Talhälfte war in österreichischer, die südliche in italienischer Hand und alle Ortschaften evakuiert. Vom Talboden zog sich die Front hinauf zum Gipfel des Mittagskofels, hinunter zum Somdogna-Sattel (1389 Meter) und von dort weiter nach Sella Nevea (1142 Meter). Die Österreicher hielten den Wischberg und die Italiener den Montasch.
Umkämpfte Punkte waren unter anderem der Somdogna-Sattel. Er trennte die Österreicher in der Saisera, dem Talkessel südlich von Valbruna, vom Feind im Dognatal, der dort wichtige Artillerie- und Nachschubposten positioniert hatte.
Eine anschauliche Informationstafel steht heute wenige Meter vor der Locanda Montasio, links im Wald der unteren Saisera. Dort befand sich einst die vorderste österreichisch-ungarische Linie. Von dieser ausgehend versuchte man am 18. Oktober 1915 vergeblich, die italienische Linie, die vom Köpfach über den Somdogna-Sattel auf den Mittagskofel führte, zu erobern. Das Ziel war das Dognatal. Nach dem Scheitern dieses Angriffes blieben die Stellungslinien in der Saisera bis zur Auflösung der Front in den Julischen Alpen unverändert.
Jenseits des Wischberges liegt in südlicher Richtung Sella Nevea. Von dort zog sich der Frontverlauf hinauf zum Rombon und weiter hinunter bis nach Flitsch.
Weil aber vom oberen Kanaltal die Versorgung der Front in den Julischen Alpen und weiter südlich bis nach Flitsch/Bovec und Karfreit/Kobarid und Tolmein/Tolmin erfolgte, bekam das Tal eine besondere strategische Bedeutung.
Bekannte Berge der Julischen Alpen waren damals besetzt. Österreich hielt den Kleinen Mittagskofel (1952 Meter) und den Schwarzenberg (Monte Nero). Weiters Kleiner und Großer Nabois (2318 Meter), Wischberg/Jôf Fuart (2666 Meter), Gamsmutter (2507 Meter), Mosesscharte (2271 Meter), Kornspitze/Cima Vallone (2368 Meter) und die Kastreinspitze (2502 Meter). Ebenfalls österreichisch waren der Steinerne Jäger (2071 Meter) und die Krnica/Carnizza-Scharte (1767 Meter).
Die Italiener wiederum besetzten den Monte Piccolo (1746 Meter), Monte Granuda (2589 Meter), Zweispitz/Due Pizzi (2046 Meter), Monte Piper (2069 Meter), Großen Mittagskofel/Jôf di Miezegnot (2087 Meter), Jôf di Somdogna (1881 Meter), Montasch/Jôf di Montasio (2752 Meter), Gambon (2404 Meter) und Cregnedul (2351 Meter).
Schwer unter Beschuss genommen und zerstört wurden im Laufe der Kampfhandlungen die Gebäude und die Kirche auf dem Luschariberg.
Im Wesentlichen gehörte die Kanaltaler Front zu dem, was Militärs im Fachjargon Patrouillen- und Kleinkrieg nennen. Mehrfach umkämpft waren Monte Piper, Zweispitz, Mittagskofel, Dogna-Sattel, Kastreinspitze und Wischberg.
Relativ starr blieb der Frontverlauf in den Julischen im Raum Tarvis bis zum Durchbruch an der Isonzo-Front, anlässlich der 12. Schlacht, bestehen. Trotzdem gab es um die Gipfel immer wieder größere und kleinere Scharmützel sowie regen Artilleriebeschuss aus dem Val Dogna, wo fast alle Orte betroffen waren.
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