Herbert Lipsky - Mord im Spital

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Während seiner Geburtstagsfeier erreicht Starchirurg Paul Leistenschneider ein Anruf aus dem Spital: Der prominente Fritz Lederer, Chef eines Pharmakonzerns, den er vor einigen Tagen operiert hat, ist völlig unerwartet verstorben. Der Gerichtsmediziner stellt einen zu hohen Kaliumspiegel im Blut fest, der zum Herzstillstand geführt hat – Polizei und Staatsanwaltschaft werden informiert. Nach anfänglichem Zögern schaltet sich Leistenschneider in die Ermittlungen ein und entdeckt schnell Parallelen zu anderen ungeklärten Sterbefällen. Ist im Spital ein Serienkiller am Werk? Oder führen die Spuren in die dunkle Welt der Pharmaindustrie? Aber auch schöne Frauen sind im Spiel.
Natürlich fehlen auch diesmal die eigenwilligen, bissigen Ansichten des Arztes nicht – über Graz, die Gesundheitspolitik oder über Gourmetrestaurants.

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Titel

Herbert Lipsky

Mord im Spital

Kriminalroman

Leykam

Die Handlung und alle im Roman vorkommenden Personen sind frei erfunden. Es gibt in Graz zwar eine große Klinik, aber Ereignisse wie die in diesem Buch beschriebenen haben dort bisher noch nie stattgefunden. Sie können sich also getrost weiterhin ins Spital begeben und sich dort behandeln lassen. Der Kaiser-Josef-Platz, die Thalia und das Café Promenade existieren natürlich auch, und es kann schon sein, dass dort ähnliche Gespräche und Vorkommnisse stattgefunden haben. Aber alle Übereinstimmungen sind rein zufällig.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Leserinnen und Leser hat der Held diesmal kurzzeitig den Pfad der Tugend verlassen. Nehmen Sie es ihm nicht übel!

Alles Gute zum Geburtstag

Am Morgen des Tages meines 45-jährigen Bestehens wachte ich früh auf. Die Feier dieses wichtigen Ereignisses findet jedes Jahr im Mai statt – eine Jahreszeit, bei der am Morgen so lautes Vogelgezwitscher herrscht, dass ein längeres Schlafen ohnehin unmöglich wird. Neuerdings krächzen aber auch Krähen. Ich stand also auf, ging noch im Pyjama in den Garten und streifte barfuß durch das taufeuchte Gras. Mit Wohlgefallen betrachtete ich die blühenden Blumen und Sträucher und stellte fest, dass wir heuer eine reiche Kirschenernte haben würden. Die Sonne schien bereits durch die Bäume. Ich ließ mich von ihr erwärmen, dachte nach und horchte in mich hinein: Von einer Midlife-Crisis nichts zu bemerken – ich war zufrieden und fühlte mich gut. Weit und breit nichts als Zufriedenheit, zufrieden mit der Familie, dem Beruf und mit meinem Freundeskreis. Kein Wunsch nach einer ­Änderung. Das war eigentlich pathologisch. Jeder Psychologe würde das abartig finden. Wahrscheinlich verdrängte ich nur mein Unglück, und mein Glücksgefühl war zwar ein angenehmer Zustand, aber nur Selbsttäuschung. Ohne Zweifel würde eine genügend lange Psychoanalyse dies aufdecken, es würden Zweifel aufkommen und mich so richtig unglücklich machen.

Ins Haus zurückgekehrt machte ich mir einen Espresso und setzte mich mit den Zeitungen auf die Terrasse. Nach einer Stunde gesellte sich Julia, meine geliebte Frau, zu mir. Sie gab mir einen Kuss und sagte: „Alles Gute zum Geburtstag.“ Ich dankte ihr, und dann kämpften wir uns beide schweigend durch die aktuellen innenpolitischen Skandale Österreichs.

Nach einer Weile fragte ich: „Welche Pflichten hast du heute für mich ausersehen?“

„Keine, mein Liebling. Alles ist organisiert. Zwei junge Damen werden mir helfen.“

Am Nachmittag erwarteten wir einige Freunde, die mit uns meinen Geburtstag feiern würden. Ich freute mich schon darauf – der Himmel war wolkenlos, das Wetter stabil, und wir würden alles unter freiem Himmel genießen können.

Später kam unsere kleine Tochter, ihr Schlaftier unter dem Arm. Ich bekam noch einen Kuss und eine wunderschöne Zeichnung in die Hand gedrückt. Darauf stand, umkränzt von Vergissmeinnicht: „Alles Gute zum Geburtstag, Papa! Ich habe dich lieb, Theresa.“

Was will ein Mensch mehr? Das Leben war schön und alles in bester Ordnung. Ins Spital würde ich heute nicht gehen. Ich bin nämlich Chirurg und kann mich nicht immer so leicht meiner Pflichten entziehen. Denn die Arbeit eines Chirurgen endet nicht mit der letzten Naht oder Klammer, mit denen er den Leib seines Patienten verschließt, sondern erst, wenn dieser das Spital geheilt verlassen hat. Eigentlich auch dann noch nicht, schließlich erwartet der Patient darüber hinaus auch noch, dass er gesund bleibt. Aber derzeit ging es allen meinen Frischoperierten gut, und ich musste mir keine Sorgen machen. So werkte ich am Vormittag ein bisschen im Garten, schnipselte an den Bäumen und Büschen herum (Julia mag es absolut nicht, wenn ich lange Äste zurechtstutze), entfernte einige abstehende Grasbüschel und hob kleine Zweige vom Boden auf. Alles, um auf die Gäste einen guten Eindruck zu machen. Einen perfekten Garten würden wir ohnehin nie haben.

Meine Schwiegermutter war gekommen, und aus der Küche drangen durch die offenen Fenster vielversprechende Düfte. Zu Mittag gab es nur einen Teller Suppe, denn am Nachmittag würden wir sowieso alle zu viel essen und trinken.

Um vier Uhr trafen die ersten Gäste ein, denen zwei junge Damen Drinks anboten. Unsere Freunde hatten sich im Garten und auf der Terrasse verteilt, im Haus ­lagen viele Geschenke. Um fünf waren alle gekommen und das Buffet wurde für den Ansturm freigegeben. Ich hatte nur ein Glas Wein getrunken, weil ich den Überblick bewahren und eine kleine Rede halten wollte. Es war bereits so laut, dass ich fast das Festnetztelefon überhörte, das schon eine Weile läutete. Der diensthabende Oberarzt meiner Abteilung war am Telefon.

„Herr Prof. Leistenschneider, Sie müssen sofort kommen, Herr Dr. Lederer ist gestorben!“

Ich stand da, wie vom Donner gerührt. Fritz Lederer war ein bekannter Industrieller, bei dem ich vor einigen Tagen eine komplikationsfreie Operation durchgeführt hatte. Er war bereits mobilisiert worden, es ging ihm gut, und er hätte bald nach Hause gehen sollen. Außerdem war ich auch privat mit ihm bekannt, seine Frau war eine Studienkollegin von mir.

„Ich komme sofort.“

Julia hatte mich am Telefon gesehen und musste an meinem Gesichtsausdruck gemerkt haben, dass irgendetwas vorgefallen war.

„Ich muss ins Spital, Lederer ist gestorben.“ Sie kannte ihn aus ihrer Kanzlei, sie ist Rechtsanwältin und hatte schon mehrere Rechtsgeschäfte für ihn erledigt.

Ich raste mit dem Auto ins Spital und stürmte die Treppen hinauf. Durch die offene Tür betrat ich das Krankenzimmer. Die Ärzte des Reanimationsteams waren gerade dabei, sich zurückzuziehen. Lederer lag blass im Bett, ein Tubus ragte aus seinem Mund, Schläuche führten zu einem Beatmungsgerät, das Schockgerät stand daneben. Mindestens acht Personen waren im Raum. Ich trat zu ihm und berührte ihn, sein Körper war noch warm. Im Raum herrschte totales Chaos, es sah wie ein Schlachtfeld aus, Schläuche, Tupfer, Injektionsspritzen lagen am Boden.

Der Anästhesist sagte zu mir: „Als wir zu ihm gerufen wurden, war er bereits tot. Seine Pupillen waren weit. Wir haben alles versucht.“

„Verfassen Sie bitte ein Protokoll und führen Sie alle Medikamente an, die Sie ihm gegeben haben.“

„Mach ich, selbstverständlich.“

Das Reanimationsteam räumte die Apparate aus dem Krankenzimmer. Ich ersuchte sie, alle Anschlüsse, die zum Patienten führten, zu belassen, ebenso die noch angeschlossene Infusion, dann ging ich ins Schwesternzimmer. Die diensthabende Schwester saß völlig gebrochen vor einer Tasse Kaffee.

„Wie ist es passiert?“, fragte ich sie.

„Seine Frau hat ihn besucht, sie sind am Gang auf und ab spaziert. Dann ist sie gegangen. Er kam zu mir und meinte, es wäre jetzt so weit und ich könne ihm nun seine Infusion geben. Er hätte das Antibiotikum eigentlich schon früher bekommen sollen, es stand schon auf seinem Nachttisch, aber er wollte mit seiner Frau noch etwas Bewegung machen. Wir gingen dann zusammen in sein Zimmer, er legte sich ins Bett, ich schloss die Infusion an der liegenden Leitung an und verließ das Zimmer. Zehn Minuten später hat er geläutet, ich bin sofort zu ihm, aber da war er bereits blau im Gesicht. Ich habe um Hilfe gerufen und versucht, ihn Mund zu Mund zu beatmen. Der Stationsarzt ist sofort gekommen und hat die Reanimation eingeleitet. Ich glaube, innerhalb von fünf Minuten war das ganze Reanimationsteam da.“

Sie schluchzte und begann zu weinen.

Ich tröstete sie, so gut es ging: „Sie trifft keine Schuld, Sie haben rasch und umsichtig gehandelt.“

Dann nahm ich die Krankenblätter in die Hand. ­Alles war korrekt. Ich würde seine Frau anrufen müssen, das war ich ihr schuldig. Ihre Handynummer war in der Krankenakte vermerkt. Ich erreichte sie sofort. Sie meldete sich atemlos, als ob sie etwas ahnte.

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