FREDDY DERWAHL
Begegnungen auf inneren Reisen
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Wir danken „Vaticanmagazin“ und
Verlag Butzon&Bercker für einige Auszüge.
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eISBN 978-3-89710-889-9
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Er flüstert, um gehört zu werden .
Gabriel Ringlet
Vorwort
1.In den Wäldern
2.Mariawald
3.Chartres
4.Der Einsiedler im Kastanienwald
5.Athos, der Heilige Berg
6.Der Versöhner Frère Roger
7.Stille Tage in Mazille
8.Gott hat mich gesucht
9.Auf jedem Sarg lag eine Rose
10.Stille Audienz beim schwarzen Papst
11.Unterwegs mit Anselm Grün
12.Die Zärtlichkeit einer Frau
13.Hingeworfen am Ende der Nacht
14.Über die Höllenbrücke der Jakobspilger
15.Der nackte Fuß der Sünderin
16.Die Nacht mit Isaak dem Syrer
17.Der letzte Ritter von Ujué
18.Ihre leuchtenden Augen
19.Martin Luther und Mutter Oberin
20.Gott blüht durch Überraschungen
21.Die Bohème und der heilige Paulus
22.Makarios und das leere Meer
23.Winternacht in der Kartause
24.Am Grab des Freundes
25.Zum Schluss: Die heilige Stille
Über seine persönlichen Beziehungen mit Gott zu schreiben, ist immer abenteuerlich. Vielleicht täuscht man sich und hatte gar keine. Anmaßung schleicht heran. An sich ist man unwissend und verirrt sich in Traumbilder. Man möchte und kann nicht. Da ist viel Stückwerk an Erinnerung. Auch Scham, weil Wesentliches fehlt und die Neigung besteht, dem strengen Nachdenken oder gar Beten aus dem Weg zu gehen. Doch sind nicht Gebete der einzige Zugang? Wie war das mit uns, als ich vor deiner Stimme immer wieder weglief?
Bevor der Arbeitstitel über das „Flüstern Gottes“ zum Titel wurde, habe ich lange nachgedacht. Über Flüstern zu schreiben ist eine schwierige Aufgabe, wer es nicht zerreden will, muss sich selbst in die strenge Stille begeben, im Leisen unterkriechen. Doch das Flüstern Gottes? Grenzt das nicht an ein Sakrileg? Es ist ein Versuch auf dünnem Eis. Den Blick und das Gehör geschärft für die Erfahrungen jener, die das Schweigen geübt und ausgehalten haben, bis es sich endlich leise offenbarte. Doch die Deutung fällt schwer: Wer bin ich denn, was weiß ich schon?
Als christlicher Autor stehe ich in der Pflicht. Als mein Freund, der Verleger Ralf Markmeier, vorschlug, „gegen allen Mainstream“ ein Buch über Gottesbegegnungen in meinem Leben zu schreiben, hat mich das überrascht. Ich sollte Menschen, denen diese Fragen fremd sind oder die suchen und nicht zu finden glauben, einen Hauch von Ermutigung geben. Aus meiner Scheu wurde eine Herausforderung. Ich kannte Gott nur aus seinen Vorübergängen. Von jeder „Erleuchtung“ weit entfernt, weiß ich aber Geschichten, die an das spannende Thema heranreichen. Vielleicht ist man gerade deshalb ein legitimer Zeuge, wenn man von staunenden Annährungen und Randerfahrungen zu erzählen wagt.
Mehr noch: Da war so etwas wie ein lebenslanger roter Faden der Beobachtungen. Meine eigenen Gotteserlebnisse waren schwierig, doch durfte ich die tatsächlichen bei Anderen ins Auge fassen, sie hinterfragen und beherzigen. Das weite Feld des Lebens und Schrifttums der Heiligen oder die intensive Gottsuche in den Klöstern boten dazu spannende Möglichkeiten. Da fanden Gespräche und Begegnungen statt, die sofort ins Eigentliche vorstießen.
Zentrales Ereignis wurde mein früher Wunsch, Mönch zu werden. Er war leidenschaftlich und schwach zugleich. Zum Widerstand gegen Verweigerungen fehlte es mir an Kraft. Die Hoffnung gab mich nicht preis, doch ich gab sie auf. Dann kam eine entscheidende Wende, die ich erst viel später begriffen habe: Ich hatte mich selbst und meinen Wunsch verlassen, aber ich war nicht verlassen. Nicht ich besaß die Hoheit über meinen Lebensweg, sondern er wurde mir in umgekehrter Richtung von dem „Ganzanderen“ aufgezeigt. Ich hatte zu lernen, als eine Art Mönch mitten in der Welt zu leben und notfalls daran zu leiden wie ein Hund. Der orthodoxe Theologe Paul Evdokimov, bei dem ich oft Zuflucht suchte, nannte es „verinnerlichtes Mönchtum“, es ist allein Herzenssache. Das Herz hat kopflose Gründe, sie tun bitterlich weh und können sehr glücklich machen.
Weder meine Frau noch meine fünf Kinder, noch meine Freunde und Freundinnen legten mir bei meinen Expeditionen Steine in den Weg. Ich begann zu begreifen, dass meine Lebenskurve auch eine Sehnsuchtskurve war. Der ruhige Gott begann das Leben zu beruhigen. Die stillen Zeichen waren sich sammelnde Orientierungen, für die es schließlich nur eine Richtung gab. Die Reisen mündeten in eine einzige, in eine innere Reise: Ich sollte über das geistliche Leben, das ich selbst nicht geschafft hatte, schreiben, berichten, erzählen und filmen, immer wieder, es ist eine endlose Geschichte, die Antwort auf eine Berufung mit anderen Mitteln.
So habe ich über Jahrzehnte hinweg Klöster, Abteien, Mönche und Einsiedler besucht. Zunächst die Trappisten in Mariawald, meine erste Liebe. Dann in Belgien die Abteien Chevetogne, Rochefort, Orval, Val-Dieu, das luxemburgische Clervaux, in den Niederlanden Benedictusberg, im bevorzugten Frankreich fast alle Zisterzienserklöster, im baskischen Spanien La Oliva, in Italien die Camaldoli, in Griechenland mehrmals den Heiligen Berg Athos, in Rumänien die Moldauklöster, in Ägypten die Wüsten- und Einsiedler-Regionen, in den USA Genesee Abbey und schließlich in Algerien das Kloster der sieben ermordeten Mönche in Tibhirine sowie den letzten Überlebenden Frère Jean-Pierre am Hohen Atlas im marokkanischen Midelt.
Ich sprach mit den ganz Alten und den ganz Jungen, mit Äbten und einfachen Brüdern, mit Kranken und Sterbenden, mit Wissenschaftlern und Künstlern, mit Eintretenden und Gescheiterten, mit Einsiedlern und ihren Schülern und nicht zuletzt mit Nonnen und Schwestern. Vielleicht waren die Frauen in ihrer sensiblen Nachdenklichkeit die dankbareren Gesprächspartner. Ob steinalt gebeugt oder blutjung, da war immer Zuhören und Verständnis, die ich als mütterlich empfunden habe.
Dabei sind viele Tagebücher, Reisenotizen, Bücher, Bildbände und Fernsehreportagen entstanden. Immer war alles anders und doch ging es allein um das Eine: Gottessuche, Gottesnähe, Gottesstille, der leise, der flüsternde Gott. Eine amerikanische Reklusin schrieb, manchmal, wenn sie die tiefste Stille erreiche, „höre ich ihn hinter meinem Rücken“. Ob ich diese Stille gehört habe, weiß ich nicht. Doch hörte ich, wie andere sie hörten.
Bei der Suche nach der elementaren Begegnung habe ich auch einzelnen heiligen oder heiligmäßigen Männern und Frauen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die an sie gerichtete Stimme Gottes verstummt, selbst kaum hörbar, nicht. Sie schwebt nach wie ein Lobpreis der Lebensüberwindung. Die Mystikerin und Patronin Europas Teresa von Avila in schmerzlicher Verlassenheit, der Wüsteneinsiedler Charles de Foucauld beim tödlichen Angriff auf Tamanrasset, der belgische Blutzeuge Jean Arnolds auf dem Schafott der Nazis und zur Jahrtausendwende die sieben „Schlafenden“ auf dem Klosterfriedhof von Tibhirine. Sie alle lassen, nach ihrem dramatisch beendeten Leben, weiter aufhorchen.
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