Die Maske hatte echt großartige Arbeit geleistet, die Frisur hielt wie ursprünglich gedacht und das Make-up sah aus, als würde ich mich völlig normal fühlen. Dass meine Garderobe inzwischen komplett nassgeschwitzt war, konnte der TV-Zuschauer weder sehen noch riechen.
Nur die Luft wurde irgendwann knapp. Aber gut, darauf war ich ja trainiert.
Doch eine winzige Kleinigkeit hatte ich nicht bedacht: Meine Hände waren auch nassgeschwitzt.
An einem ganz bestimmten Punkt im Lied musste der Ballon wirkungsvoll knallen und ich in voller Schönheit weiter spielen.
Da ich das musikalische Arrangement kannte wie kein zweiter, sollte ich den Ballon zum Knallen bringen. Dafür hatte ich im Kleid eine Nagelfeile befestigt, die ich nur kurz raus ziehen und in den Ballon stechen musste. Eigentlich ein guter Plan. Wenn da nicht die nassen Hände gewesen wären. Die dämliche Nagelfeile rutschte durch meine Finger, noch bevor sie den Ballon auch nur annähernd erreichte. Ich versuchte kurz, durch einen kräftigen Boxschlag den Knall zu erzwingen – aber auch das ging schief. Panik setzte ein.
Da hatte ich es bis zu einer Musiksendung geschafft und sollte trotz neuem Kleid und perfekter Maske die Sendung als Silhouette im Gummiballon verbringen? Nun, es sah fast so aus.
Der Regisseur, Axel Müller-Hönow, gab mir noch eine einzige Chance, ansonsten wäre der Beitrag vielleicht sogar komplett aus der Sendung geflogen. Diesen Umstand bekamen natürlich auch die Tänzer vom Fernsehballett mit.
Der gutaussehende Solotänzer kam mir zu Hilfe! Er meinte tiefenentspannt: »Kathrin, ich weiß, wann der Ballon knallen muss. Gib mir die Nagelfeile, ich drehe tanzend ein und steche zu.« Solche Menschen, die mit einem Satz meine (mir auch durchaus anzusehende) Verzweiflung in Lachen auflösen können, sind echt Gold wert.
Ich ging Stunden später also wieder in den Ballon, logischerweise noch mehr schwitzend als sonst – wegen Aufregung pur! Mein Herz schlug so sehr, dass mein (zusätzlich wärmender) Pushup-BH nicht nötig gewesen wäre.
Es kam diese Stelle im Lied – und – JA!
Er knallte punktgenau, die mir entgegen kommende warme Studioluft empfand ich kühlender als einen Polarsturm und spielte erfrischt, zufrieden und überglücklich weiter.
Bei der After-Show-Party war dann auch ich tiefenentspannt. Außerdem war es mir eine Freude, bei einem Glas Sekt mit den Höhnern zu plaudern. Und in der Künstlergarderobe hatte ich mit Veronika Fischer und Margot und Maria Hellwig eine Menge Spaß …, klar, wenn vier Blondinen sich die Garderobe teilen …!
Zu Gast im Mittagsmagazin
Ich bekam die erste Einladung ins Mittagsmagazin »MDR um zwölf«. Das bedeutete: Ich durfte als Studiogast der charmanten Moderatorin Andrea Horn gegenübersitzen, über neue Projekte mit dem Saxophon und meine Arbeit als Saxophon-Lehrerin mit den Kindern und Jugendlichen erzählen. Natürlich bereitete ich mich darauf vor und überlegte, was das Publikum interessieren könnte.
Einer meiner Lebensgrundsätze ist: »Unterschätze niemals dein Publikum!« Ich glaube, dass das ein grober Fehler wäre. Die Leute, die mir zuhören, will ich auch begeistern. Und JEDER kann Musik beurteilen, völlig unabhängig von der eigenen Musikalität. Ich vergleiche es gern mit einem Bäcker. Wenn ich seinen Kuchen esse, kann ich ja auch sagen, ob er mir gut schmeckt oder nicht. Dafür muss ich nicht selbst backen können. Und so ist es auch mit der Musik. Außerdem merken die Zuschauer ganz schnell, wenn Sie verarscht werden. Die Leute sind ja nicht dumm.
Also brauchte ich, um die Zuschauer nicht zu langweilen, schon die Ordnung in meinem Kopf – was ist wichtig, was unwichtig. Zufällig kündigte sich in unserem Haus kurz vorher Besuch an, nämlich Wolfgang Winkler. Wolfgang spielte in der Krimiserie »Polizeiruf 110« neben Jaecki Schwarz den Hauptkommissar Schneider und hatte mir Galaxien von Erfahrungen bei TV-Interviews voraus. Also erzählte ich Wolfgang von meiner Einladung und bat ihn um Hilfe. Als erstklassiger Schauspieler fing er an zu zelebrieren, er erzählte voller Betonung über Gott und die Welt und war richtig in einer Rolle drin, ich hörte ihm zu gern zu!
Plötzlich kam der entscheidende Tipp: »Sag doch einfach: FRAUEN BLASEN BESSER – leg eine kurze Atempause ein, und sprich dann weiter – DAS SAXOPHON!«
Wolfgang trug das alles vor wie ein Theaterstück von Berthold Brecht und aus seinem Mund klang es total seriös und klug, richtig weise! Fast so, als würde ich Helmut Schmidt zuhören. Ich war begeistert von seiner Schauspielerei und speicherte seine Worte in meinem Hinterkopf ab.
Magdeburg, Landesfunkhaus.
Die Maske schaffte es, mein Gesicht kameratauglich zu schminken und ich fühlte mich großartig. Matthias Makosch, der verantwortliche Redakteur, war eine Seele von Mensch und Moderatorin Andrea Horn (ich mag sie sowieso) nahm mir wie immer das Lampenfieber durch ihre lockere Ausstrahlung.
Irgendwann fragte sie mich dann, ob das Instrument nicht ungewöhnlich für eine Frau sei. In diesem Augenblick fiel mir Wolfgangs Vortrag ein und ich polterte los: »Sehen Sie, es ist so … Frauen blasen besser – das Saxophon«.
Ich merkte schlagartig, dass es bei mir nicht wirklich klug und weise rüberkam. Ich merkte auch, dass sogar Andrea irritiert war und kurz nach einer passenden Antwort suchen musste.
Ich sah sofort ein, dass ich mächtig Mist erzählt hatte. Und war wieder um eine Erfahrung reicher: Jemanden kopieren zu wollen, kann richtig schiefgehen. Und – warum wollte ich eigentlich eine Kopie spielen – wenn ich doch als bemerkenswertes Original auf die Welt kam! Heute lachen wir natürlich über diese Geschichte und manche Dinge passieren nun mal …
Viel Zeit zum Ärgern hatte ich auch nicht. Noch am gleichen Tag führte mein Weg 600 Kilometer weiter nach Friedrichshafen, zur Generalprobe für den Weltkonzern EADS Astrium. Ich war am nächsten Tag zur Eröffnungsshow der Tagung über die neuesten Entwicklungen der Luft- und Raumfahrttechnik gebucht. Nicht wirklich mein Fachgebiet. Abendsprache war englisch und ich hatte von dem Thema nicht mal in Deutsch eine Ahnung. Also bereitete ich mich auf meine Englisch-Moderation sicherheitshalber auch die gesamte Autobahnfahrt vor.
Klar saß ich nicht selbst am Steuer. Bei allen Veranstaltungen begleitet mich ein Mann. Er fährt das Auto, er sitzt am Mischpult und regelt den Ton, er korrigiert mich durch Tipps, er macht Fotos für Facebook, er passt auf, dass ich nichts vergesse, er sorgt für Süßigkeiten im Auto und heißt Peter.
Peter schließt vorm Auftritt sogar meine Abendkleider – und er meckert dabei regelmäßig, wenn der Reißverschluss mal wieder etwas schwerer zu geht.
Aber das liegt daran, dass die Kleider durch SEINE eingepackten Süßigkeiten im Auto irgendwie einlaufen.
Peter ist oft an vielen Dingen schuld …!
Danny Dittrich gehörte zu den Künstler- und Konzertagenturen, die mich inzwischen regelmäßig buchten. Er sorgte so dafür, dass ich ebenso regelmäßig alle anfallenden Rechnungen im Alltag bezahlen konnte. Ich mochte ihn und schätzte ihn schon damals wegen seiner außergewöhnlichen Inszenierungen.
Eines Tages rief er an und meinte, für eine bestimmte Gala wäre etwas mehr Aufwand erforderlich. Ich sollte ein Lied speziell für seine neue Show produzieren. Er sagte: »Kathrinchen, das gewünschte Lied heißt Schwanensee!«
Oha, nun gut … Tschaikowskis Ballettmusik fand ich schon faszinierend. Schließlich handelt es von einer Prinzessin, die vom bösen Zauberer in einen wunderschönen Schwan verwandelt wurde. Und nur die bedingungslose Liebe eines Prinzen konnte diesen Zauber rückgängig machen. Ich fand es ein grandioses Thema, ein wahrer Diamant unter den Edelsteinen der Klassik. Und eine Melodie – bestens geeignet zum Interpretieren – also ganz großes Kino!
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