Nun waren wir bereit als Missionare nach Nord Missouri zu gehen und die Heiden zu unterrichten und ihnen alles über Dampf zu erzählen. Wir überquerten den Fluss mit einer Fähre, die von Pferden bzw. einem Laufrad gezogen wurde. Der Fährmann feuerte die Pferde mit dem Ruf „Wasser hoch, Wasser hoch!“ an. Innerhalb einer halben Stunde erreichten wir Illinois und setzten unseren Weg durch den Schlamm hindurch nach St. Louis fort. Wir mussten Führer engagieren, die uns durch die Sumpflandschaft von Illinois führte, da wir sonst bereits wenige Schritte abseits der Wege im Morast versunken und nie wieder herausgekommen wären.
Wir durchquerten Illinois ohne Zwischenfälle und näherten uns dem Ufer des Mississippi in Sichtweite von St. Louis, bestiegen eine dampfgetriebene Fähre und erreichten die sumpfigen Ufer auf der Seite von Missouri. Wir blieben ein, zwei Tage und suchten den Prediger der Methodistenkirche im Ort auf. Wie es Vaters Gewohnheit auf Reisen war, blieben wir bis Sonntag bei ihm. Ich meine, sein Name war Harmon. Er lieh sich ‚Bruder Stills‘ Geld – ganze $ 700. Vater akzeptierte seinen Schuldschein ohne jede Sicherheit, wobei das Geld in sechs Monaten zurückzahlt sein sollte. Wir brachen, begleitet von Bruder Harmons Gott segne euch! Richtung Macon County auf. Mutter hatte noch ein wenig Geld ($ 350). Dies war nun in den kommenden sechs Monaten oder noch länger unsere einzige Reserve in der Wildnis. Bruder Harmon zahlte Vater das Geld erst acht Jahre später zinslos zurück. In dieser Zeit lernte mein Vater, dass einige Prediger nicht von Gott, sondern genauso wie manche normale Menschen schäbige Lügner waren. Er war äußerst enttäuscht und wenig erfreut darüber, dass ein vorgeblicher Prediger ihn so hinters Licht geführt und ihm um das Geld betrogen hatte, das er während seiner Missionarstätigkeit in der Wildnis von Nord Missouri dringend für den Unterhalt seiner Familie benötigte. Bald brachen harte Zeiten über uns herein. Das Geld war alle, die Kleidung abgetragen und der Winter kam mit seiner ganzen Macht über uns. Als Schuhe machten wir uns Mokassins aus Hirschleder oder gingen barfuß, trugen Hirschlederhosen oder liefen mit nackten Beinen herum. Die tägliche Arbeit brachte 25 Cents. Ihr seht also, Geld zu machen, bedeutete sehr viel Arbeit.
Wie ich bereits in einem vorigen Kapitel erwähnt habe, gab es zunächst keine Schulen, Kirchen oder irgendeine der aus den alten Staaten bekannten Annehmlichkeiten. Wir mussten uns alles selber errichten oder viele Jahre lang ohne es auskommen. Aber wir hatten eine Menge Enthusiasmus mitgebracht und machten uns mit aller Kraft an die Arbeit.
Vater arbeitete mit uns drei Jungs während des ganzen Frühlings und zur Erntezeit verhalf er uns zu einem guten Start. Dann bestieg er sein Pferd und durchquerte die Prärie, um den Pionieren das Evangelium zu verkündigen. Gewöhnlich dauerten seine missionarischen Reisen sechs Wochen. In seiner Abwesenheit leitete Mutter die Farm und erledigte ihre Aufgaben so gut wie jeder andere auch. Sie spann, wob, schnitt Kleidung zu und nähte sie, schlachtete Schweine oder Rinder und machte es alles in allem so gut wie Vater; vielleicht sogar etwas besser, da sie die Situation immer fest im Griff hatte.
Vater war der erste Methodistenprediger in Nord Missouri und hielt dort die Stellung. Bis 1844, als sich die Methodistenkirche spaltete, errichtete er neben dem Predigen auch die ersten methodistischen Kirchen und Klassen. Diejenigen, die überzeugt waren, dass die Bibel die Sklaverei rechtfertigte, gründeten die Methodistenkirche Süd.
Vater glaubte nicht daran, dass ‚Sklaverei von Gott gewollt‘ war, und verweigerte sich der neuen Kirche. Komitees der Methodistenkirche Süd versuchten erfolglos ihn an sich zu binden. Er aber blieb bei der alten Kirche und predigte, dass Sklaverei eine Sünde sei, was seinen der Sklaverei wohl gesinnten Brüdern nicht behagen sollte. Er schloss sich der Iowa-Konferenz der Methodistenkirche an und wurde, so weit ich mich heute daran entsinnen kann, deren Vorsitzender Ältester. Seine Aufgabe war es, sich um die Methodisten von Missouri, ebenfalls Sklavereigegner, zu kümmern. Die Brüder der neuen Kirche ließen ihn wissen, dass er zu ihnen überlaufen oder Missouri verlassen müsse, da man seine Antisklaverei-Predigten nicht tolerieren könne. Er beachtete ihre Warnungen nicht und wurde nach einigen Jahren des Predigens in seinem alten Revier zu den Shawnee-Indianern nach Kansas gerufen. Dies beendete seinen Kampf in Missouri abrupt. Der letzte Teil der Auseinandersetzung in Missouri war geprägt von Bitterkeit, denn Teer und Federn waren in jener Zeit starke Argumente und sie wurden freigebig eingesetzt. Da sie aber nicht stark genug waren, machten sie schließlich dem Strick und der Kugel Platz.
Mein Vater war ein Mann strenger Überzeugungen, die er immer und an jeder Stelle verteidigte. Er stand stets für die Abschaffung der Sklaverei ein und kämpfte so lange dafür, bis er sie von jedem Fleck Nordamerikas getilgt sah, ob sie nun von Gott gewollt oder teuflisch war. Er starb zufrieden damit, dass er jeden Mann in seinem Land, ob schwarz oder weiß, noch frei gesehen hatte.
Ich könnte noch eine Menge aus seinem Leben in der Zeit zwischen 1844 und seinem Weggang nach Kansas berichten. Wie er oft angegriffen wurde und sein Spazierstock von religiösen Feinden, welche der Meinung waren, er solle doch lieber einen Speer zu seiner Verteidigung tragen, zerbrochen wurde. Ich könnte berichten von den heißen Kämpfen voller Vorurteile und kirchlicher Dispute, aber ich glaube, ich habe dem Leser genug berichtet, um ihm den Charakter dieses Mannes und der Zeit, in der er gelebt hat, ein wenig näher zu bringen.
In dem ich eine Frau nehme – Hausbasar – Ein zerstörerischer Hagelsturm – In der Wakarusa Mission – Trauer – Der Ärger mit den Sklavereibefürwortern – Ein gefährlicher Ritt – Drill der Sklavereibefürworter – Meine Erfahrung mit der Gesetzgebung
Die Tage des Schuljungen, die Tage jugendlicher Unternehmungen und sportlicher Aktivitäten gingen mit ihrer Unbeschwertheit vorüber und ich wurde zum Mann. Ich lasse meine weitere Schul- und medizinische Ausbildung aus und möchte hier nur erwähnen, dass ich – wie ‚mein Vater, der im Himmel ist‘ 14– dachte, es sei nicht gut, alleine zu bleiben. So ging ich auf Brautschau und war neugierig, wie die jungen Damen auf einen jungen, gut gekleideten Soldaten reagieren würden. Ich schulterte meine Waffe wie Bunyan und verbrachte meine Zeit so lange damit, bis ein liebendes Auge auf mich fiel. Hinter diesem Auge verbarg sich Mary M. Vaughn 15, die Tochter von Philamon Vaughn. Sie war wunderbar, zuvorkommend, aktiv, voller Liebe und gutem Menschenverstand. Sie liebte Gott und alle seine Wege. Nach wenigen Worten von Reverend Lorenzo Waugh im Haus ihrer Mutter am 29. Januar 1849 änderte sich ihr Name in Mrs. M. M. Still. Dem denkwürdigen Augenblick folgte ein gutes Abendessen und tags darauf ein Dinner mit dem damals üblichen ‚Hausbasar‘ bei meinem Vater. Nach diesen, für die Gesellschaft der Grenzlandbewohner so bedeutenden Formalitäten, brachte ich meine Gattin zu unserem neuen Heim auf einem 80 Hektar großen Grundstück und nur 1600 Meter von meinem alten Zuhause entfernt. Ich war jung und stark, arbeitete von früh bis spät, säte 60 Hektar Mais ein und pflegte ihn. Er war einfach wunderschön anzusehen, die Halme in Seide und mit Quasten behangen, und ich war sehr stolz darauf. Ich nahm an, dass ich schon bald meine Krippe mit Tausenden von Scheffeln gefüllt haben würde. Am Morgen des 4. Juli (der Tag den wir so gerne feiern), war ich voller Vorfreude und Hoffnung. Da zogen um drei Uhr nachmittags dunkle Wolken auf und um vier brach daraus 8 Zentimeter hoch der Hagel über jeden Hektar Mais hinunter. Er ließ keinen Halm auf den ganzen 60 Hektar stehen und tötete sämtliche Vögel und Kaninchen. Alles starb dahin. Irgendjemand tröstete mich und sich mit den Worten: „Der Herr liebt jene, die er züchtigt.“ 16
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