Die entscheidende Hürde aber steht noch bevor: Amerika. Bereits am 1. Juli ist es dann soweit. Drei Wochen wird dieser erste US-Trip dauern – und er soll zum ausgewachsenen Fiasko werden: Als Oldham und seine Schützlinge in Heathrow den Flieger besteigen, erscheinen die Voraussetzungen noch optimal. Erst fünf Monate zuvor haben die Beatles in der Ed Sullivan Show die Tür für die British Invasion aufgestoßen. Seitdem reißen sich die USA um praktisch jede Band, die bei der Einreise einen englischen Reisepass vorlegen kann. Daheim im Königreich sind die Stones bereits die Nummer zwei hinter den Beatles, Amerika sollte sie also mit Handkuss begrüßen.
Weit gefehlt. Zur Ankunft auf dem New Yorker Kennedy Airport sind gerade 500 Fans erschienen (3000 waren es, als John, Paul, George und Ringo einige Wochen zuvor dort landeten). Ed Sullivan hat einen Auftritt der Stones, die er widerlich findet, abgelehnt, und der Empfang durch die einheimische Presse fällt reserviert, mitunter gar feindselig aus. Berühmt wird der Scherz, den sich Dean Martin erlaubt, als er die Band in der TV-Show The Hollywood Palace präsentiert: »Man glaubt, dass diese singenden Gruppen heutzutage lange Haare haben – hah: Tatsächlich haben sie eine niedrige Stirn und hohe Augenbrauen!« (Brian Jones rächt sich auf seine Weise, indem er auf einer späteren US-Tournee eine Affäre mit einer von Deans Töchtern beginnt). Zudem ist das Stones-Debütalbum unter dem Titel ENGLAND’S NEWEST HIT MAKERS in den USA erst zwei Tage vor ihrer Ankunft erschienen – faktisch kennt es also noch kein Mensch. Eigentlich ist zu diesem Zeitpunkt lediglich die erste US-Single »Not Fade Away« zu hören, und mit Ach und Krach wird sie es auf Platz 48 der Billboard-Charts bringen.
Beim ersten Konzert geht noch alles gut. Das Swing Auditorium von San Bernadino ist rammelvoll, die Mädchen drehen durch, und viele singen bei »Route 66« sogar die Strophen mit – schließlich wird im Text des lange zuvor schon von Nat King Cole bekannt gemachten Songs ihre Stadt genannt. Danach aber geht es bergab. Die weiteren zum Teil sehr kurzfristig anberaumten Konzerte sind mehr oder weniger Flops, in Detroits Olympiastadion verlieren sich nicht einmal 1000 Zuschauer. Überdies stimmt auch das Ambiente nicht immer. So treten die Stones in San Antonio, Texas, bei einer Open-Air-Messeveranstaltung nach einer Affen-Dressurnummer auf. Immerhin: Bei dieser Gelegenheit lernen die Engländer den texanischen Saxophonisten Bobby Keys kennen, der in den kommenden Jahrzehnten zum festen Inventar des Stones-Personals und zu den engsten Freunden von Keith Richards zählen wird.
Absoluter Höhepunkt des auch finanziell wenig ertragreichen US-Trips sind jedoch die beiden Tage, an denen die Stones das legendäre Chess Studio in Chicago besuchen dürfen. 14 (!) Tracks nehmen sie dort auf. Darunter ist auch »It’s All Over Now«, eine Coverversion des Valentinos-Songs, auf den sie der Discjockey Murray The K während ihres Besuchs in seinem New Yorker Sender aufmerksam gemacht hat. Nur zwei Wochen nach der Aufnahme in Chicago erscheint »It’s All Over Now« als neue Single – und wird daheim in England zur ersten Nummer eins der Rolling Stones.
Bis Ende Mai 1965 wird die Band noch zwei weitere, deutlich erfolgreichere US-Tourneen absolvieren, dazu ihre erste durch Südostasien und dazwischen mindestens zwei Tourneen durch Großbritannien plus diverse Konzerte auf dem Kontinent – eine irrsinnige Tour de Force, die Keith Richards Jahre später mit den Worten beschreiben wird: »In meinem Kopf ist das eine einzige Montage aus Bühnen, Flughäfen, Hotelzimmern und durchdrehenden Fans.«
Und es ist ein Crashkurs in Sachen Showbusiness und Professionalismus. Mittlerweile haben die Stones Tourneen mit den Everly Brothers, Bo Diddley, Roy Orbison und den Ronettes hinter sich, sie haben Idole wie Muddy Waters, James Brown, Willie Dixon und Chuck Berry kennengelernt, und ihre Konterfeis hängen in Millionen von Teenagerzimmern zwischen Sydney und Los Angeles.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.