Der Überlieferung nach wurde den indischen Weisen dieses wertvolle Wissen von den Göttern geschenkt. Keine Angst, daran musst du nicht glauben. Etwas anderes ist in diesem Zusammenhang sehr viel wichtiger: Wenn Meditation der Ursprung des ayurvedischen Heilwissens ist, dann bedeutet das auch, dass jeder von uns diesen Schatz in sich trägt.
Dies ist einer der wunderbaren Eigenschaften des ayurvedischen Gesundheitskonzepts: Du brauchst keine komplizierten Schriften lesen oder dir teure Gerätschaften anschaffen; im Grunde ist alles, was du für deine Gesundheit und dein Wohlbefinden brauchst, bereits da, in dir! Die ayurvedischen Methoden wie Meditation, Yoga oder Massage helfen dir dabei, die Quelle zu deinem intuitiven Wissen darüber, was dir wirklich guttut, was du für ein glückliches, gesundes Leben brauchst, wiederzuentdecken.
Harmonie von Körper, Geist und Seele
Meditation bedeutet für mich, dass man sich in sein Selbst versenkt und dabei gleichzeitig darüber hinauswächst. Mittels Konzentration und Achtsamkeit wird dabei versucht, den Geist zu beruhigen. Gelingt dies, kann man hinter die Gedanken und Gefühle treten, sich von ihnen distanzieren. Man wird so zum inneren Beobachter.
DIE AYURVEDISCHEN METHODEN UNTERSTÜTZEN UNS DABEI, UNSER INNERES HEILWISSEN WIEDERZUENTDECKEN.
Insbesondere in östlichen Kulturen, zunehmend aber auch im Westen, spielt diese Übung eine wichtige Rolle, um eine Harmonie zwischen Körper, Geist und Seele herzustellen und das Bewusstsein erweitern zu können. In vielen spirituellen Richtungen wird das Einssein mit der Welt sowie dem Göttlichen und damit einhergehend ein Zustand völliger Glückseligkeit – die Erleuchtung – als Ziel der Meditationsübung gesehen. Nach einiger Meditationspraxis ist es auch mir schon gelungen, einen Bewusstseinszustand zu erreichen, in dem die Trennung zwischen Ich und Welt aufgehoben scheint. Der Philosoph und Psychiater Karl Jaspers (1883–1969) bezeichnete dies als Aufhebung der Subjekt-Objekt-Spaltung.
Ich stelle mir vor, dass die Rishis vor Jahrhunderten einen ähnlichen Zustand erreichten, als ihnen die tiefen Einsichten über das Wesen der menschlichen Gesundheit zuteilwurden. Aber auch losgelöst von jeder Spiritualität kann Meditation Heilung bringen: Es ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass regelmäßige Meditation Aufmerksamkeit und Konzentration sowie andere kognitive Fähigkeiten verbessern.
Studien zeigen zudem, dass Meditation einen positiven Einfluss auf die Stimmungslage hat, wir besser mit belastenden Gefühlen umgehen können und starke Selbstheilungskräfte entwickeln. Im Praxisteil des Ratgebers lade ich dich dazu ein, einfache, kurze Meditationen in deinen Tagesablauf zu integrieren. Probiere es aus!
Wissen zum Wohle aller Menschen
Kommen wir zurück zu den ersten ayurvedischen Heilern: Zunächst gaben sie ihr Wissen mündlich weiter. Es sollte geteilt werden und sich immer weiter vergrößern zum Wohle aller Lebewesen. Letztlich spielt es keine Rolle, ob dies nun vor 3000 oder vor 5000 Jahren stattfand oder ob Ayurveda sogar noch älter und damit das am längsten existierende Gesundheitskonzept der Welt ist, wie andere sagen.
Das schriftliche System des Ayurveda ist Teil der heiligen Schriften des Hinduismus. Die Atharvaveda gilt als Grundstein ayurvedischen Heilwissens. Verschiedene Grundlagenwerke entstanden dann in den Jahrhunderten vor und nach Christi Geburt, die immer weiterentwickelt und verfeinert wurden.
Die Charaka-Samhita befasst sich mit der inneren Medizin. Die Sushruta-Samhita widmet sich der Anatomie und Chirurgie. Die Ashtanga-Hridaya-Samhita ist ebenfalls ein klassisches Werk des ayurvedischen Heilwissens und fasst die beiden anderen großen Samhitas in Teilen zusammen. Daneben gibt es noch viele kleinere ayurvedische Schriften, die sich konkreter mit der Ursache und Therapie verschiedener Beschwerdebilder auseinandersetzen. Über die Jahrhunderte wurden die Schriften immer wieder überarbeitet, um neue Erkenntnisse erweitert und an die Lebensbedingungen der jeweiligen Zeit angepasst.
Die Einheit von Körper, Geist und Seele
Der ayurvedische Grundsatz, dass Körper, Geist und Seele eine untrennbare Einheit bilden, kann in seiner Bedeutung gar nicht überschätzt werden. In meiner Ayurveda-Praxis erlebe ich seit Jahrzehnten, wie eng diese drei Ebenen verwoben sind. Eine langfristige, ganzheitliche Heilung bezieht daher immer Körper, Geist und Seele mit ein. Eine meiner Klientinnen litt zum Beispiel neben verschiedenen anderen Symptomen seit langer Zeit unter einem quälenden chronischen Schnupfen, begleitet von starker Abgeschlagenheit.
ALLES IST MIT ALLEM VERBUNDEN!
Sie hatte über die Jahre verschiedene Ärzte konsultiert. Allergien waren ausgeschlossen worden, an den Nasenscheidewänden lag es auch nicht, die Mediziner waren letztlich ratlos. Tatsächlich gab es keine rein körperliche Ursache für den Schnupfen. Nur den Körper zu betrachten führte daher zu keinem Ergebnis.
Sie begann also, für sich selbst zu sorgen!
Als wir die anderen Lebensbereiche der Klientin in einem ausführlichen Gespräch abklopften, kam schnell heraus, dass sie im Job sehr gestresst war und zudem von einer Kollegin gemobbt wurde. Sie hatte sprichwörtlich also die »Nase voll!«. Diesen Zusammenhang zu erkennen, war der erste Schritt zur Heilung. Natürlich ging dies nicht von heute auf morgen.
Meine Klientin brauchte einige Zeit, bis sie lernte, »Nein« zu sagen und ihre Grenzen zu wahren. Ihr Frust hatte zudem Ernährungsgewohnheiten begünstigt, die ihr nicht guttaten und zur Verschleimung ihres Organismus führten. Auch hieran haben wir gearbeitet. Schließlich hörte nicht nur der Schnupfen auf. Die Kollegin, die ihr das Leben schwer gemacht hatte, kündigte. Dies ist eine Beobachtung, die ich immer wieder mache: Wenn wir erst beginnen, für uns selbst zu sorgen, wenn unsere ganze Energie auf unser Wohlergehen ausgerichtet ist, lösen sich Konflikte und Hindernisse wie durch Zauberhand auf.
Alles hängt mit allem zusammen – das gilt nicht für Körper, Geist und Seele, sondern auch in sehr viel größeren Dimensionen, welche die menschliche Vorstellungskraft oft überfordern. Auch diese Erkenntnis hatten die vedischen Seher bereits vor Jahrhunderten. Der Mikrokosmos folgt demnach den gleichen Gesetzen wie der Makrokosmos. Das klingt vielleicht erst mal ein bisschen merkwürdig für dich. Dass alles mit allem in Verbindung steht und wie wichtig die Umgebungsbedingungen sind, ist aber spannenderweise auch eine der Entdeckungen der Quantenphysik.
Grenzen lassen sich verschieben – und auflösen
WAS DIE RAUPE TOD NENNT, NENNT DER SCHMETTERLING WIEDERGEBURT.
VIOLETTE LEBON
Noch immer wissen Wissenschaftler nicht genau, was die Welt »im Innersten zusammenhält« und wie sie nun eigentlich entstanden ist. Viele der Erkenntnisse, die die indischen Heiler vor Jahrtausenden aus sich selbst heraus entwickelt haben, sind mittlerweile wissenschaftlich belegt. Ist das nicht erstaunlich?
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