Serotonin ist eine Gewebshormon und Neurotransmitter, das für unsere innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit verantwortlich ist. Es hellt unsere Grundstimmung, unser Lebensgefühl auf und sorgt dafür, dass unser Nervensystem auf alles gelassener reagieren kann. Vor allem vermindert Serotonin unsere Angstgefühle und wird von Neurobiologen als „Well-Being“ oder als Botenstoff des Wohlbefindens bezeichnet.
Noradrenalin wird als Hormon in den Nebennieren produziert und ins Blut abgegeben. Es ist der Neurotransmitter im Zentral- und im sympathischen Nervensystem. Noradrenalin wirkt über alpha- und beta-Rezeptoren auf die Zielzellen ein. Es ist z.B. verantwortlich für die Aktivierung unseres Organismus und motiviert uns, das Erfreuliche und Angenehme in unserem Leben zu sehen und zu besorgen. Noradrenalin ist weiter für die Gedächtnisbildung, die Schlaf-Wach-Regulation und die körpereigene Schmerzhemmung wichtig und wird als Arzneistoff verwandt. „Ein chronisch zu niedriger Noradrenalinspiegel in den Synapsen des Noradrenalinsystems ist dagegen die zweite neurobiologische Ursache der Depression“ (Hornung, 60f.).
Endorphine sind Botenstoffe des Gehirns, können aber auch Hormone sein, die im Hypothalamus produziert und in den Blutkreislauf ausgeschüttet werden. Sie sind eine Sammelbezeichnung für „eine Gruppe selbstproduzierter Neuropeptide, die im Gehirn aufgebaut werden und Rezeptoren für Morphin und andere Opioide kontaktieren und aktivieren (…) Ihre stark schmerzlindernde Wirkung gleicht der des Opiums der Mohnpflanze. Aber auch wenn wir Stress empfinden und leiden, werden Endorphine ausgeschüttet. Schließlich ist eine erhöhte Endorphinausschüttung mit Trance, Dämmerzustand und genießender Glückseligkeit, aber auch mit schmerzfreier Geburt und dem ‚Runner high‘ (dem angeblichen ‚Hoch‘-Gefühl der Jogger) verbunden“ (Hornung, 62f.).
Zu erwähnen ist noch das Hormon Oxytocin, das aus dem Griechischen übersetzt „Schnelle oder leichte Geburt“ heißt und eine wichtige Bedeutung beim Geburtsprozess hat. Als ein Neuropeptid wird es in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) zwischengespeichert und in den Blutkreislauf ausgeschüttet. Es stärkt das zwischenmenschliche Vertrauen und Zusammenleben sowie die partnerschaftliche Risiko- und Kooperationsbereitschaft. „Liebe, Sex und Treue sind eng miteinander verbunden und Oxytocin ist an der Regulierung der mit ihnen deckungsgleich einhergehenden Gefühle beteiligt. Ohne Oxytocin im Gehirn gibt es kein Verliebtsein, keine Zärtlichkeiten und keine Partnertreue. Vor allem aber würde eine der wichtigsten Voraussetzungen für alles menschliche Miteinander fehlen: zwischenmenschliches Vertrauen. Wegen seiner komplexen Auswirkungen auf menschliche Beziehungen wird Oxytocin deshalb manchmal auch das ‚Vertrauens-, Kuschel-, Liebes-, Treue- und Sexhormon‘ genannt“ (Hornung 64f.).
Mehr Informationen über die jüngsten Ergebnisse der Psycho-Neurobiologie finden Sie im 2. Kapitel über „Die Bedeutung der Kindheit für ein geglücktes Leben“.
2. Das Schicksal oder ich – wer bestimmt mein Glück?
Bevor wir die Frage nach dem Glück stellen, wie man glücklich wird und was ein geglücktes Leben ausmacht, müssen wir klären, ob wir überhaupt unser Glück bestimmen können oder ob wir dem Glück bzw. dem Unglück nicht ausgeliefert sind. Kann ich tatsächlich mein Leben selbst bestimmen und in Freiheit Entscheidungen treffen? Bin ich nicht wie alle Menschen den globalen Schicksalsschlägen wie Erdbeben, Tsunamis, Unfällen in Atomkraftwerken, Sturmfluten, Terroranschlägen oder Kriegen mit ihren Folgen ohnmächtig ausgeliefert? Oder muss ich nicht auch im privaten Leben Krankheiten, Unglück, Missbrauch, Hass, Krisen und anderes über mich ergehen lassen? Schlägt das Schicksal nicht einfach willkürlich zu, ohne dass ich etwas dagegen oder dafür tun kann?
Zunächst stellt sich die Frage, was wir unter „Schicksal“ und „Freiheit“ verstehen.
„Schicksal wird in der Regel als etwas verstanden, das sich einfach ereignet, das uns zugemutet wird, das über uns herfällt. Wir sind ihm ausgesetzt, können nichts dagegen tun. Für den einen ereignet es sich ohne einen bestimmten Grund. Für einen anderen geht es auf den Einfluss einer höheren Macht oder von höheren Mächten zurück, die geheimnisvoll, undurchschaubar auf unser Leben einwirken. Die menschliche Freiheit scheint (…) angesichts des Schicksals wie ausgelöscht, hat keine oder kaum eine Chance, zum Einsatz zu kommen oder muss vor dem Schicksal kapitulieren“ (Müller, 10f.).
Im Altertum wird dieses Schicksal „fatum“ genannt, ein anonymes Etwas, das willkürlich ohne Gründe auf jedes Leben einwirkt. Dieses Verständnis von „Schicksalsschlägen“ ist meist mit tragischen Ereignissen verbunden, die unausweichlich und unwiderruflich über uns kommen, Gegebenheiten, in die wir hineingeboren oder -geworfen werden, ohne dass wir eine Möglichkeit der Abwehr oder des Eingreifens hätten. Diese Auffassung vom blinden Schicksal kommt im englischen „Fate“ zum Ausdruck.
In unserer Zeit begegnen wir dieser Weltanschauung u. a. im Determinismus von Sigmund Freud oder bei dem Begründer der existentiellen Psychotherapie Irvin Yalom und seinen Schülern. Für sie sind wir Menschen ein Zufallsprodukt: „Das Leben im Allgemeinen und unser menschliches Leben im Besonderen ist aus Zufallsereignissen entstanden. (…) Wir sind auf uns allein angewiesen, und so hängt es ausschließlich von uns ab, was wir aus unserem Leben machen und wie wir es gestalten“ (Yalom, 2010, 193f.). „Aus deterministischer Sicht sind die Bewegungen des menschlichen Willens nicht frei im Sinn der Wahlfreiheit, sondern im Voraus zu dieser Freiheit durch von außen einwirkende Motive oder von inneren Ursachen (psychischen Zuständen) eindeutig festgelegt“ (Vorgrimler, Neues theologisches Wörterbuch, 2000, 127).
W. Müller weist darauf hin, dass diese deterministische Haltung nicht typisch für die Psychoanalyse ist. Psychoanalytiker wie E. Erikson, C. Rogers, A. Maslow oder F. Perls sind sehr wohl offen für das Geheimnisvolle, für geheimnisvolle Kräfte oder eine höhere Macht in ihrer Betrachtung des Schicksals (Müller, 19ff.).
Im Denken von C. G. Jung spielen Schicksal und das Geheimnisvolle eine große Rolle. Für ihn haben die Menschen ein Geheimnis „und die Ahnung von etwas Wissbarem. Es erfüllt das Leben mit etwas Unpersönlichem, einem Numinosum … Der Mensch muss spüren, dass er in einer Welt lebt, die in einer gewissen Hinsicht geheimnisvoll ist, dass in ihr Dinge geschehen und erfahren werden können, die unerklärbar bleiben … Das Unerwartete und das Unerhörte gehören in diese Welt“ (C. G. Jung, 1990, 358).
Aber bei all diesen Überlegungen bleibt die Frage: Inwieweit sind wir überhaupt frei in unseren Entscheidungen? Gibt es nicht viele Lebensbereiche, die uns vorgegeben sind? Wir werden in einem Kontinent, in einem Land, in einer Gesellschaft und Kultur, in einer Familie geboren, die wir nicht wählen konnten. Unsere Gene enthalten physische und psychische Anlagen, die zunächst einfach da sind und die sich dann weiterentfalten wie: Gesundheit, Begabungen, Intelligenz, oder Persönlichkeitsprofil. Die pränatalen und perinatalen Elternbotschaften und die Vorstellungen und gesellschaftlichen Normen unserer Umgebung haben uns ebenso geprägt wie die Erwartungen, die z.B. in der Familie, in der Schule und im Beruf an uns gestellt wurden.
Im Neuen Theologischen Wörterbuch heißt es: „Grundsätzlich ist der Mensch von allem anderen in seiner Umwelt dadurch unterschieden, dass der Naturzusammenhang, in dem er existiert wie alles andere, ihn im Vollzug seines menschlichen Wesens nicht durchgängig und restlos determiniert. Das heißt: Er ist ins ‚Offene‘ gesetzt; es ist ihm aufgegeben, selbst die verschiedenen geschichtlichen Möglichkeiten zu verwirklichen (durch Wahl der Lebensform, des Berufs, durch Arbeit usw.) und darin seine Wesensausprägung zu finden“ (Vorgrimler, 197f.). So gibt es viele Bereiche in unserem Leben, die uns vorgegeben sind und in denen wir uns eingeschränkt fühlen. Und doch sind wir von unserem Wesen her frei und grundsätzlich autonom darin, wie wir Begrenzungen und Einschränkungen gestalten. Das beginnt mit unseren kleinen Entscheidungen im Alltag, wenn wir uns entschließen, in die Stadt zu gehen oder nicht, einen Besuch zu machen oder nicht, einen Anruf zu machen oder nicht, den Arzt aufzusuchen oder nicht usw. Das gilt auch für grundsätzliche Entscheidungen.
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