Kinderheim
Geburtstag
Krank
Christian
Einschulung
Ausflug nach »drüben«
Pflegeeltern
Mein Bruder
Wiedersehen mit Christian
Ämterplan
Gruppenkeile
Pech für zwei
Die Verpflegungstüte
Meine erste Banane
Juri Gagarin
Die Mauer
Stubenappell
Herbstferien
Eifersucht
Schulalltag
Rache ist süß
Der Chorleiter
Meine erste Ohrfeige
Tod
Toro
Mein erster BH
Gefährliche Bootsfahrt
Erzieher in Not
Unterschied zwischen Ost und West
Ausgenutzt
Winterferien
Die Liebe wird probiert
Bei den Bäckersleuten
Westbesuch zu Ostern
Jugendweihe
Mein erster Kuss
Jugendwerkhof
Wo ist meine Schwester?
Was soll ich werden?
Ferieneinsatz
Einsamkeit
Krankenhaus
Abschied vom Heim
Auszug aus dem Heim
Im Jugendwohnheim
Die Fabrik
Berufsschule
Freizeit
Tag der Republik
Die Mao-Plakette
Buchenwald
Vormilitärische Ausbildung
Vorweihnachtszeit
Verdacht
Weihnachten 1963
Gedanken
Potsdam
Hausarrest
Eine Enttäuschung und ein Entschluss
Mein »erstes Mal«
Tanzabend
Freundin Marie
Mein erster Freund
Die Verwandten
Wiedersehen mit Antje
Parteitag
Schwanger
Ein kleiner Denkzettel
Im Müttererholungsheim
Die Entbindung
Mutterpflichten
Wieder im Mütterheim
Abschied
Das Kinderheim
Pressestimmen zur Erstausgabe 1992
Dieses Buch ist Berko, Christoph, Stefanie und
Lina sowie allen Kindern und Jugendlichen
gewidmet – Kinder vergessen nichts
von Hildigund Neubert
Ursula Burkowski ist eines von bisher ungezählten Heimkindern der DDR. Das System der Kinderheime war das Versuchslabor für Margot Honeckers Ziel, die vollwertige sozialistische Persönlichkeit zu schaffen. Das Kinderheim Königsheide war die Vorzeigeeinrichtung.
In allen DDR-Kinderheimen galten die Prinzipien der Kollektiv-Erziehung. Vergehen der Einzelnen wurden an der Gruppe geahndet, die den Druck ungebremst und unter den Augen der Erzieher an die Einzelnen weitergab. Zuwendung, Entfaltung von Kreativität und individuelle Förderung hatten in diesem Konzept kaum Raum. Einzelne Erzieher, die dies versuchten, waren bald versetzt oder gefeuert.
Die »Königsheide« war nicht das schlimmste Heim. Alle Heimkinder wussten, es kann schlimmer kommen: Spezialkinderheime, Jugendwerkhof, Geschlossener Jugendwerkhof Torgau. Aber an der kalten Realität dieses Vorzeigeheimes der sozialistischen Volksbildung wird deutlich, in welchem Maß die Kinder zum Objekt eines Umerziehungsexperimentes wurden. Eigensinn und Individualität wurden gebrochen, sie störten den Erziehungsprozess. Es ging um die Produktion funktionierender Arbeitskräfte für den Produktionsprozess.
Die sozialistische Heimerziehung hinterließ tiefe Spuren, die entlassenen Jugendlichen hatten Schwierigkeiten, Beziehungen aufzubauen und sich im Alltag zurechtzufinden. Ganz zwangsläufig landet auch das neugeborene Kind der Protagonistin im Heim.
Ursula Burkowski öffnet uns ihr Herz, weil sie für die Kinder, die heute in Heimen leben, etwas verändern, Verständnis wecken will. Wir aber können aus diesem Buch auch sehen, wie die kommunistische Diktatur Menschen deformiert hat, im Kinderheim, aber auch in der Erziehungsdiktatur, die die DDR insgesamt war. Wir haben die Aufgabe, Wege der Heilung dieser Schäden zu suchen und denen, deren Seelen so früh beschädigt wurden, heute ein Leben in Würde zu ermöglichen – endlich.
Hildigund Neubert, Landesbeauftragte des Freistaats Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR
Vorwort zur
Neuausgabe 2011
Nachdem »Weinen in der Dunkelheit« 1992 erstmals erschienen war, erreichten mich zahlreiche Briefe aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, aus Italien und der Türkei. So wurde das Buch auch ins Italienische übersetzt, und Güzin Özkan schrieb zu ihrer Diplomarbeit: »Ich wünsche mir, dass dieses Werk in türkischer Sprache erscheint und besonders von Eltern, die ihre Kinder verlassen haben, gelesen wird.«
Das Thema Heimkinder beschäftigt viele Menschen. Mein Buch veranlasste Betroffene und Interessierte, mir zu schreiben. Leider ist es mir nicht möglich, allen zu antworten. Doch ich möchte mich auf diesem Wege bei allen bedanken, die sich bei mir gemeldet haben – besonders bei den Kindern und Jugendlichen, die den Mut hatten, über ihre Probleme zu reden, oder die sich ganz einfach dem Thema Heimkind gestellt haben.
Es gab aber auch immer wieder Anfeindungen von Seiten ehemaliger Pädagogen, die an ihren Erziehungsmethoden bis heute nichts Verwerfliches finden.
Jedoch überwog die Zustimmung von Lehrern und Erziehern, die im Nachhinein ihre Arbeitsweise mit Kindern in Frage stellten.
Dennoch blieb bis heute vieles im Dunkeln. Ein böses Wort, eine schlechte Handlung gegenüber einem Kind können prägend sein und das ganze spätere Erwachsenenleben beeinflussen.
Ich wünsche mir, dass alle Pädagogen und die, die sich dazu ausbilden lassen, begreifen, dass ihnen anvertraute Kinder in liebevoller Sorge und Respekt besser gedeihen als mit Willkür und Missbrauch.
Ursula Burkowski, Berlin 2010
In diesem Buch schreibe ich über meine schwierige Kindheit und Jugend.
Als ich mit zehn Jahren lernte, meine Umwelt zu begreifen, nahm ich mir vor, alles einmal aufzuschreiben. Mein erstes Tagebuch hatte ich mit 1 4 Jahren. Es ist von einem Freund, der eifersüchtig war, zerrissen worden.
1989 flüchteten viele Eltern ohne ihre Kinder durch die plötzlich offene Grenze in den Westen. Die Heime füllten sich mit verlassenen Kindern. Nun stand mein Entschluss fest: Ich muss allen Menschen zeigen, wie Kindern und Jugendlichen, die ohne Elternhaus aufwachsen, zumute ist. Denn wer weiß das schon? Wer macht sich schon Gedanken darüber, warum Kinder, wenn man sie befragt, über sich selbst schweigen?
Mancher jugendliche Leser wird sich in meinem Buch wiederfinden, trotzdem ist es eher ein Buch für Erwachsene. Aufmerksam gelesen, trägt es dazu bei, Verständnis für diese Kinder und Jugendlichen zu wecken, die es mit ihrer Umwelt und sich selbst schon schwer genug haben.
Ursula Burkowski, Berlin 1991
So könnte es gewesen sein
Ost-Berlin 1953. Eilig läuft die Frau durch den kalten Dezemberregen. Sie weiß, das ist ihre letzte Chance: Wenn sie die nicht nutzt, muss sie wieder ins Gefängnis.
Endlich, der Bahnhof! Die S-Bahn steht schon da. Hoffentlich kommt keine Polizeikontrolle, denkt sie und geht schneller. Gerade noch rechtzeitig erreicht sie den Wagen, denn da fährt der Zug auch schon los, Richtung West-Berlin.
Erleichtert lässt sie sich in einer Ecke auf die harte Holzbank fallen. Sie schaut in die dunkle Nacht und spürt Schadenfreude in sich aufsteigen. Das Leben noch einmal neu beginnen, ohne die Vergangenheit, das ist ihr Ziel.
Zufrieden betrachtet sie ihr Spiegelbild im Fenster, sie ist noch immer eine schöne Frau. Als der Zug hält, hört sie: »Lehrter Bahnhof«, erste Station in West-Berlin.
Langsam geht der alte Mann durch die gottverlassene Gegend von Kaulsdorf. Ob seine Tochter es am Heiligabend den Kindern gemütlich gemacht hat? Er ist sich nicht sicher. Zu oft hat er die Kinder allein vorgefunden. Die Angst um seine Enkel treibt ihn hastiger vorwärts.
Erschöpft von der Anstrengung des langen Fußmarsches, erreicht er das einsame Haus am Bahngelände. Fast gespenstisch hebt es sich in der trüben Dämmerung gegen den Himmel ab. In den Fenstern brennt kein Licht, die Angst schnürt ihm fast das Herz ab. Also doch! Leise ruft er nach den Kindern. Erleichtert sieht er das schwarze Loch eines geöffneten Oberfensters. Er ruft noch einmal, diesmal lauter, dann hört er die Stimme seines ältesten Enkels.
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