Der Zorn

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Der Zorn hat keinen guten Ruf. Wir kennen nur noch die ressentimentgeladene Variante eines 'gerechten Zorns', der auf Vergeltung sinnt, es dem Anderen heimzahlen will. Mit Zorn assoziieren wir den 'Zorn Gottes' oder den Affektausbruch mythologischer Heroen, allenfalls gebrauchen wir das Wort noch im Sinn von Jähzorn, einer Unbeherrschtheit. An die Stelle des Zorns sind Begriffe wie 'Aggression' oder 'Empörung' getreten. Die Essays in diesem Band thematisieren die unterschiedlichen Varianten des Zorns unter historischen und gegenwartsdiagnostischen Vorzeichen. Dabei geht es auch darum, die produktiven Seiten eines modernen Begriffs von Zorn auszuloten. Philosophische, psychologische, politische, sozialwissenschaftliche, kulturelle und moralische Aspekte des 'Zorns' werden miteinander in Beziehung gesetzt. Mit Beiträgen von Jürgen Busche, Ute Frevert, Peter Glaser, Claus Leggewie, Jutta Limbach, Wolf Lotter, Bascha Mika, Christian Nürnberger, Alan Posener, Jürgen Werner, Uwe Wittstock und mit einem Nachwort von Michel de Montaigne.

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DER ZORN

Eine Hommage

Herausgegeben von Helmut Ortner

2012 zu Klampen Verlag Röse 21 D31832 Springe infozuklampende - фото 1

© 2012 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe

info@zuklampen.de· www.zuklampen.de

Umschlaggestaltung: Rudolfo Blazek, Frankfurt

www.blazekgrafik.de

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

ISBN 9783866741966

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

»Zorn macht langweilige Menschen geistreich.«

Francis Bacon

»Der Mut-Mensch kennt den Zorn.

Der Furcht-Mensch die Wut und den Ärger.«

Walter Rathenau

Inhalt

COVER

TITELSEITE DER ZORN Eine Hommage Herausgegeben von Helmut Ortner

IMPRESSUM © 2012 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe info@zuklampen.de · www.zuklampen.de Umschlaggestaltung: Rudolfo Blazek, Frankfurt www.blazekgrafik.de 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013 ISBN 9783866741966 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de › abrufbar.

ZITATE »Zorn macht langweilige Menschen geistreich.« Francis Bacon »Der Mut-Mensch kennt den Zorn. Der Furcht-Mensch die Wut und den Ärger.« Walter Rathenau

HELMUT ORTNER Von der Freiheit, sich zu erzürnen HELMUT ORTNER Von der Freiheit, sich zu erzürnen Der Zorn hat keinen guten Ruf. Wenn bis vor kurzem davon die Rede war, erweckte das Wort in uns allenfalls antiquierte Assoziationen wie den Zorn Gottes oder wir haben wir das Wort im Sinn von Jähzorn gebraucht, einer Unbeherrschtheit, die wir allenfalls widerspenstigen Kindern zubilligen, mitunter haben wir es in Zusammenhang mit wütenden, altersgereiften Senioren-Wutbürger gebraucht, die gegen den Abriss von Bahnhöfen demonstrieren. Zu beobachten ist: wo es zu individuellen und kollektiven Zornesausbrüchen kommt, treten Begriffe wie die eher klinische Aggression einerseits oder die Empörung andererseits an die Stelle des Zorns. »Mit Aggression hat man einen nahezu technischen Ausdruck in Umlauf gebracht, der den Affektausbruch auf ein letztlich zu therapierendes oder sozialpädagogisch beherrschbares Phänomen reduziert hat«, heißt es scharfsinnig in einem Einführungstext zu einer Tagung des Potsdamer Einstein Forums. Genau so ist es. Und was ist mit der Empörung – so etwas wie die mutlose Schwester des Zorns? Wenn uns etwas empört, dann ist ein Unrecht geschehen, das sich rational aufzeigen lässt. Empörung scheint damit immer auch ein Eintreten für die richtige Seite zu meinen. Das Urteil über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit einer Handlung oder einer Situation steht hier im Mittelpunkt, weniger die emotionale Schubkraft, mit der sie sich äußert. »Grundsätzlich sind wir, im produktiven Sinn, gar nicht mehr zornig, sondern nur noch beleidigt«, behauptet Julia Encke. Und so dominieren lautstarke Wutbürger und belastbare Empörte den öffentlichen Diskurs, richtiger: die mediale Wirklichkeit. Und was ist mit all den Montagsdemos, Protesten für Nachtflugverbot und gegen Autobahntrassen, diesen landesweiten Protest-Ritualen, die, nicht selten begleitet von düsterer Untergangs-Rhetorik, die Bürger-Demokratie (»Wir sind das Volk«) beschwören? Handelt es sich hierbei um gemeinsame Zorn-Erfahrungen oder sind sie allenfalls kollektiver Ausdruck einer »schimpfenden Weltbetrachtung«, wie Nietzsche es nannte? Einigen wir uns darauf: Zorn ist ein komplexes und manchmal auch ein widersprüchliches Phänomen, das sich aus den unterschiedlichsten Quellen speist. Bürgerzorn, Volkszorn, Wählerzorn, Götterzorn – der Zorn kommt in vielerlei Gestalt. Wann aber ist ein Zorn ein gerechter? Wann ist er blind und destruktiv? Wann nur Attitüde und Pose – wann Ausdruck einer Haltung?

Gottesfurcht und Zorngefühle

Verändern wollen der Welt

Die Kultur des Zorns

JUTTA LIMBACH Zorn – Europas erstes Wort

Der Zorn und die Wut

Zorn als positive Antriebskraft

Zorn als Todsünde oder Laster

Mit Zorn und Zärtlichkeit

Der Volkszorn

Die Zukunft den Sanftmütigen?

JÜRGEN WERNER Der Zorn oder: Wie die Unterwelt den Kopf regiert

UTE FREVERT Zorn und Ehre – Eine geschlechterhistorische Perspektive

Zorn und Ehre

Zorn, Ehre und Geschlecht

Die »Zivilisierung« des Zorns

Fazit und Ausblick

WOLF LOTTER Furor Teutonicus oder: Der deutsche Wutbürger. Eine Legende

Der erste Eindruck

Deutsche Wut

Leise Killer

Verwaltungsmassenmörder

Die Wut-Lüge

PETER GLASER Der Zorn der Zeit

Eine neue Arena

Auftritt der Gladiatoren: Gefühle

Desorientierung und neue Wutlust

Wutbürger

Ausweichen, Abschalten

Zivilisierte Zornverarbeitung

Zorn-Zonen

UWE WITTSTOCK Die Dichter des Zorns - Literatur über einen Erregungszustand

CLAUS LEGGEWIE Zorn, Gabentausch, Schuldenerlass. Utopische Gedanken aus aktuellem Anlass

1.

2.

3.

CHRISTIAN NÜRNBERGER Weihe eines Zornigen – und die weltgeschichtlichen Folgen

JÜRGEN BUSCHE »Zorn« und Homer

ALAN POSENER Rückblick auf einen Tag des Zorns

BASCHA MIKA Dumme Wut – kluger Zorn

-

MICHEL DE MONTAIGNE Über den Zorn Ein aktuelles Nachwort, verfasst zwischen 1571 und 1580

ANMERKUNGEN UND QUELLEN

AUTORINNEN UND AUTOREN

AUS DER REIHE »ESSAY« BEI ZU KLAMPEN!

HELMUT ORTNER

Von der Freiheit, sich zu erzürnen

Der Zorn hat keinen guten Ruf. Wenn bis vor kurzem davon die Rede war, erweckte das Wort in uns allenfalls antiquierte Assoziationen wie den Zorn Gottes oder wir haben wir das Wort im Sinn von Jähzorn gebraucht, einer Unbeherrschtheit, die wir allenfalls widerspenstigen Kindern zubilligen, mitunter haben wir es in Zusammenhang mit wütenden, altersgereiften Senioren-Wutbürger gebraucht, die gegen den Abriss von Bahnhöfen demonstrieren. Zu beobachten ist: wo es zu individuellen und kollektiven Zornesausbrüchen kommt, treten Begriffe wie die eher klinische Aggression einerseits oder die Empörung andererseits an die Stelle des Zorns. »Mit Aggression hat man einen nahezu technischen Ausdruck in Umlauf gebracht, der den Affektausbruch auf ein letztlich zu therapierendes oder sozialpädagogisch beherrschbares Phänomen reduziert hat«, heißt es scharfsinnig in einem Einführungstext zu einer Tagung des Potsdamer Einstein Forums. Genau so ist es. Und was ist mit der Empörung – so etwas wie die mutlose Schwester des Zorns? Wenn uns etwas empört, dann ist ein Unrecht geschehen, das sich rational aufzeigen lässt. Empörung scheint damit immer auch ein Eintreten für die richtige Seite zu meinen. Das Urteil über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit einer Handlung oder einer Situation steht hier im Mittelpunkt, weniger die emotionale Schubkraft, mit der sie sich äußert. »Grundsätzlich sind wir, im produktiven Sinn, gar nicht mehr zornig, sondern nur noch beleidigt«, behauptet Julia Encke. Und so dominieren lautstarke Wutbürger und belastbare Empörte den öffentlichen Diskurs, richtiger: die mediale Wirklichkeit.

Und was ist mit all den Montagsdemos, Protesten für Nachtflugverbot und gegen Autobahntrassen, diesen landesweiten Protest-Ritualen, die, nicht selten begleitet von düsterer Untergangs-Rhetorik, die Bürger-Demokratie (»Wir sind das Volk«) beschwören? Handelt es sich hierbei um gemeinsame Zorn-Erfahrungen oder sind sie allenfalls kollektiver Ausdruck einer »schimpfenden Weltbetrachtung«, wie Nietzsche es nannte? Einigen wir uns darauf: Zorn ist ein komplexes und manchmal auch ein widersprüchliches Phänomen, das sich aus den unterschiedlichsten Quellen speist. Bürgerzorn, Volkszorn, Wählerzorn, Götterzorn – der Zorn kommt in vielerlei Gestalt. Wann aber ist ein Zorn ein gerechter? Wann ist er blind und destruktiv? Wann nur Attitüde und Pose – wann Ausdruck einer Haltung?

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