Charles de Foucauld bemüht sich besonders um jene, die er am weitesten von Christus entfernt glaubt; doch schließt er letztendlich niemanden von seiner Hilfe aus. Durch das Leermachen seiner selbst durch die Zurücknahme des eigenen Ego, das Streben nach Gleichförmigkeit mit Jesus und durch die Hingabe an den Nächsten wird Foucauld mit Leib und Seele ein Zeichen der Liebe Christi und dessen Werkzeug zur Rettung der Menschen 127. Allein durch seine Gegenwart, durch sein Sich-Aussetzen in der Weise des eucharistischen Christus will er den Tuareg ein Zeugnis der christlichen Offenbarung sein: „Das Beispiel ist das einzige äußere Werk, durch welches man Seelen beeinflussen kann, die sich Christus gegenüber vollkommen ablehnend verhalten“ 128.
Indem Foucauld für sich „den letzten Platz“ wählt, kann er den Tuareg anders als die französischen Kolonialherren auf Augenhöhe begegnen, kann er ein wirkliches Miteinander mit den Tuareg leben und sich einen Zugang zu ihrer Kultur verschaffen 129. Nur an diesem letzten Platz wird für Charles de Foucauld wirkliche und vor allem wirksame Nächstenliebe möglich, die europäischem Überlegenheitsdenken keinen Raum mehr lässt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch seine Haltung zum Mitleiden mit den Menschen: Das Mitleid mit dem Nächsten ist ebenfalls imstande, die Liebe zu Gott auszudrücken, an sich wirklich zu machen und auf diese Weise die Liebe Gottes für die Menschen an sich sichtbar, spürbar und erfahrbar zu machen. Mitleid ist für Foucauld nicht das distanzierte Mitleiden, sondern das aktive Mittragen, das gemeinsame Aushalten und Hoffen auf den Herrn.
Mit dieser inneren Haltung, die auf Foucaulds eucharistischer Frömmigkeit beruht, kann er den Tuareg trotz aller scheinbaren Verschiedenheit wirklich zum Nächsten werden. Die Erfahrung des Reichtums des Tabernakels begründet seine Hinwendung zu den Armen der Welt und die Bekämpfung ihrer materiellen Armut: Indem Foucauld sich selbst zu den Armen trägt, trägt er den Reichtum des Tabernakels zu ihnen. Indem er sich selbst ganz klein macht, um Jesus Raum zu geben, kann er Jesus veranschaulichen.
48Besonders die Verfolgung und Ermordung armenischer Christen, die Foucauld in Akbès hautnah miterlebt, bewegen ihn erstmals zu dem Gedanken, dass das kontemplative Leben sein Glaubwürdigkeitskriterium im konkreten Einsatz für Unterdrückte und Leidende findet.
49In einem späteren an Guérin, den Apostolischen Präfekten der Sahara, gerichteten Brief schreibt er: „Von halb vier bis halb sechs Anbetung: das ist, nach der Messe und der Nacht, der beste Teil des Tages: die Arbeit ist getan, und ich darf nur noch Jesus anschauen…Es ist eine Stunde voll Süße“. FOUCAULD, Schriften, 383.
50FOUCAULD, Schriften, 136.
51Vgl. FOUCAULD, Schriften, 130.
52Foucauld schreibt in seinen Betrachtungen über das Evangelium (Lk 4,42): „Das immerwährende Gebet genügt nicht: wie der Herr uns hier lehrt, muß es in jedem Leben, selbst in einem Leben, das in sehr heiliger Weise dem Dienst am Nächsten gewidmet ist, bestimmte Zeiten der Sammlung, des Stillschweigens, der einsamen Betrachtung zu Gottes Füßen geben…Dies ist eine Pflicht der Ehrfurcht dem Schöpfer gegenüber, der Liebe gegenüber unserm Geliebten,[…].“ FOUCAULD, Schriften, 135.
53FOUCAULD, Platz, 21.
54FOUCAULD, Schriften, 116. Zuvor schreibt er an dieser Stelle: „Welcher Art diese verschiedensten Gebete sein mögen, ob stumm oder gesungen, ob ohne tiefes Denken oder stark reflektiv, was ihnen ihren eigentlichen Wert gibt, ist die Liebe, mit der sie verrichtet werden.“
55Vgl. FOUCAULD, Schriften, 132.
56Vgl. FOUCAULD, Aufzeichnungen, 22.
57Vgl. SIX, Foucauld, 19.
58Später versteht Charles de Foucauld diese Langeweile, die er damals empfand, als Gnade, die ihn auf die Begegnung mit Gott vorbereiten sollte. Vgl. SIX, Foucauld, 24.
59Laut Six war dieser Entschluss weniger aus Liebe zu Mimi entsprungen, sondern hatte seinen Grund in seinem Stolz und seiner ausgeprägten Freiheitsliebe, die Charles nicht angetastet wissen wollte. Vgl. SIX, Foucauld, 25.
60Bis zu diesem Zeitpunkt scheinen Foucaulds Aktionen alle noch stets von dem Wunsch angetrieben zu sein, ruhmreich zu werden, v.a. in den Augen seiner Familie will er sich groß machen und damit rehabilitieren. Vgl. SIX, Foucauld, 28f.
61In einem Brief an Henry de Castries von 1901 schreibt er von seiner damals empfundenen Faszination vom Islam, den er aber dennoch nicht als die Wahrheit erkannte. Vgl. FOUCAULD, Schriften, 362.
62In seinen Betrachtungen von 1897 erfahren wir, dass Charles sich damals sagte, eine Religion, an die eine solch intelligente Frau glaubt, könne vielleicht doch kein Unsinn sein. Vgl. SIX, Foucauld, 46f.
63Foucauld genießt „die Einsamkeit in der Gesellschaft“ geliebter Menschen. Ein Ausdruck, der nach Six ein Schlüssel zu Charles de Foucaulds Wesen ist: Einsamkeit ja, aber nur im Umgeben-sein von Liebe. Vgl. SIX, Foucauld, 31.
64FOUCAULD, Schriften, 363. Bekenntnis aus seinem Brief an Henry de Castries von 1901.
65FOUCAULD, Schriften, 363.
66Das, was Foucauld noch vom Glauben abhielt, war sein im Agnostizismus verhaftetes Denken – so Six. Demnach konnte ihm nur konkretes Tun den Glauben wiedergeben. Vgl. SIX, Foucauld, 52.
67Vgl. SIX, Foucauld, 66.
68Siehe dazu SIX, Foucauld, 79-85.
69Die Trappisten sind zu dieser Zeit einer der strengsten und ärmlichsten Orden.
70Vgl. SIX, Foucauld, 207f.
71Vgl. FOUCAULD, Schriften, 346.
72Vgl. SIX, Foucauld, 84.
73Die hier grundgelegten Auszüge der Predigt Huvelins sind entnommen aus: SIX, Foucauld, 60.
74Vgl. SIX, Foucauld, 84.
75Vgl. SIX, Foucauld, 86.
76In einer Betrachtung über Mt 18,4 schreibt Foucauld über den an den Menschen gerichteten Anspruch: „Jesus macht die himmlische Seligkeit hier abhängig von der Demut, vom tatsächlichen Sich-klein-machen, davon, daß man den letzten Platz einnimmt und gehorcht“. FOUCAULD, Schriften, 148.
77FOUCAULD, Schriften, 205.
78Hierin sieht er auch einen Grund für die Wahrheit des Christentums.
79„Da Du immer bei uns bist in der heiligen Eucharistie, wollen wir immer bei ihr sein, ihr Gesellschaft leisten vor dem Tabernakel, keine dieser Minuten durch unsere Schuld verlieren: Gott ist da, was sollten wir anderswo suchen? Der Geliebte, unser Alles, ist da; Er lädt uns ein, Ihm Gesellschaft zu leisten, und wir sollten nicht dorthin eilen, wir sollten auch nur einen dieser Augenblicke, die wir zu seinen Füßen weilen dürfen, anderswo verbringen?“ FOUCAULD, Schriften, 463.
80Auch hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Verborgenheit nicht die Verhüllung Gottes meint, sondern die unüberbietbare Selbstoffenbarung Gottes. Was im Verborgenen geschieht, beinhaltet trotzdem die ganze Fülle des trinitarischen Gottes.
81FOCAULD, Schriften, 396. Siehe dazu auch SIX, Foucauld, 85f.
82Vgl. Zitat Foucaulds in SIX, Foucauld, 102: „Wenn man mir über das Studium spricht, so werde ich darlegen, daß ich ein sehr starkes Verlangen verspüre, bis zum Hals im Getreide und Holz zu bleiben, und daß ich einen ausgesprochenen Widerwillen habe gegen alles, was mich von jenem letzten Platz vertreiben könnte, den ich in der Erniedrigung gesucht habe, in die ich mich in der Nachfolge unseres Herrn immer tiefer versenken will.“
83Jean-Francois Six hat sehr schön herausgearbeitet, dass es all die Zeit über nur die Gehorsamspflicht Foucaulds gegenüber Huvelin und seinem Ordensoberen war, die ihn davon abhielt, seinem drängenden Wunsch, das „Nazaret-Ideal“ ohne die Bindung an den Orden der Trappisten zu leben, nachzukommen. Vgl. SIX, Foucauld, 121-130.
84FOUCAULD, Schriften, 176.
85Für Näheres zu seiner Regel, ihrer Entstehung und ihren verschiedenen Entwürfen siehe SIX, Foucauld, 194-202.
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