TIPP: Entfernungen
Um die Distanzen zu verinnerlichen, hilft es bei der Vorbereitung ungemein, in europäischen Dimensionen zu denken. Die Strecke Melbourne – Sydney entspricht der Entfernung zwischen Paris und Prag. Auf der Fahrt von Perth nach Darwin käme man in Europa nach dem Start in Madrid in St. Petersburg an. Natürlich kann der Urlauber die besagten Strecken auch in wenigen Tagen zurücklegen – mit einem Bleifuß und wenig Abwechslung zwischendurch. Doch wer will das schon?
Erschwerend bei der Streckenplanung wirkt der begrenzte Urlaubsanspruch. Länger als ein Monat ist für die meisten Arbeitnehmer nicht drin. Es gilt, die Zeit ideal zu nutzen. Ob ideal bedeutet, so viel wie möglich zu sehen oder sich einen ausgewählten Zipfel des Landes genauer anzuschauen, ist Geschmackssache. Mit einem Camper hat man den Luxus, sein Tempo weitestgehend selbst zu bestimmen. Der Weg ist das Ziel – zugegeben ein vielleicht abgedroschenes, aber berechtigtes Motto für Wohnmobilfahrten Down Under. Letztendlich reist man nicht, um schnell von A nach B zu kommen, sondern um das C, D und E unterwegs zu entdecken.
Vierstellige Kilometerangaben sind keine Seltenheit auf den Schildern
Drei Wochen in Australien sind eine tolle Zeit, um z. B. entspannt von Sydney aus die Ostküste nach Cairns hinauf zu fahren. Das australische Fremdenverkehrsamt empfiehlt Selbstfahrern für diese 2717 Kilometer lange Strecke eine Reisedauer von 16 Tagen. Zum Vergleich: Für die Route Perth – Darwin (4205 Kilometer) sollten mindestens 21 Tage eingeplant werden, was nicht sehr viel mehr erscheint angesichts der deutlichen längeren Strecke. Warum also nur fünf Tage mehr? Ganz einfach: An der Westküste gibt es deutlich weniger zu sehen. Weit und breit nichts außer rotem Sand und weißem Strand mit ein wenig Asphalt und Zivilisation mittendrin. So fährt man in Western Australia längere Strecken am Stück und kommt schneller voran. An der dicht besiedelten Ostküste hingegen tourt der Selbstfahrer von einer Touristenattraktion zur nächsten, auch wenn es nur die „Big Banana“ in Coffs Harbour ist. Mehr Zerstreuung und häufigere Pausen sorgen hier für ein langsameres Reisen.
300 Kilometer am Tag sind ein machbarer und damit empfehlenswerter Fahrdurchschnitt. Man kommt gut vorwärts und hat genügend Zeit für Erkundungen und Pausen. An einigen Tagen wird vielleicht weniger gefahren, an anderen dafür mehr, weil z. B. das Wetter schlecht ist. So pendelt sich die Fahrdistanz im Verlauf der Reise auf ein gemächliches, aber stetiges Vorwärtskommen ein. Doch selbst die beste Theorie kommt in der Praxis gelegentlich ins Wanken. In Queensland ist das die Dämmerung, die bereits gegen 17 Uhr den Himmel schwarz einfärbt und jede Weiterfahrt zum Konzentrationswagnis macht. Wer denkt, hier locker bis 21 Uhr auf den Straßen unterwegs zu sein, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von scheinwerfergeblendeten Kängurus ausgebremst. Auf Tasmania oder an der Küste zwischen New South Wales und Victoria reduzieren kurvige Straßen die Geschwindigkeit. 100 km/h zeigt der Tacho hier nur selten.
Zeitempfehlung für beliebte Routen, inkl. Sightseeing
Strecke |
Distanz in km |
Zeit, mind. |
Melbourne – Sydney |
872 |
5 Tage |
Sydney – Brisbane |
1001 |
6 - 7 Tage |
Brisbane – Cairns |
1716 |
10 Tage |
Perth – Darwin |
4205 |
21 Tage |
Darwin – Alice Springs |
1489 |
6 Tage |
Alice Springs – Adelaide |
1533 |
6 Tage |
Adelaide – Perth |
2781 |
10 Tage |
Adelaide – Melbourne |
731 |
5 Tage |
Und schließlich zerstört ein ganz natürliches Urlaubsverlangen die Kilometerplanung für den Tag – die Entdeckerlust. Eigentlich waren die Sightseeing-Aktivitäten des Tages abgehakt, als ein Einheimischer im Café von einem spektakulären Aussichtspunkt abseits des Weges erzählt. Was tun? Den Abstecher wagen und damit das Erreichen des Etappenziels riskieren oder ihn links liegen lassen und mit Bestzeit durchs Ziel fahren? Egal, für welche Variante der Urlauber sich entscheidet: Je großzügiger die Streckenplanung ist, desto mehr Zeit bleibt für ungeahnte Entdeckungen und desto entspannter lassen sich Verzögerungen abfedern. Denn beim Thema Pannen sind wir noch gar nicht angekommen.
2.2 Fahren nach Jahreszeit
Um eines der hartnäckigsten Klischees gleich zu Beginn auszuräumen – nein, in Australien scheint nicht an 365 Tagen im Jahr die Sonne. Hier fällt sogar Schnee, was für Camperreisen nicht unbedeutend ist. Als sechstgrößtes Land besitzt Australien mehr als eine Klimazone. Hier prallen tropische auf europäische Wetterverhältnisse, die sich grob gesagt am Wendekreis des Steinbocks die Hand reichen. Dieser durchläuft Australien von Exmouth in Western Australia über Alice Springs im Zentrum hinüber nach Rockhampton in Queensland.
Der Winter Australiens bringt Bodenfrost im Süden
Im Norden drohen zur Regensaison überflutete Straßen
Südlich davon herrscht weitestgehend gemäßigtes Wetter, das sich in vier Jahreszeiten aufteilt, die unseren entgegengesetzt sind. Der Frühling dauert von September bis November, die Sommermonate Dezember bis Februar gehen in den Herbst von März bis Mai über. Und zwischen Juni und August hält der australische Winter Einzug. Dieser fällt nicht annähernd so frostig aus wie unserer. Vielmehr entspricht er von den Temperaturen her dem Herbst. Einige Gebiete wie die Victorian Alps oder Snowy Mountains verwandeln sich allerdings in ein Winter-Wonderland mit Skipisten und Sesselliften. In den letzten Jahren meldeten auch die Blue Mountains bei Sydney oder die Grampians nördlich der Great Ocean Road Schneefall. Der sorgt aber in den seltensten Fällen für Chaos auf den Straßen. Doch es schadet nicht, den Vermieter nach Schneeketten zu fragen, falls man in den Wintermonaten in den höheren Lagen zwischen Melbourne und Sydney unterwegs sein möchte. Auch ohne Frau Holle sorgen Minusgrade nachts für Eiskristalle an den Fensterscheiben und vereiste Türen. Dickere Kleidung, gerade zum Schlafen, kann ich nur wärmstes empfehlen. Als wir im Juni von Melbourne aus mit dem Camper Richtung Queensland aufbrachen, schliefen wir die ersten Nächte stilsicher mit Mütze, Handschuhen, Socken & Co, Kuscheln inklusive. Denn eine Standheizung hatte unser kleiner Minivan damals nicht. Ist man allerdings erst einmal an der Küste unterwegs, sind die Nächte gleich spürbar milder.
TIPP: Camping im Winter
Aufgrund der kühlen Außentemperaturen verbringt der Urlauber während der Wintermonate tendenziell mehr Zeit im Camper, vor allem abends. Die Campingstühle werden nur selten aufgestellt, die Markise so gut wie gar nicht ausgefahren. Hinsichtlich des Komforts sollte daher ein Fahrzeug gewählt werden, in dem man sich ohne Platzangst länger auf der Pelle hocken kann.
Während die Wintermonate einen Insektenschutz unnötig machen, gehören Mückennetze im Sommer zu den unbedingten Ausstattungsmerkmalen eines Wohnmobils. Nächtliche Temperaturen über 20 Grad sind keine Seltenheit. Wer unter diesen Umständen das Fenster nicht öffnen kann, da sonst unzählige Blutsauger mit der Arbeit loslegen, sitzt morgens sehr unausgeschlafen am Steuer. Auch eine Klimaanlage gehört nicht bei jedem Modell und Vermieter zur Grundausstattung. Bläst die Lüftung bei 35 Grad Außentemperatur zu viel heiße Luft ins Auto, sorgt selbst die beste Playlist beim schweißtreibenden Fahren für keine gute Laune. Doch all der Jammer ist vergessen, sobald die Füße ins Meer tauchen und vom Grill leckerer Steakgeruch hinüber weht. Schließlich ist man im Sommerurlaub!
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