Klaus Kießling - Geistlicher und sexueller Machtmissbrauch in der katholischen Kirche

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Geistlicher und sexueller Machtmissbrauch in der katholischen Kirche: краткое содержание, описание и аннотация

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Missbrauch ist immer Missbrauch von Macht.
Als sexualisierte Gewalt geschieht er an vielen Orten, auf eigene Weise in der katholischen Kirche. Dabei drängt sich in wachsendem Maße die Frage nach spezifisch geistlichem Missbrauch auf. Denn viele Betroffene schildern sexualisierte Gewalt, ohne dass sich diese für sie zwingend mit geistlichem Missbrauch verbunden hätte, während andere in ihrer spirituellen Selbstbestimmung Verletzungen und Gewalt erfahren haben, die nicht mit sexuellen Übergriffen einhergingen.
Gleichwohl sind geistlicher und sexueller Machtmissbrauch oft sehr eng miteinander verwoben. In diesem Buch geht es daher um beides: um die Frage, was Machtmissbrauch zu einem geistlichen macht und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind; um sexualisierte Gewalt und die Aufgabe, den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen weltkirchlich und weltweit zu gewährleisten.

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Klaus Kießling

Geistlicher und sexueller Machtmissbrauch

in der katholischen Kirche

Klaus Kießling

Geistlicher und sexueller

Machtmissbrauch in

der katholischen Kirche

echter

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

1. Auflage 2021

© 2021 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter.de

Umschlag: wunderlichundweigand.de

(Foto: © Arnd Bünker, Karsamstag)

Innengestaltung: Crossmediabureau, Gerolzhofen

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

978-3-429-05607-0

978-3-429-05148-8 (PDF)

978-3-429-06529-4 (ePub)

Inhalt

Vorwort

Geistlicher Missbrauch in der katholischen Kirche

1. Kontexte

2. Konturierungen

2.1. Theologische Annäherungen

2.2. Psychologische Beiträge

3. Kollusionen – ein Definitionsvorschlag

4. Konsequenzen

4.1. Theologische Infragestellungen

4.2. (Nicht-)Rezeption psychologischer Einsichten

4.3. Qualifizierte Geistliche Begleitung

Sexueller Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Schutzbefohlenen

1. Ein paar leise Töne zu Beginn

2. Elternhaus, Pfarrhaus, Schulhaus – Tatorte sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen

2.1. Missbrauch und Gewalt

2.2. Sexuelle Gewalt in der Familie

2.3. Symptomatik bei Seelenmord

2.4. Möglichkeit und Unmöglichkeit von Versöhnung

2.5. Möglichkeiten des Beistands

2.6. Sexuelle Gewalt in Kirche und Schule

2.7. Pädophilie

3. Sündenböcke als Missbrauch mit dem Missbrauch

3.1. Sündenbock Homosexualität

3.2. Sündenbock Zölibat

3.3. Sündenbock Kirche

3.4. Sündenbock Gesellschaft

3.5. Sündenbock Medien

4. Drängende Fragen an Kirche und Theologie

4.1. Geschlossene Systeme – und ihre Mitläufer?

4.2. Heilige Kirche – und sündige Kirche?

4.3. Solidarität mit den Opfern – und den Tätern?

5. Antwortversuche: Lösungsansätze für strukturelle Problemlagen

5.1. Kirchliche Leitlinien

5.2. Umgang mit Tätern und Opfern

5.3. Gegen eine Nulltoleranzlösung

5.4. Für Prävention in der Arbeit mit Schutzbefohlenen

5.5. Für Prävention in Aus- und Fortbildung

6. Ein paar leise Töne zum Schluss

Anmerkungen

Literatur

Vorwort

Bei allen Formen von Missbrauch geht es um Missbrauch von Macht. Als sexualisierte Gewalt ist er an vielen Tatorten präsent, auf eigene Weise in der katholischen Kirche. Dabei drängt sich in wachsendem Maße die Frage nach spezifisch geistlichem Missbrauch auf.

In Psychotherapie und Supervision, in Seelsorge und anderen Settings der Begleitung sowie in öffentlichen Räumen schildern Betroffene sexualisierte Gewalt, die sie erleiden mussten, ohne dass sich diese für sie zwingend mit geistlichem Missbrauch verbunden hätte. Und andere Menschen haben in ihrer spirituellen Selbstbestimmung Verletzungen und Gewalt erfahren, die nicht mit sexuellen Übergriffen einhergingen. Unterscheidung tut also not.

Gleichwohl sind geistlicher und sexueller Machtmissbrauch oft sehr eng miteinander verwoben – nicht nur meiner Erfahrung nach. Daher geht es im Folgenden um beides: zunächst gezielt um die Frage, was Machtmissbrauch zu einem geistlichen macht und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, danach eigens um sexualisierte Gewalt und die Aufgabe, den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen weltkirchlich und weltweit zu gewährleisten. Verbindungen und Analogien zwischen geistlichem und sexuellem Machtmissbrauch in der katholischen Kirche scheinen dabei immer wieder implizit auf, dann und wann aber werden sie auch ausdrücklich zum Thema.

Ebenfalls klar artikuliert sei mein herzlicher Dank an die Menschen, die in einem der oben genannten Zusammenhänge oder bei anderen Anlässen mutig offengelegt haben, was ihnen widerfahren ist, was ihnen das Ringen damit erleichtert oder erschwert und was sie insbesondere präventiv für unerlässlich halten. Sie bringen auf ihre Weise – auch stellvertretend – ans Licht, was nicht im Dunkeln verharren darf.

Mein Dank gilt auch denen, die sich mit diesen schwerwiegenden Fragen auseinandersetzen, um ihrer Verantwortung nachzukommen: in der Pastoral tätigen Frauen und Männern, die Sensibilisierung und Orientierung suchen; Mitgliedern nationaler Bischofskonferenzen und anderen kirchlichen Leitungspersonen, die Richtlinien zum Umgang mit und zur Prävention von Machtmissbrauch erarbeiten und sich dabei beraten lassen; den Studierenden, die sich auf einen seelsorglichen oder einen anderen psychosozialen Beruf vorbereiten; Kolleg*innen in verschiedenen Arbeitsbereichen; schließlich den Leser*innen dieses Buchs.

Frankfurt Sankt Georgen,im August 2020 Klaus Kießling

Geistlicher Missbrauch in der katholischen Kirche

Kontexte – Konturierungen – Kollusionen – Konsequenzen

1. Kontexte

Bei geistlichem Missbrauch denke ich an jene verzweifelte Frau, deren Geistliche Begleiterin sie drängt, in ihrer Ehe mit einem Gewalttäter zu verharren, weil die Kirche es so verlange; an ein Beichtkind – was für ein Wort –, das seinerseits zu einem Beichtgeheimnis verpflichtet wird und mit niemandem darüber reden darf, was dort wieder und wieder geschieht; an eine mit ihrer Schwangerschaft ringende Frau, in deren Heimatgemeinde der darum wissende Diakon seine erste Predigt gezielt zu einem Anti-Abtreibungs-Feldzug nutzt; an einen jungen Mann, der seine Berufung sucht und dessen Begleiter ihm sein priesterliches Gewand überwirft; an viele andere Menschen, die ich in verschiedenen Settings kenne, insbesondere als Diakon und als Psychotherapeut.

Die getroffene Auswahl aktueller und real existierender Konstellationen soll eingangs vielerlei signalisieren: dass geistlicher Missbrauch nicht mit dem Missbrauch durch Geistliche zusammenfällt; dass zu möglichen klerikalen Tätern nicht allein Priester, sondern auch Ständige Diakone gehören; dass geistlicher Missbrauch auch ohne Beteiligung eines Klerikers vorkommt; dass geistlicher Missbrauch mit sexueller Gewalt einhergehen kann, wie es jenes Beichtkind bezeugt, aber nicht muss, wie es der Überwurf mit dem priesterlichen Gewand zeigt.

Dabei geht es bei allen Formen von Missbrauch um den Missbrauch von Macht 1. Was aber macht Machtmissbrauch zu einem geistlichen?

Bei alledem konzentriere ich mich auf geistlichen Missbrauch in der katholischen Kirche – nicht weil er anderswo nicht vorkäme, sondern weil mir ein angemessener Umgang damit allenfalls in selbstkritischer Haltung möglich erscheint.

Ich knüpfe an diese Kontexte mit ersten Konturierungen an, zunächst mit theologischen Annäherungen und Einblicken in laufende Diskurse, dann mit psychologischen Beiträgen zur Auseinandersetzung mit Machtmissbrauch. Das noch zu erläuternde Stichwort der Kollusionen führt zum Vorschlag einer Definition von geistlichem Missbrauch. Daraus resultieren Konsequenzen, die ich exemplarisch in dreierlei Richtungen skizziere: auf theologische Infragestellungen hin, auf die Rezeption psychologischer Einsichten hin, auf Geistliche Begleitung hin.

2. Konturierungen

2.1 Theologische Annäherungen

Menschen, die erzählen, wes Geistes Kind sie sind, aus welchem Geist, aus welchem spiritus sie leben, gewähren Einblicke in ihre Spiritualität. 2Leben im Geist, geistliches Leben vollzieht sich innerhalb und außerhalb traditioneller Religiosität, die ihrerseits Möglichkeiten bietet, spirituelle Erfahrungen zu verorten und eine Unterscheidung der Geister vorzunehmen. Ein Leben aus dem Geist zeigt sich inspiriert, begeistert von Kräften und Impulsen, die nicht aus mir selbst kommen und, wenn sie bei mir ankommen, nicht bei mir verbleiben, wenn ich sie nicht wie einen Raub für mich behalten, sondern ans Licht der Welt bringen möchte – in allen Beziehungen, in denen, aus denen und für die ich lebe. In diesem Horizont erhellt, dass sich geistlicher oder auch spiritueller Missbrauch nicht etwa auf meine Gottesbeziehung beschränkt, während meine restliche Welt eine heile bliebe, sondern mich in all meinen Beziehungen prägt, also grenzenlos unheilvoll wirkt.

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