BRUNO BUCHBERGER
MATHEMATIK
MANAGEMENT
MEDITATION
Cover
Titel BRUNO BUCHBERGER MATHEMATIK MANAGEMENT MEDITATION
Vorwort
MATHEMATIK: Der Anfang und immer am Anfang
DIE GRÖBNER-BASEN: Danke für eine harte Nuss!
MATHEMATIK: Im Auge des technologischen Hurrikans
FORSCHUNG: Eine Frage des Geldes?
MATHEMATIK: Die Kultur der Sprache
DER SOFTWAREPARK HAGENBERG: Mein Geschenk an Österreich
DIE UNIVERSITÄT: Quelle der Innovation
DIE FACHHOCHSCHULE: Ein Schnellschuss ins Schwarze
SOFTWARE: Materialisierte Intelligenz
INNOVATION: Positives Spannungsmanagement
ÖSTERREICHS UNIVERSITÄTEN: Haben wir eine Chance?
MEDITATION: Die Kunst der Nicht-Mathematik
MATHEMATIK + MEDITATION = 200 % leben
Index
Bruno Buchberger
Impressum
Dieses Buch ist aus einer Anregung von Peter Illetschko, Journalist bei Der Standard, entstanden. Ich danke ihm ganz herzlich für diesen Impuls. Er hat mich zu verschiedensten Anlässen und Themen interviewt, durch seine Fragen inspiriert und provoziert, und meinte dann, dass meine Antworten einmal in einem Guss in Buchform zu lesen sein sollten.
In der Tat habe ich in den Jahrzehnten meines Lebens im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik Hunderte Interviews gegeben. Die Fragen, die aus allen Richtungen, aber immer wieder zu ähnlichen Themen kamen, habe ich in diesem Buch neu gestellt und in einen Fluss gebracht, der von der abstrakten Welt der Mathematik über die konkrete Welt der heutigen technologie- und wirtschaftsbetonten Gesellschaft bis zu den Fragen führt, die das erwachende Bewusstsein sich seit Generationen stellt.
Wie in einem Interview sind meine Antworten für den eiligen Leser kurz und manchmal so provokant wie die Fragen. Im Fluss des Ganzen ergeben sie aber – so hoffe ich – einen anregenden Sinn. (Die Kurzantworten sind nach den Fragen durch einen anderen Schrifttyp gekennzeichnet.)
Während der Interviews habe ich aber oft für die Journalisten – sofern sie sich dafür die Zeit nehmen wollten – „bei abgeschaltetem Mikrofon“ ziemlich weit ausgeholt, um eine gründliche Antwort zu geben. Das wurde meistens geschätzt. Und so gibt es in diesem Buch zu jeder Frage auch eine längere, tiefer gehende Antwort für Leser, die auf den Grund gehen wollen, die heutige, manchmal sehr komplex erscheinende Welt verstehen wollen. Und die sich vielleicht dadurch angeregt und ermutigt fühlen, in der heutigen Gesellschaft aktiv zu werden, deren ungeheure Möglichkeiten zu nutzen, neue zu schaffen und aus einer ganzheitlichen Sicht heraus evolutiv und verantwortlich zu handeln.
Ich danke der Verlagsgruppe Styria für die professionelle Herausgabe dieses Buchs, insbesondere Frau Mag. Elisabeth Wagner für das Lektorat. Herrn Josef Lehner danke ich herzlich für das Korrekturlesen von Teilen einer ersten Version des Buchs und die Herstellung des Kontakts zum Verlag.
Gerne erinnere ich mich auch dankend an die spannenden und manchmal sehr lustigen Gespräche mit meinen Interviewerinnen und Interviewern, von denen ich hier stellvertretend nenne: Thomas Azade, Christina Badelt, Elisabeth Buchmann, Eva Drechsler, Elisabeth Eidenberger, Josef Ertl, Rainer Himmelfreundpointner, Bernhard Hofer, Michaela Holy, Johannes Jetschgo, Oliver Jonke, Alfons Krieglsteiner, Lucia Kruckenhauser-Klement, Thomas Kugler, Oliver Lehmann, Wolfgang Lehner, Hannes Leopoldseder, Gerald Mandlbauer, Dietmar Mascher, Christian Müller, Aleksandra Pawloff, Erika Pichler, Bettina Preßlauer, Klaus Schobesberger, Gisela Schreiner, Jens Tschebull, Karin Tzschentke, Heinz Wernitznig, Thomas Winkler, Ulli Wright.
Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch von einer geschlechterspezifischen Schreibweise abgesehen. Die verwendeten Personenbezeichnungen, personenbezogenen Begriffe und Berufsbezeichnungen beziehen sich auf beide Geschlechter.
MATHEMATIK
DER ANFANG UND IMMER AM ANFANG
In Österreich kennt man Sie ja eher durch Innovationsprojekte wie den Softwarepark Hagenberg als durch Ihr internationales Standing als Mathematiker. Warum haben Sie seinerzeit ausgerechnet Mathematik studiert?
Ehrlich gesagt, mein Hauptgedanke damals war: „Was ist ein Fach, das nicht jeder studieren kann?“
Im Gymnasium hat mich alles interessiert – ich hätte jedes Fach studieren wollen und habe mich auch in allen Fächern leichtgetan. Und da mich alles interessiert hat, ist alles in mich wie von selbst hineingezogen. Es war mir auch intuitiv klar, dass alle Fächer wichtig sind und es um ein möglichst klares „Bild von der Welt“ geht. In der Tat habe ich dann bald – im Studium, im Berufsleben und auch beim Mitwirken in der Gesellschaft – erfahren und bestätigt gefunden, wie fundiert und umfassend die Bildung im Gymnasium (in meinem Fall das „Gymnasium in der Angerzellgasse“, das heutige „Akademische Gymnasium“ in Innsbruck) war.
Bis zu dem Zeitpunkt, als ich in der langen Reihe zur Inskription an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck stand, hatte ich noch gedacht, ich würde Biologie studieren. Während des Wartens ist mir dann der folgende, äußerst unsachliche Gedanke durch den Kopf gegangen: „Was werden die Leute (insbesondere auch die Mädchen) sagen, wenn sie erfahren, dass ich Biologie studiere? Die werden wohl sagen: ‚Biologie kann jeder studieren. Dazu braucht man sich ja nur eine Menge von Schmetterlingen, Gräsern und Würmern auswendig zu merken …‘“ Unter dem Druck der nahenden Entscheidung bin ich dann ganz ehrlich zu mir gewesen und habe mir gedacht, ich möchte etwas studieren, was man mit Recht nicht-trivial nennen kann und was „wirklich nicht jeder studieren kann“. Da ist mir sofort die Mathematik eingefallen! Ich hatte bis dahin zur Mathematik keine engere Beziehung als zu anderen Fächern und bis zu diesem Augenblick auch nie erwogen, Mathematik zu studieren. Die Entscheidung war wie ein Blitz, fast ein bisschen wie ein Scherz oder ein Aufstand gegen den Intellekt, der Entscheidungen gerne mit hehren Gründen begleiten möchte. Mittels des Aufstands gegen den Intellekt habe ich mich also damals entschieden, das Fach, das den Intellekt in den Mittelpunkt stellt, zu wählen!
Ich war dann in einer fast feierlichen und trotzigen Stimmung, als ich auf die Frage des Inskriptionsbeamten, was ich studieren wolle, „Mathematik“ sagte. So quasi: „Ich mache das jetzt, habe keine Ahnung, was da herauskommen wird, und ich möchte weder Gründe noch Gegengründe hören, erzeugen oder abwägen.“ Vielleicht war es auch ein erster starker Impuls der Freiheit, die mich umfing, als ich Universitätsboden betrat. Eine Freiheit, die in krassem Gegensatz stand zu den Beklemmungen, Verunsicherungen, Regulativen, Maßregelungen, Autoritätsdiktaten meiner Jugend in der Tiroler Nachkriegsgesellschaft.
Natürlich waren meine damaligen Gedanken über die Biologie – beziehungsweise was ich geglaubt habe, wie Leute über Biologie denken – völlig naiv. Die Biologie (wie viele andere moderne Fächer) war damals schon und ist heute noch mehr – einer der kompliziertesten Bereiche, die den schärfsten Intellekt brauchen. Aber darum geht es hier nicht. Vielmehr darum, dass man unter Druck Entscheidungen fällt, bei denen man endlich einmal den Intellekt außer Acht lässt und seiner Intuition folgt. Ohne dass ich es wissen konnte, hat mir diese Entscheidung für das einerseits „belächelte“ und andererseits „gefürchtete“ Fach Mathematik ein aufregendes, anregendes, herausforderndes, reichhaltiges Leben beschert. Ein Leben im Zentrum und an den Grenzen der heutigen Zeit mit allen ihren wissenschaftlichen, technologischen, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und philosophischen Vibrationen. Ich genieße dieses Leben mit steigender Intensität und in vollen Zügen bis heute und ich habe noch lange nicht genug davon. Vielmehr habe ich das Gefühl, erst am Anfang zu stehen und erst langsam zu verstehen, wie sich die Welt dreht.
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