„Allergie: individuelle Änderung der immunologischen Reaktionsbereitschaft im Sinne einer übersteigerten, krankmachenden Immunantwort (Hyperreaktivität) gegen körperfremde Antigene (Allergene).“
Dass die Allergene „bei physiologischer Immunitätslage apathogen sind, also von sich aus keine Schädigung hervorrufen würden“, ändert nichts an der Tatsache, dass es diese „körperfremden“, also externen Stoffe selber sind, die, bei dem einen oder anderen Organismus früher oder später, das Immunsystem derart „sensibilisieren“, also belasten, dass es mit Überlastung, also einer Allergie reagiert. Die Häufigkeit von Allergien in Industrienationen erklärt sich durch die „ubiquitäre Verbreitung der Soforttypallergene... Allein Latexprodukte haben durch ihren Einsatz in der Medizin ... bereits bei über 10 % des Personals ... eine Sensibilisierung hervorgerufen.“ Weshalb es sich umgekehrt auch so verhält: „Bei Meidung des ursächlichen Allergens bessern sich die Symptome oder verschwinden gänzlich.“ Wird das „ursächliche Allergen“ aus welchen Gründen auch immer nicht gemieden, verselbständigt sich die Immunreaktion, die Entzündungsprozesse werden chronisch und heilen „selbst bei absoluter Allergenkarenz“ so ohne Weiteres gar nicht mehr aus.
„Bedingt durch chronische Entzündungsprozesse, vor allem infolge rezidivierender Allergenbelastung, entwickelt sich eventuell eine unspezifische Überempfindlichkeit der Schleimhäute ... die sich selbst bei absoluter Allergenkarenz erst nach Monaten zurückbildet. Die Identifikation des ursächlichen Allergens ist in diesen Fällen erschwert.“
Der Typ-II-Diabetes „gehört mit rund sechs Millionen Patienten und mit vermutlich ebenso vielen Menschen mit unerkanntem Diabetes oder hohem Risiko für diese Stoffwechselerkrankung zu den größten Volkskrankheiten in Deutschland“ (www.dzd-ev.de).
Er entsteht durch dauerhaft erhöhte Blutzucker- und Blutfettspiegel, denen in der Regel Überernährung zugrunde liegt, aber auch Stress lässt die Spiegel steigen. „Das Missverhältnis von Energiezufuhr und -verbrauch steigert die Konzentration an Fettsäuren im Blut, was wiederum die Glucoseverwertung in Muskel- und Fettzellen senkt.“ (S. Silbernagl; a.a.O., S. 308)
Das Hormon Insulin wird bei Blutzuckererhöhung nach der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet, dockt normalerweise an die Zellmembran – vornehmlich der Muskeln – an und führt dazu, dass der Zucker aus dem Blut in die Zellen aufgenommen und so für die Energiegewinnung bereitgestellt wird. Bei dauerhaft erhöhter Energiezufuhr werden die Zellen zunehmend gegen Insulin resistent und reagieren nicht mehr hinreichend durch Aufnahme des Zuckers auf das Hormon; der Blutzuckerspiegel bleibt erhöht. Dieser Effekt wird durch einen geringen Energieverbrauch der Muskelzellen verstärkt. In der Folge reagiert der Hormon-Regelkreis mit einer erhöhten Insulinausschüttung, was den Blutzuckerspiegel in der Regel hinreichend senkt, zugleich aber die Unempfindlichkeit der Zellen gegen das Insulin verstärkt. Einen qualitativen und problematischen Umschlag gibt es dann, wenn der Stoffwechsel dauerhaft mit einem Überangebot an Glukose konfrontiert wird – und/oder unter Stress mit einer permanenten Mobilisierung von Zucker aus seinen Speichern reagiert –, so dass die verminderte Insulinwirkung nicht mehr durch die vermehrte Ausschüttung kompensiert werden kann. Dann bleibt die Konzentration der Glukose im Blut dauerhaft hoch, worüber der Organismus an verschiedensten Stellen geschädigt wird. Schlimmstenfalls versagt die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse gänzlich.
„Alle Formen von Diabetes mellitus sind nach Manifestation der Erkrankung sowohl mit einer Sekretionsstörung als auch einer Insulinresistenz verbunden. Die resultierende Hyperglykämie verstärkt diese Störung und führt unbehandelt zur Glucosetoxizität, die einen Circulus vitiosus auslöst... Erste Hinweise für eine Insulinresistenz sind bereits viele Jahre vor der Diabetesmanifestation zu finden. Solange aber die Insulinresistenz durch eine gesteigerte Insulinsekretion kompensiert werden kann, ist sie wahrscheinlich ohne klinische Signifikanz. Erst wenn die Hyperinsulinämie aufgrund einer begrenzten Synthese- und Sekretionskapazität nicht mehr aufrechterhalten werden kann, kommt es zum Anstieg der Blutglucosespiegel und damit zum Ausbruch des Typ-2-Diabetes.“ (W. Siegenthaler; a.a.O., S. 83)
Der führt dann – wenn es nicht gelingt, ihn mit Medikamenten erfolgreich „einzustellen“ – zu Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, schwere Durchblutungs- und Wundheilungsstörungen, Erblinden und Nierenversagen.
Ein altbekannter, aber dafür nicht weniger verbreiteter Schlager der modernen Volkskrankheiten sind Muskel- und Skeletterkrankungen.
„Jeder Dritte, der zum Orthopäden geht ... tut dies wegen Rückenschmerzen... Viele von unspezifischen Rückenschmerzen Geplagte gehören der vergleichsweise jungen, jedenfalls mitten im Berufsleben stehenden Altersgruppe der 30- bis 50-Jährigen an.“ (Dieses wie das folgende Zitat aus: www.apotheken-umschau.de)
Dass das Volk so flächendeckend „Rücken hat“, ist „meist eine Folge ständiger Überstrapazierung oder Vernachlässigung des Rückens. Das erklärt sich durch ein wichtiges Prinzip der Muskelarbeit: das Zusammenwirken eines Spielers und Gegenspielers beziehungsweise entsprechender Muskelgruppen. Wenn Kraftakte bestimmte Spieler- oder Gegenspieler-Muskeln überfordern oder Inaktivität sie verkümmern lässt, kommt es zu Verspannungen, Überdehnungen, Verkürzungen und schließlich Schmerzen.“
Je nach individueller Robustheit der Gelenke und betriebenem Ausgleich kommt es deshalb auch früher oder später zu Gelenkschäden.
Chronische Atemwegserkrankungen sind ebenso weit verbreitet. Wer eine chronische Reizung seiner Atemwege lange genug aushält – „die Beschwerden entwickeln sich langsam über Monate bis Jahre“ –, hat gute Chancen auf eine nicht mehr ausheilbare Bronchitis. Werden die Bronchialschleimhäute durch Stäube, Schad- und Reizstoffe dauerhaft belastet, werden diese irreversibel geschädigt; bei fortdauernder Belastung kommt es zu einer chronifizierten Entzündung der Bronchien, in deren Folge Lungengewebe zerstört wird, so dass in der Lunge kein Gasaustausch, also keine regelrechte Atmung mehr stattfinden kann:
„Bei chronischer Reizung der Atemwege kommt es zu Umbauvorgängen mit Vermehrung seröser und muköser Drüsen und Zerstörung der normalen Schleimhautarchitektur. Die oralwärts schlagenden Zilien werden zunehmend zerstört und sind dann nicht mehr in der Lage, den Schleim aktiv zu transportieren. Dem Patienten mit schwerer chronischer Bronchitis dient dann nur noch der Hustenstoß als effektiver Clearencemechanismus. Kontraktion der Bronchialmuskulatur, entzündliche Infiltration der Bronchialschleimhaut ... führen zur chronischen Bronchialverengung, Bronchiektasenbildung und Instabilität der Atemwege. Durch die chronische Entzündung kommt es weiterhin zu einem Ungleichgewicht zwischen Proteasen ... und Antiproteasen … mit konsekutiver Zerstörung der terminalen Atemwege und Alveolarsepten. Folge ist ein Lungenemphysem.“ (H. Greten; a.a.O., S. 428 f.)
Immer mehr Menschen leiden an psychischen und psychosomatischen Störungen:
„Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat ... ermittelt, dass die Zahl der Krankschreibungen wegen der Zusatzkategorie Burn-out (Z73 im ICD-10-GM) seit 2004 um fast 700 Prozent gestiegen ist. In 85 Prozent dieser Fälle diagnostizierte der Arzt zusätzlich eine psychische oder körperliche Erkrankung.“ (Deutsches Ärzteblatt 2012; 109(24))
Woher die kommen, ist der Medizin nicht nur beim Burn-out – da steckt die Sache schon in der Bezeichnung – durchaus bekannt:
„So führten chronische Überforderung und Stress ... zu psychischen und psychosomatischen Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen, Rückenschmerzen, Tinnitus oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“ (Deutsches Ärzteblatt; a.a.O) 3)
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