4.2 Studien in Deutschland
4.3 Praktische Relevanz
4.4 Literatur
5 Ätiologie
5.1 Pränatale Faktoren
5.2 Perinatale Faktoren
5.3 Postnatale Faktoren
5.4 Schlussfolgerung
5.5 Literatur
6 Diagnostik und Klassifikations- möglichkeiten
6.1 Diagnostik
6.2 Klassifikationen
6.3 Schlussfolgerung
6.4 Literatur
7 Differenzialdiagnosen
7.1 Entwicklungsstörungen des Schmelzes
7.2 Differenzialdiagnostik
7.3 Schlussfolgerung
7.4 Literatur
8 Therapiekonzepte
8.1 Erste Ansätze
8.2 EAPD: Best Clinical Practice Guidance
8.3 Würzburger Konzept
8.4 Schlussfolgerung
8.5 Literatur
9 Schmerzbehandlung
9.1 Schmerzwahrnehmung bei Kindern
9.2 Schmerzen ausgehend von einer MIH
9.3 Kindgerechte Behandlung
9.4 Schmerzkontrolle
9.5 Schlussfolgerungen
9.6 Literatur
10 Prophylaxe und Desensibilisierung
10.1 Allgemeine Empfehlungen für die Prophylaxe
10.2 Remineralisation und Therapie der Hypersensibilität
10.3 Neue Therapieansätze zur Milderung von Hypersensibilitäten
10.4 Schlussfolgerung
10.5 Literatur
11 Fissurenversiegelung
11.1 Indikationen
11.2 Materialien
11.3 Klinisches Vorgehen
11.4 Klinische Wirksamkeit
11.5 Sealing als Therapieoption für Hypersensibilitäten
11.6 Schlussfolgerung
11.7 Literatur
12 Direkte Restaurationen
12.1 Für die Füllungstherapie relevante Besonderheiten des MIH-Schmelzes
12.2 Temporäre Versorgung mit Glasionomerzementen
12.3 Definitive Restaurationen mit Komposit
12.4 Reparatur
12.5 Schlussfolgerung
12.6 Literatur
13 Indirekte Restaurationen
13.1 Konfektionierte Kronen als Interimslösung
13.2 Zahnfarbene Kronen aus Zirkonoxid
13.3 Indirekte Restaurationsmöglichkeiten
13.4 Schlussfolgerung
13.5 Literatur
14 Extraktionstherapie
14.1 Indikationen
14.2 Zeitpunkt der Extraktion
14.3 Konsequenzen einer zu frühen bzw. einer zu späten Extraktion
14.4 Ausgleichs- und Kompensations- extraktion
14.5 Prognose der Extraktionstherapie bei MIH
14.6 Literatur
15 Behandlungsmöglichkeiten bei hypomineralisierten Inzisiven
15.1 Bleichen
15.2 Mikroabrasion
15.3 Infiltration
15.4 Kompositrestaurationen und Veneers
15.5 Schlussfolgerung
15.6 Literatur
16 MIH und Karies
16.1 Karies
16.2 Karieserfahrung bei Kindern mit MIH
16.3 Behandlungsbedarf bei Kindern mit MIH
16.4 MIH als Kariesrisikofaktor
16.5 Literatur
17 Hypomineralisierte Milchmolaren
17.1 Definition
17.2 Prävalenz
17.3 Ätiologie
17.4 Diagnostik
17.5 Klinisches Erscheinungsbild
17.6 Weitere Merkmale von hypomineralisiertem Milchzahnschmelz
17.7 Therapieoptionen
17.8 MMH und MIH
17.9 Schlussfolgerung
17.10 Literatur

Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) – im Volksmund auch Kreidezähne genannt – beschäftigt nun seit vielen Jahren die Kinder- und Jugendzahnheilkunde. Zu Beginn nahezu als Zufallsbefund abgetan, hat dieses Krankheitsbild mittlerweile aufgrund beachtenswerter Prävalenzzahlen eine hohe klinische Relevanz erreicht.
Das vorliegende Kapitel informiert über die Genese der Erforschung dieses Krankheitsbildes, gibt einen Einblick, wann erstmals dem Formenkreis der MIH zuzuordnende Hypomineralisationen wissenschaftlich erwähnt worden sind und wie es zu der Begriffsfindung kam.
1.1 Erste klinische Erwähnung der MIH
In der Kinderzahnheilkunde ist das Phänomen MIH nicht neu. Bereits 2001 wurde der Terminus in die Fachliteratur aufgenommen und eine Definition erarbeitet 1. Genau genommen handelte es sich jedoch auch zum damaligen Zeitpunkt schon nicht um das Auftreten einer neuartigen Erkrankung. Erstmalig klinisch aufmerksam wurde man auf das Krankheitsbild bereits am Ende der 1970er-Jahre. Zu dieser Zeit berichteten Zahnärzte des Öffentlichen Zahnärztlichen Dienstes in Schweden über eine ungewöhnlich hohe und wachsende Zahl von Kindern mit ausgedehnten, abgegrenzten, schweren Schmelzhypomineralisationen unbekannter Ätiologie an den ersten permanenten Molaren und Schneidezähnen (Abb. 1-1). Die Schmelzdefekte waren aufgrund der extremen Empfindlichkeit schwer zu behandeln und zu reinigen 2. Dies gab Anlass zur Initiation einer ersten epidemiologischen Studie, die von Koch et al. 1987 veröffentlicht wurde 3. In dieser wurden die Prävalenz, die Ausdehnung und die Schwere der Defekte bei 8- bis 15-jährigen Kindern analysiert. Es zeigte sich, dass je nach Geburtsjahrgang die Strukturstörungen in einer Häufigkeit von bis zu 15 % auftraten. Weiterhin stellte sich heraus, dass es sich bei den am stärksten betroffenen Zähnen um die ersten permanenten Molaren handelte. Zudem war pro Kind meist mehr als ein Molar betroffen. Da die Strukturstörungen zum damaligen Zeitpunkt nicht in die herkömmliche ätiologische Einteilung passten, wurden sie als „idiopathische Schmelzhypomineralisationen der bleibenden Zähne“ beschrieben 3. Eine zuverlässige Begründung oder Lösung dafür, warum es gerade in einem der Geburtsjahrgänge eine viel höhere Prävalenz von MIH-befallenen Zähnen gab, konnte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht gefunden werden.
Abb. 1-1 Patientenfall mit abgegrenzten Hypomineralisationen an einem ersten bleibenden Molaren, die heute einer MIH zuzuordnen sind, aus der schwedischen Studie von 1987 (Quelle: Koch et al. 3; mit freundlicher Genehmigung von Wiley).
1.2 Begriffsfindung
Der eigenständige Begriff Molaren-InzisivenHypomineralisation fand dann – wie oben bereits erwähnt – im Jahr 2001 Eingang in die Literatur 1. Vorangegangen war ein Jahr zuvor der 5. Kongress der European Academy for Paediatric Dentistry (EAPD) in Bergen, Norwegen. Dort thematisierten vier Abstracts aus drei Arbeitsgruppen Schmelzstrukturstörungen an ersten bleibenden Molaren unabhängig voneinander 4 - 7. Damals bezeichneten die Autoren die Defekte als „hypomineralisierte permanente erste Molaren“, „idiopathische Schmelzhypomineralisation an den permanenten ersten Molaren“, „nicht fluoridbedingte Hypomineralisation an den permanenten ersten Molaren“ oder „Käse-Molaren“ (cheese molars) 1. Diese unterschiedlichen terminologischen Zuschreibungen veranlassten die Arbeitsgruppe, gemeinsam eine einheitliche Bezeichnung für das neuartige Krankheitsbild zu finden, um zukünftige Studien und Fallberichte vergleichbar zu machen. Aufgrund der unklaren Ätiologie wurden bei der Namensfindung sowohl das Verteilungsmuster als auch die Morphologie in den Vordergrund gestellt.
Definiert wird die MIH rezent als ein (systemischer) qualitativer Schmelzdefekt an einem oder mehreren 6-Jahr-Molaren mit oder ohne Beteiligung der bleibenden Schneidezähne (Abb. 1-2). Die Autoren einigten sich auf diese Definition, um zwei wichtige Punkte klarzustellen:
Abb. 1-2 MIH mit qualitativen Schmelzdefekten an mehreren 6-Jahr-Molaren mit Beteiligung der bleibenden Schneidezähne.
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