Eindringlich haben uns wiederum schwerwiegende Fehlverhalten in den letzten Jahren und Jahrzehnten gelehrt, wie gebieterisch und grundlegend die Menschenrechte zur „Charta“ zur Kirche selbst gehören und gehören sollten. Sie wäre sonst nicht die Kirche Jesu! Menschenwürde und Christenwürde korrespondieren zutiefst; sie inspirieren, helfen und stützen einander und müssen dies immer neu lebendig tun. Durch sein klares Eintreten für Gleichheit, Würde und Wert aller in Person und Handeln verändert das Konzil die „Landschaft“ der Kirche. Denn der Geist Jesu, der Geist Gottes selbst erneuert unaufhaltsam nicht nur das Antlitz der Erde (Psalm 104,30), sondern ebenso – wieder und wieder auch unerbittlich – das Antlitz der Kirche. Und nur so, an Menschenwürde und -recht orientiert, kann unsere gemeinsame Würde aus der Taufe, kann unser Christsein in Alltag und Feier königlich-priesterlich sein!
Ein verbreitetes Bedenken
Ein kurzes Wort soll ein verbreitetes Bedenken zerstreuen. Das Priestertum aller in Jesus im Neuen Testament geht der Reformation lange voraus. Die katholische Kirche sieht bis heute keinen Widerspruch darin, den Eucharistievorsitz dem ordinierten Amtsträger vorzubehalten, also diese Form amtlicher Ausübung des einen Priestertums der Kirche samt der Verwaltung der übrigen Sakramente an die Ordination und somit an den Leitungsdienst der Kirche zu binden. Als „priesterliches Dienstamt“, so das Konzil, ist der Presbyterat dem Hirtenamt, also dem Leitungsamt zugehörig und ist von Jesus der Kirche als Hilfe für ihre Leitung, ihren Weg und ihren Aufbau gegeben. Sein amtsspezifischer priesterlicher Charakter ist in der „priesterlichen Gemeinschaft“, die die ganze Kirche ist (Lumen Gentium 11), begründet und in sie eingebunden. Es besteht kein Konkurrenzverhältnis unter den verschiedenen Ausprägungen des einen Priestertums Jesu in unserem einen christlichen Priestertum.
Für Reflexion und Austausch
Ihr seid alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid „einer“ in Christus Jesus .
Gal 3,26–28
Eines ist also das auserwählte Volk Gottes : „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4, 5); gemeinsam die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit, eines ist das Heil, eine die Hoffnung und ungeteilt die Liebe. Es ist also in Christus und in der Kirche keine Ungleichheit aufgrund von Rasse und Volkszugehörigkeit, sozialer Stellung oder Geschlecht; denn „es gilt nicht mehr Jude und Grieche, nicht Sklave und Freier, nicht Mann und Frau; denn alle seid ihr einer in Christus Jesus“ (Gal 3, 28; vgl. Kol 3,11). Wenn also in der Kirche nicht alle denselben Weg gehen, so sind doch alle zur Heiligkeit berufen und haben den gleichen Glauben erlangt in Gottes Gerechtigkeit (vgl. 2 Petr 1,1). Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi .
Lumen Gentium 32
„Das Amtspriestertum ist eines der Mittel, das Jesus in seinem Volk einsetzt, doch die große Würde kommt aus der Taufe, die allen zugänglich ist. … In der Kirche begründen die Funktionen (vgl. schon Johannes Paul II. !) keine Überlegenheit der einen über die anderen“ .
Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben
„Evangelii gaudium“, 104
Aus Wasser und Geist zu Priestern geweiht – die Taufweihe
Papst Franziskus hat in seinem Schreiben „Evangelii gaudium“ konzilsgemäß die hohe Bedeutung der Taufe hervorgehoben: Durch die Taufe haben wir alle in der Kirche die gleiche Würde , wir alle, Frauen und Männer, wir alle samt unseren Amtsträgern.
Jesus teilt alles mit uns
Ja, die Taufe schenkt uns ein neues, erfüllendes, wertintensives Leben. Durch die Taufe sind wir Glieder des Volkes Gottes. Das ist eine große Freude. Und zuallererst sind wir durch die Taufe Glieder Christi. Das ist eine Freude über alle Freude. Denn in seiner Liebe ist Christus gekommen, um in unserer ständig todbedrohten Existenz unser Leben und sein Leben mit uns zu teilen. Schon die Taufe Jesu (Mk 1,9 ff par; Joh 1,32) lässt uns ahnen, wie tief Jesus sich mit uns verbunden hat, um – in unserer Mitte untergetaucht in alles Unsrige – alles, was sein ist, mit uns allen zu teilen.
Im Glauben an ihn und in der Taufe auf seinen Namen, im Untertauchen in seinen Tod und in das neue Leben seiner Auferstehung verwirklicht sich unsere volle Gemeinschaft mit ihm. Wir werden zu Reben an ihm, dem Weinstock, so sehr mit ihm zusammengewachsen, dass sein Leben, sein Geist uns unaufhörlich lebenspendend durchströmen.
So teilt er alles mit uns, alles, was er hat . Er teilt sein Kostbarstes, seinen Vater und sein Vaterhaus, sein einzigartiges Sohnsein und Geliebtsein, mit uns allen, seinen zahllosen Schwestern und Brüdern. Er teilt mit uns seinen Geist, unbegrenzt, sein ganzes Leben, sein Wirken, seine Freude, seine Herrlichkeit. Auch seinen Hirtenauftrag, sein Königtum, sein Prophetenamt und sein Priestertum, teilt er mit uns allen . Bei der Chrisamsalbung im Anschluss an die Taufe (außer bei einer Erwachsenentaufe, wegen der gleich anschließend mit Chrisam gespendeten Firmung) werden die – wunderbaren, meist viel zu wenig beachteten – Worte gesprochen: „Aufgenommen in das Volk Gottes wirst du nun mit dem heiligen Chrisam gesalbt, damit du für immer ein Glied Christi bleibst, der Priester, König und Prophet ist in Ewigkeit.“
Das Chrisamöl ist das Weiheöl der Kirche. Die Salbung mit Chrisam weist darauf hin, dass wir alle in der Taufe eine Weihe empfangen haben. Mehrmals gebraucht das Konzil für die Taufe die Bezeichnung „Tauf weihe “ ! Die Taufe ist ein Weihesakrament, ja, sie ist das grundlegende Weihesakrament der Kirche. Alle Christen empfangen es. Priester, Könige und Propheten werden gesalbt. In der Salbung der Taufe auf den Namen Jesu, in seinem Geist, werden wir alle zu Königen und zu Propheten gesalbt und zu Priestern und Priesterinnen geweiht. Die Taufe ist unser aller Priesterweihe, die sich dann in verschiedenen Berufungen entfaltet. Deutlich sagt das Konzil: „Durch die Wiedergeburt [= die Taufe] und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht“ (Lumen Gentium 10). So sagte schon Papst Leo († 461): „Alle, die in Christus wiedergeboren sind, macht das Zeichen des Kreuzes zu Königen, während sie die Salbung des Heiligen Geistes zu Priestern weiht.“
Die Taufe ist Quellsakrament und Angelpunkt unseres Lebens als Christen. Und unser aller Priestertum aus ihr wird sich umso vielfältiger und wirksamer entfalten, je mehr wir selbst in die christliche Grunddynamik des Teilens hineinfinden, aus der wir von Jesus unser neues Leben empfangen haben. Mensch werden im alltäglichen (!) Teilen und Schenken. In der Liebe seines niemals endenden Hinabsteigens und Menschwerdens hat sein lebenspendendes Teilen mit uns allen seinen Ursprung und will durch uns vollendet werden.
Für Reflexion und Austausch
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