DER ZORN
Eine Hommage
Herausgegeben von Helmut Ortner
© 2012 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe
info@zuklampen.de· www.zuklampen.de
Umschlaggestaltung: Rudolfo Blazek, Frankfurt
www.blazekgrafik.de
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013
ISBN 9783866741966
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
»Zorn macht langweilige Menschen geistreich.«
Francis Bacon
»Der Mut-Mensch kennt den Zorn.
Der Furcht-Mensch die Wut und den Ärger.«
Walter Rathenau
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TITELSEITE DER ZORN Eine Hommage Herausgegeben von Helmut Ortner
IMPRESSUM © 2012 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe info@zuklampen.de · www.zuklampen.de Umschlaggestaltung: Rudolfo Blazek, Frankfurt www.blazekgrafik.de 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013 ISBN 9783866741966 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de › abrufbar.
ZITATE »Zorn macht langweilige Menschen geistreich.« Francis Bacon »Der Mut-Mensch kennt den Zorn. Der Furcht-Mensch die Wut und den Ärger.« Walter Rathenau
HELMUT ORTNER Von der Freiheit, sich zu erzürnen HELMUT ORTNER Von der Freiheit, sich zu erzürnen Der Zorn hat keinen guten Ruf. Wenn bis vor kurzem davon die Rede war, erweckte das Wort in uns allenfalls antiquierte Assoziationen wie den Zorn Gottes oder wir haben wir das Wort im Sinn von Jähzorn gebraucht, einer Unbeherrschtheit, die wir allenfalls widerspenstigen Kindern zubilligen, mitunter haben wir es in Zusammenhang mit wütenden, altersgereiften Senioren-Wutbürger gebraucht, die gegen den Abriss von Bahnhöfen demonstrieren. Zu beobachten ist: wo es zu individuellen und kollektiven Zornesausbrüchen kommt, treten Begriffe wie die eher klinische Aggression einerseits oder die Empörung andererseits an die Stelle des Zorns. »Mit Aggression hat man einen nahezu technischen Ausdruck in Umlauf gebracht, der den Affektausbruch auf ein letztlich zu therapierendes oder sozialpädagogisch beherrschbares Phänomen reduziert hat«, heißt es scharfsinnig in einem Einführungstext zu einer Tagung des Potsdamer Einstein Forums. Genau so ist es. Und was ist mit der Empörung – so etwas wie die mutlose Schwester des Zorns? Wenn uns etwas empört, dann ist ein Unrecht geschehen, das sich rational aufzeigen lässt. Empörung scheint damit immer auch ein Eintreten für die richtige Seite zu meinen. Das Urteil über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit einer Handlung oder einer Situation steht hier im Mittelpunkt, weniger die emotionale Schubkraft, mit der sie sich äußert. »Grundsätzlich sind wir, im produktiven Sinn, gar nicht mehr zornig, sondern nur noch beleidigt«, behauptet Julia Encke. Und so dominieren lautstarke Wutbürger und belastbare Empörte den öffentlichen Diskurs, richtiger: die mediale Wirklichkeit. Und was ist mit all den Montagsdemos, Protesten für Nachtflugverbot und gegen Autobahntrassen, diesen landesweiten Protest-Ritualen, die, nicht selten begleitet von düsterer Untergangs-Rhetorik, die Bürger-Demokratie (»Wir sind das Volk«) beschwören? Handelt es sich hierbei um gemeinsame Zorn-Erfahrungen oder sind sie allenfalls kollektiver Ausdruck einer »schimpfenden Weltbetrachtung«, wie Nietzsche es nannte? Einigen wir uns darauf: Zorn ist ein komplexes und manchmal auch ein widersprüchliches Phänomen, das sich aus den unterschiedlichsten Quellen speist. Bürgerzorn, Volkszorn, Wählerzorn, Götterzorn – der Zorn kommt in vielerlei Gestalt. Wann aber ist ein Zorn ein gerechter? Wann ist er blind und destruktiv? Wann nur Attitüde und Pose – wann Ausdruck einer Haltung?
Gottesfurcht und Zorngefühle
Verändern wollen der Welt
Die Kultur des Zorns
JUTTA LIMBACH Zorn – Europas erstes Wort
Der Zorn und die Wut
Zorn als positive Antriebskraft
Zorn als Todsünde oder Laster
Mit Zorn und Zärtlichkeit
Der Volkszorn
Die Zukunft den Sanftmütigen?
JÜRGEN WERNER Der Zorn oder: Wie die Unterwelt den Kopf regiert
UTE FREVERT Zorn und Ehre – Eine geschlechterhistorische Perspektive
Zorn und Ehre
Zorn, Ehre und Geschlecht
Die »Zivilisierung« des Zorns
Fazit und Ausblick
WOLF LOTTER Furor Teutonicus oder: Der deutsche Wutbürger. Eine Legende
Der erste Eindruck
Deutsche Wut
Leise Killer
Verwaltungsmassenmörder
Die Wut-Lüge
PETER GLASER Der Zorn der Zeit
Eine neue Arena
Auftritt der Gladiatoren: Gefühle
Desorientierung und neue Wutlust
Wutbürger
Ausweichen, Abschalten
Zivilisierte Zornverarbeitung
Zorn-Zonen
UWE WITTSTOCK Die Dichter des Zorns - Literatur über einen Erregungszustand
CLAUS LEGGEWIE Zorn, Gabentausch, Schuldenerlass. Utopische Gedanken aus aktuellem Anlass
1.
2.
3.
CHRISTIAN NÜRNBERGER Weihe eines Zornigen – und die weltgeschichtlichen Folgen
JÜRGEN BUSCHE »Zorn« und Homer
ALAN POSENER Rückblick auf einen Tag des Zorns
BASCHA MIKA Dumme Wut – kluger Zorn
-
MICHEL DE MONTAIGNE Über den Zorn Ein aktuelles Nachwort, verfasst zwischen 1571 und 1580
ANMERKUNGEN UND QUELLEN
AUTORINNEN UND AUTOREN
AUS DER REIHE »ESSAY« BEI ZU KLAMPEN!
HELMUT ORTNER
Von der Freiheit, sich zu erzürnen
Der Zorn hat keinen guten Ruf. Wenn bis vor kurzem davon die Rede war, erweckte das Wort in uns allenfalls antiquierte Assoziationen wie den Zorn Gottes oder wir haben wir das Wort im Sinn von Jähzorn gebraucht, einer Unbeherrschtheit, die wir allenfalls widerspenstigen Kindern zubilligen, mitunter haben wir es in Zusammenhang mit wütenden, altersgereiften Senioren-Wutbürger gebraucht, die gegen den Abriss von Bahnhöfen demonstrieren. Zu beobachten ist: wo es zu individuellen und kollektiven Zornesausbrüchen kommt, treten Begriffe wie die eher klinische Aggression einerseits oder die Empörung andererseits an die Stelle des Zorns. »Mit Aggression hat man einen nahezu technischen Ausdruck in Umlauf gebracht, der den Affektausbruch auf ein letztlich zu therapierendes oder sozialpädagogisch beherrschbares Phänomen reduziert hat«, heißt es scharfsinnig in einem Einführungstext zu einer Tagung des Potsdamer Einstein Forums. Genau so ist es. Und was ist mit der Empörung – so etwas wie die mutlose Schwester des Zorns? Wenn uns etwas empört, dann ist ein Unrecht geschehen, das sich rational aufzeigen lässt. Empörung scheint damit immer auch ein Eintreten für die richtige Seite zu meinen. Das Urteil über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit einer Handlung oder einer Situation steht hier im Mittelpunkt, weniger die emotionale Schubkraft, mit der sie sich äußert. »Grundsätzlich sind wir, im produktiven Sinn, gar nicht mehr zornig, sondern nur noch beleidigt«, behauptet Julia Encke. Und so dominieren lautstarke Wutbürger und belastbare Empörte den öffentlichen Diskurs, richtiger: die mediale Wirklichkeit.
Und was ist mit all den Montagsdemos, Protesten für Nachtflugverbot und gegen Autobahntrassen, diesen landesweiten Protest-Ritualen, die, nicht selten begleitet von düsterer Untergangs-Rhetorik, die Bürger-Demokratie (»Wir sind das Volk«) beschwören? Handelt es sich hierbei um gemeinsame Zorn-Erfahrungen oder sind sie allenfalls kollektiver Ausdruck einer »schimpfenden Weltbetrachtung«, wie Nietzsche es nannte? Einigen wir uns darauf: Zorn ist ein komplexes und manchmal auch ein widersprüchliches Phänomen, das sich aus den unterschiedlichsten Quellen speist. Bürgerzorn, Volkszorn, Wählerzorn, Götterzorn – der Zorn kommt in vielerlei Gestalt. Wann aber ist ein Zorn ein gerechter? Wann ist er blind und destruktiv? Wann nur Attitüde und Pose – wann Ausdruck einer Haltung?
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