»Zum Beispiel in dem Teil, wo man nach dem langsamen ›Einigkeit und Recht und …‹ plötzlich schneller das Wort ›Frei-a-heit‹ singen müsste. Das rockt … so Kling Klang Klong auf die Glocke, dass sofort klar wird, was die musikalische Aussage ist – nämlich Freiheit muss man sich immer wieder neu erkämpfen. Zur Freiheit muss man sich immer wieder durchboxen … Und für das Glück das Gleiche. Eipert spielt die Zeile ›Blüh im Glanze dieses Glückes‹ genauso dynamisch und rockig wie schon die Freiheits-Phrase!«
Die Version passte zu Timo wie seine (Box-)Faust aufs Auge. Joseph Haydn möge mir diese Bearbeitung verzeihen, die Melodie der Hymne schrieb er im Jahr 1797 ursprünglich für ein Streichquartett als »Kaiserlied«.
Am 14. September 2012 war es dann soweit. Mit Live-Übertragung auf Sport1. Jetzt hieß es, sich zusammenreißen – bei dem Werk hatten sich bekanntlich schon richtige Musik-Größen vertan. Außerdem saßen nicht nur ne Menge Leute vorm Fernseher, ich hatte auch noch einige liebe Freunde zu dem Open Air eingeladen. Und DAS potenziert mein Lampenfieber dann um ein Vielfaches. Im Ring – Dr. Andreas Günther war der Ringsprecher und moderierte mich an.
Nochmal tief Luft holen und los!
Alles klappte! Applaus.
Später erfuhr ich, dass Werner Kastor live auf Sport1 zugeschaltet war und den Kampf kommentierte. Kastor ist übrigens promovierter Politologe und genießt als Box-Kommentator Kultstatus. Meine Musik kommentierte er auch: »Das war die beste Version der deutschen Nationalhymne, die ich bisher gehört habe. So ein bisschen mehr Tempo macht das Ding richtig gut!«
Leider musste der Kampf später wegen eines Unwetters und demzufolge aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden. Die Hanteln habe ich übrigens noch heute in den Händen, laufe fast jeden Morgen, und wenn die Klamotten mal wieder enger werden, beherzige ich den Ernährungsplan der »Deutschen Eiche« alias Timo Hoffmann, der als Veranstalter und Ringrichter dem Boxsport treu geblieben ist.
Parallelen von Sportlern und Musikern
Auf den ersten Blick sind diese Berufsgruppen komplett ungleich. Auf den zweiten Blick haben sie aber wesentlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufzuweisen. Das beginnt mit ganz profanen Alltagssachen.
Erkältungen zum Beispiel.
Sportler und Musiker passen höllisch auf, sich keinen Infekt einzuholen, sich nicht mal ansatzweise zu erkälten. Kurz vor einem großen Wettkampf könnte das für den Sportler unter Umständen das Aus bedeuten oder den Verlust der Medaille … Er braucht auf den Punkt alle seine Kräfte und darf keineswegs schwächeln. Sonst wären die Gegner nämlich schneller, weiter oder höher und würden die Titel holen. Ähnlich ist es bei Musikern. Wenn ein Sänger heiser ist, zwingt ihn das zur Absage seines Konzerts. Er würde riskieren, nicht nur an dem Abend zu krächzen, sondern sich die Stimmbänder vollends zu ruinieren und eventuell nie wieder zu singen. Sein Kapital ist nun mal die Stimme!
Wenn jemand bei der Büroarbeit hustet und schnupft, ist das zwar extrem unangenehm – ich als Bläser wäre allerdings arbeitsunfähig, könnte nicht auftreten. Ich bin von meiner funktionierenden Atmung extrem abhängig. Mit einer guten Grippe könnte ich nicht neunzig Minuten durchblasen, würde also dann kein Geld verdienen können.
Ähnlich ist es bei Verletzungen.
Vieles geht noch halbwegs, wenn auch nur noch auf abenteuerlichste Art und Weise. Ich traf mal einen Keyboarder, der war echt hart im Nehmen. Er brach sich beim Ausladen der Technik die Hand und quetschte sich zusätzlich noch den Finger. Und spielte mit seiner Band noch die gesamte Gala, wenn auch mit pharmazeutischen Hilfsmitteln. Ich fühlte total mit ihm – denselben Schmerz kannte ich von meiner Weihnachtstour mit gebrochenem Finger. So was geht bei Sportlern nur ganz schwer – sie müssen ja durch die Dopingkontrollen kommen, mit Schmerzmitteln undenkbar.
Aber zurück zu den Gemeinsamkeiten. Der innere Schweinehund ruft regelmäßig: »Genug geübt, genug trainiert.« Schön wär’s ja, aber wenn erst einmal die Frage »Üben oder nicht?« aufkommt, hat man schon verloren. Ein Profi überlegt nicht, er tut es routiniert. Man ignoriert den gelegentlich laut bellenden Schweinehund immer wieder neu, bis man ihn gar nicht mehr wahrnimmt. Künstler- und Sportberufe sind tiefe Passionen. Eigentlich zwar bitterharte Arbeit, aber das bleibt meist unbemerkt – man liebt diesen Beruf auf Ewigkeit oder man gibt mittendrin auf. Das mag eventuell auch daran liegen, dass man in Sport- und Künstlerbranchen mehr Persönliches öffentlich von sich preisgibt, als in anderen Berufen. Mehr Einsatz des eigenen Körpers, mehr Kreativität und urpersönliche Gedanken, mehr Gefühl, das unter künstlerischem Aspekt nach außen getragen wird, mehr private Seele.
Die meisten (Profi-)Sportler, Tänzer, Artisten und Musiker vereint diesbezüglich ein wesentlicher Vorteil – sie lernten von Kindheit an damit zu leben, auch mit eiserner Disziplin, Ehrgeiz und Biss. So manche »Sternchen« diverser Castingshows stolpern da von null auf tausend rein und dann … Hoppla!
Aber das steht wieder auf einem ganz anderen (Noten-)Blatt.
Der Grund der Namensgebung war eigentlich purer Zufall, oder besser ein Ärgernis der besonderen Art. Wie immer im Dezember stand ich während der Weihnachtstour unter einem extremen Zeitdruck. Erschwerend wirkten sich bei der Planung meine mangelnden geografischen Kenntnisse aus.
Oft genug jagte ich meine Techniker nachts stundenlang über die Autobahnen, um am nächsten Tag pünktlich am neuen Ort zu sein. Kleines Beispiel: 1. Tag Lanaken in Belgien, 2. Tag Hannover, 3. Tag Flensburg, 4. Tag Dresden und so weiter.
Das ging mit Fahrerwechsel immer ganz gut. Eines Tages wollte ich uns von Binz nach Linz schicken. Das klang für mich so ähnlich – also auch nicht weit entfernt. Ab diesem Tag streikten sie. Gut, ich wollte die Jungs behalten und wir führten gelegentliche Flüge ein.
Und nun wurde es kompliziert.
Es ging um die Strecke Berlin-Wien.
Beim Buchen der Tickets informierte ich mich gründlichst über die Gepäckverordnungen, das war wichtig wegen des technischen Equipments. Dabei stellte sich auch heraus, dass das Handgepäck bei dieser Airline die Breite von 55 Zentimetern nicht überschreiten darf. Ich maß meinen Saxophonkoffer, der war 69 Zentimeter breit. Man teilte mir mit, dass dieser dann in den Gepäckraum muss. Logischerweise kam der Platz für mein Sax nicht in Frage. Niemals reist mein Saxophon im Bauch des Flugzeuges.
Ich sah es schon lebhaft vor mir: Mein Saxophon, geworfen wie ein Klamottenkoffer, stürzend auf Ecken und Kanten, lieblos geschleudert aufs Transportband.
Bei diesem Gedanken hatte ich Flugzeuge in meinem Bauch (oder besser Tarnkappenbomber)!
Einige Kollegen meinten: »Wir fliegen regelmäßig mit Saxophon- und Gitarrenkoffern. Das hat trotz Übermaßen immer als Handgepäck geklappt. Die messen nie nach.«
Aber das Risiko war mir zu hoch. Was, wenn die Kontrollen beim Rückflug anders sind und ich das Sax nicht als Handgepäck zurücknehmen könnte? Gepäckraum und Handgepäckvariante fielen aus. Gut, dann bekam es eben einen Sitzplatz mit eigenem Ticket. Ein eigenes Ticket erforderte aber einen eigenen Namen. Einfach nur »Das Saxophon« ging nicht, meinte die Dame an der Hotline.
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