In Abgrenzung zur Einzelpraxis und der damit verbundenen „One-Man-Sow“ mag dies seine Erklärung auch in den stetig steigenden Kostenstrukturen finden. Dazu gehören die mäßig steigenden Honorare und der damit verbundene Druck, im Rahmen der Niederlassung eine Kostenoptimierung zu erreichen.
Allerdings prägen auch die dargestellten, veränderten Ansprüche der nachfolgenden Generationen an ihre individuelle, private und berufliche Lebensplanung die Tendenzen im Dentalmarkt mit, wenn sie nicht sogar als Auslöser eines sich verstärkenden Wandels anzusehen sind.
Doch wer die Wahl hat, hat die Qual: Sollte man lieber in Einzelpraxis als niedergelassener Zahnarzt tätig werden und der „eigene Herr“ sein oder statt einer „One-Man-Show“ doch lieber in den Verbund mit anderen Berufskollegen gehen? Ist es aber vielleicht doch besser, den (vermeintlich) sicheren Angestelltenstatus nicht aufzugeben?
Praxisstrukturen im Vergleich
Wer für sich persönlich die Selbstständigkeit (in Abgrenzung zum Angestelltenverhältnis) präferiert, aber nicht in alleiniger Verantwortung in Einzelpraxis tätig werden möchte, sondern die Kooperation mit Berufskollegen sucht, steht vor der grundsätzlichen Entscheidung, ob er mit einem oder mehreren weiteren Berufsträger/n gemeinsam tätig werden möchte oder sich beispielsweise aus Kostengründen darauf beschränken möchte, Praxisräume, -einrichtung und gegebenenfalls Personal zusammen zu nutzen, im Übrigen aber alleinverantwortlich tätig zu werden.
Im ersteren Fall bietet sich die Organisationsform der Berufsausübungsgemeinschaft an, im letzteren Fall wäre als Option die Gründung einer Praxisgemeinschaft näher in den Blick zu nehmen.
Berufsausübungsgemeinschaft
Berufsausübungsgemeinschaften sind als Zusammenschluss von Leistungserbringern zur gemeinsamen Berufsausübung zu definieren.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Berufsausübungsgemeinschaft geprägt durch die gemeinsame Ausübung der (zahn-)ärztlichen Tätigkeit durch mehrere (Zahn-)Ärzte der gleichen oder ähnlichen Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxisausrichtung, gemeinsamer Datenverarbeitung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung. 21
Motive für Berufsträger, sich für eine gemeinsame Tätigkeit mit weiteren Berufsträgern in einer Berufsausübungsgemeinschaft zu organisieren, können u. a. die Steigerung der Attraktivität der Praxis, die Möglichkeit des kollegialen Austauschs sowie die Absicherung in Vertretungsfällen und Notsituationen sein. Als Gründe werden oftmals aber auch die Möglichkeit zur Abdeckung verschiedener Spezialisierungen angegeben, um den Patienten ein breites Portfolio anbieten zu können sowie die Flexibilisierung der Arbeitszeiten unter Berücksichtigung der privaten Lebensplanung. So fallen neben der eigentlichen zahnärztlichen Tätigkeit „am Stuhl“ mannigfaltige weitere Tätigkeiten an, die auch dem organisatorischen Bereich zuzuordnen sind und deren Erledigung auf verschiedenen Schultern verteilt werden kann, darunter Personalsuche und -führung, Praxismarketing etc.
Oftmals findet sich in älterer Literatur oder auch noch im allgemeinen Sprachgebrauch der traditionelle Begriff der „Gemeinschaftspraxis“, der aber durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz zum 1.1.2007 durch den Begriff der Berufsausübungsgemeinschaft ersetzt wurde.
Im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft schließen sich mehrere Leistungserbringer zusammen, klassischerweise bezogen auf die vertragszahnärztliche und die privatzahnärztliche Versorgung. Dies ist nicht zwingend, möglich ist auch eine gemeinsame Berufsausübung unter Beschränkung auf einen dieser Bereiche. Denkbar ist schließlich auch die Kooperation zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen Zahnärzten. 22
Eine gemeinsame Berufsausübung setzt nach § 10 Abs. 2 Satz 4 BMV-Z eine auf Dauer angelegte berufliche Kooperation selbstständiger, freiberuflich tätiger Zahnärzte voraus.
Gem. § 32 Abs. 1 Zahnärzte-ZV muss der Zahnarzt seine zahnärztliche Tätigkeit persönlich in „freier Praxis“ ausüben, insbesondere darf kein verdecktes Anstellungsverhältnis vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist zum einen die individuelle Unabhängigkeit des Vertrags(zahn)arztes maßgeblich, zum anderen dessen wirtschaftliche Selbstständigkeit. Dazu gehört insbesondere die Tragung des wirtschaftlichen Risikos wie auch Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg der Praxis. 23Inwiefern das Kriterium der „Tätigkeit in freier Praxis“ erfüllt ist oder ob in Realität ein verdecktes Anstellungsverhältnis vorliegt, ist im Rahmen einer Gesamtschau festzustellen. 24
Ein Zusammenschluss von Zahnärzten im Rahmen der Berufsausübungsgemeinschaft zur gemeinsamen Berufsausübung darf keineswegs dazu führen, dass das Merkmal der Tätigkeit in freier Praxis nicht mehr erfüllt ist.
Gemäß § 33 Abs. 3 Zahnärzte-ZV ist die gemeinsame Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit unter allen zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern, d. h. auch zwischen Vertragszahnärzten und MVZ oder ausschließlich Vertragszahnärzten, nicht aber zwischen Vertragszahnärzten und Vertragsärzten, zulässig. 25Sie bedarf gem. § 33 Abs. 3 Ärzte-ZV der Genehmigung durch den zuständigen Zulassungsausschuss. § 33 Zahnärzte-ZV unterscheidet als zentrale Norm des Vertragszahnarztrechts zwischen örtlichen und überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften, eingeführt durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz zum 1. Januar 2007, und stellt darüber hinaus klar, dass die gemeinsame Berufsausübung auch bezogen auf einzelne Leistungen zulässig ist.
Entscheidendes Merkmal einer Berufsausübungsgemeinschaft ist, dass die tätigen Zahnärzte gegenüber dem jeweiligen Patienten, insbesondere aber auch gegenüber den Krankenkassen und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, als einheitliche Rechtspersönlichkeit auftreten. 26Der Behandlungsvertrag kommt demzufolge nicht unmittelbar mit dem jeweils behandelnden Zahnarzt, sondern vielmehr zwischen der Berufsausübungsgemeinschaft und dem jeweiligen Patienten zustande. Die im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft kooperierenden Zahnärzte führen eine gemeinsame Patientenkartei, sodass die Behandlung – vorbehaltlich der Beachtung des Grundsatzes der freien Arztwahl – durch jeden der im Rahmen der Berufsausübungsgemeinschaft tätigen Zahnärzte vorgenommen werden kann.
Möglich ist auch die Gründung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft. Von dieser spricht man, wenn sie über mehr als einen Standort verfügt. Sowohl die Musterberufsordnung als auch die Berufsordnungen der Landeszahnärztekammern sehen mittlerweile entsprechende Reglungen vor, nach denen die Ausübung des zahnärztlichen Berufes in weiteren Praxen oder an anderen Orten als dem Praxissitz, in verschiedenen Planungsbereichen und sogar in verschiedenen KZV-Bezirken zulässig ist, soweit im jeweiligen Einzelfall die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten sichergestellt ist (§ 9 Abs. 2 MBO-Z). Auch insofern hat das VÄndG eine weitergehende Liberalisierung auch der vertragszahnärztlichen Tätigkeit bewirkt
Diese weitergehenden Liberalisierungen führen dazu, dass die Mitglieder einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ihre Tätigkeit gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 BMV-Z mit Stand vom 11.01.2021 auch an den Vertragszahnarztsitzen der übrigen Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft ausüben können, wenn die Erfüllung der Versorgungspflicht des Mitglieds an seinem Vertragszahnarztsitz unter Berücksichtigung der Mitwirkung angestellter Zahnärzte weiter im erforderlichen Umfang gewährleistet ist.
Dies ist gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 BMV-Z dann der Fall, wenn an anderen Vertragszahnarztsitzen der Berufsausübungsgemeinschaft ein Drittel der Zeit der vertragszahnärztlichen Tätigkeit des Vertragszahnarztes an seinem Vertragszahnarztsitz nicht überschritten wird.
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