OMAR GISLER
Neymar
Eine Biografie von A bis Z
COPRESS
EDITION
Um die Bildtafeln verkürzte E-Book-Ausgabe der im Copress Verlag erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-7679-1166-6).
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ISBN 978-3-7679-2012-5
Zu diesem Buch
Steckbrief
Neymar von A bis Z
AAblösesumme – Abu Dhabi– Alternative– Alves– Anämie– Antrittsbesuch– Auszeichnung
BBall – Banane– Barcelona– Bekanntheitsgrad– Bettkante– Bildrechte– Bodybuilder– Bolivar– Boom– Buchhaltung
CChampagner – Comic– Computerspiel– Confederations Cup– Cool– Copa Libertadores – Cruz
DDebüt – Deutsch – Diplomatie – Dribbling – Druck
EEgo – Einzigartig – Eitelkeit – Ekel – Entdecker – Essen
FFairplay – Favorit – Federgewicht – Film – Frauenschwarm – Frisur – Fünf – Futsal
GGarrincha – Geburt – Geburtstagsgeschenk – Glauben – Gol – Goldesel
HHattrick – Hilfswerk – Hitzkopf – Hobby – Hoffnungsträger – Hypervenom
IIdol – Image – Instagram – Interviews
JJacht – Jesus – Jubel – Jugend
KKarriereplanung – Katzenpisse – Klotzen – Kolonialherren – Kreuzigung – Kriminalität – Kumpelklausel
LLederhosen – Lehrling – Leseratte
MMadrid – Maracanã – Mathematik – Medizincheck – Messi – Militär – Mogelpackung – Monster – Musik
NName – Neid – New Neymar – Neymarzetes – Nike – NJR – Nullnummer
OOeste – Olé
PParaguay – Parfüm – Peinlich – Pelé – Petition – Playboy – Popcorn – Popularität – Porsche
QQualität – Quote
RRendite – Robinho – Ronaldinho – Rotzlöffel – Rückennummer
SSantos – Schnarchen – Schock – Schutzengel – Schwalben – Schwester – Sechs – Spitznamen – Sponsoren – Stabwechsel
TTalent – Tattoo – Taufpate – Telefonterror – Telenovela – Tiki-Taka – Trainer – Traum – Trauma – Twitter
UUnabhängigkeit – Unverhofft – Urlaub
VVater – Verschaukelt – Vickery – Volk
WWassermann – Weltfußballer – Werbekönig – West Ham – Wohnung – Wolken – Wunder
XXavi – XXX. Olympische Spiele
YYokohama – YouTube
ZZauberer – Zico – Ziele – Zukunft
Anhang
Statistik
Quellenverzeichnis
»Eine Niederlage im Fußball ist für Brasilianer so etwas wie ein Tod.« Mit diesen Worten brachte der Schriftsteller Nelson Falcão Rodrigues (1912–1980) einst die Bedeutung des Fußballs in seinem Land auf den Punkt. Tatsächlich definiert sich keine Nation so stark über den Fußball wie das Land am Amazonas. Zwar waren es die Briten, die das Spiel erfanden. Doch die Brasilianer vervollkommneten es, machten aus dem Gekicke eine Kunst. Fünf WM-Titel zeugen von der außergewöhnlichen Qualität der Spieler, die Brasilien Generation für Generation hervorbringt. Doch so selbstbewusst man sich im Land des Rekordweltmeisters nach außen gibt, so empfindlich ist die Psyche nach innen. Allgegenwärtig ist in Brasilien der Spruch, dass fünfmal eine WM gewonnen und 14-mal eine verloren wurde.
Offenbar leidet Brasilien noch immer an jenem »Straßenköterkomplex«, den Rodrigues als Begriff geprägt hat und der die gefühlte Unterlegenheit gegenüber den Europäern bezeichnet. »Jeder Sieg der Seleção birgt die Hoffnung, dass man sich jetzt endlich als Teil der Ersten Welt sehen kann, und jede Niederlage versagt die Erfüllung dieses Wunsches«, hat der deutsche Journalist Martin Curi festgestellt, der seit Jahren in Brasilien lebt und das Buch »Brasilien – Land des Fußballs« verfasst hat.
Vor diesem Hintergrund ist das Drama zu verstehen, das sich 1950 abspielte, als die WM-Endrunde erstmals in Brasilien ausgetragen wurde. Brasilien, das »Land der Zukunft«, wie es der Schriftsteller Stefan Zweig schon 1941 genannt hatte, wollte sich nach dem Zweiten Weltkrieg vor der gesamten Welt als aufstrebende Wirtschaftsmacht inszenieren. Gigantische Betonschüsseln wie das Maracanã-Stadion wurden errichtet, ganz im Sinne des Mottos im Landeswappen ( Ordem e progresso) , das Ordnung und Fortschritt propagiert.
Ebendieses Maracanã war am 16. Juli 1950 gerammelt voll. 199.854 Zuschauer kamen in der Erwartung, Brasiliens Krönung zur FußballWeltmacht beizuwohnen. Was sollte schon schief gehen? Der Seleção, die in den Spielen zuvor so anmutig und furios aufgespielt hatte, reichte gegen den kleinen Nachbarn Uruguay ein Remis, um erstmals den Jules-Rimet-Pokal entgegen nehmen zu können. Wähnten sich die Hausherren nach dem 1:0 in der 47. Minute in falscher Sicherheit? In der 66. Minute egalisierte Juan Alberto Schiaffino den Spielstand: 1:1. Die Stadionuhr zeigte 16.33 Uhr an, als der Uruguayer Alcides Edgardo Ghiggia das Leder in der 79. Spielminute via Innenpfosten ins Tor knallte und das 2:1 für Uruguay erzielte. Es folgte das »tosendste Schweigen in der Geschichte des Fußballs«, so der Fußballpoet Eduardo Galeano.
Brasilien verfiel nach der 1:2-Pleite in eine Schockstarre. Tausende von Menschen lagen sich vor dem Stadion weinend in den Armen, die Krankenhäuser füllten sich mit Herzinfarktpatienten, mindestens zwei Fans begingen Selbstmord und Nationaltrainer Flávio Rodrigues Costa musste mit seinen Spielern tagelang auf dem Land versteckt werden. Der Jubel der Uruguayer über den Titelgewinn fiel verhalten aus. »Es war eine Tragödie, eine Beerdigung. Ein grausames Schauspiel«, bekannte Torschütze Schiaffino später bewegt.
Nachdem sich das Land vom ersten Schock erholt hatte, ging es an die Analyse. »Als die Spieler das Maracanã am meisten brauchten, war das Maracanã stumm«, kritisierte ein Liedermacher, und folgerte: »Du kannst keinem Fußball-Stadion vertrauen – das ist die Lektion, die sich 1950 ereignet hat.«
Andere suchten die Schuld an der Mutter aller Niederlagen nicht beim Volk, sondern bei den Politikern. Damals standen die Regierungswahlen an, und jeder der drei Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten wollte sich im Glanz der Heim-WM sonnen. Die berauschenden Vorstellungen der Seleção vor dem letzten Spiel ließen die Politiker nicht mehr am Gewinn des Titels zweifeln. Und so häuften sich vor der entscheidenden Begegnung die Feste und Empfänge im brasilianischen Trainingslager, der Gouverneur von Rio de Janeiro überreichte sogar seine Glückwünsche an »den neuen Weltmeister Brasilien«.
Mit jeder vorzeitiger Gratulation stieg indes die Motivation der Uruguayer – und wuchs der Druck auf die Brasilianer. »Alle sprachen nur von der großen Feier. Das war ein gravierender Fehler und hat uns letztendlich das Genick gebrochen«, analysierte Torhüter Moacyr Barbosa, der ein großartiges Turnier gespielt, beim 1:2 gegen Uruguay aber keine glückliche Figur gemacht hatte. Der Keeper bekam die volle Wucht über die Niederlage ab, denn ihm wurde nie verziehen, dass er den Schuss von Ghiggia nicht pariert hatte. Als Barbosa vor der WM 1994, bei der Brasilien seinen vierten Titel nach 1958, 1962 und 1970 eroberte, die Seleção im Trainingslager besuchen wollte, wurde ihm der Zutritt verwehrt – aus Angst, er könne Pech bringen. »Die Höchststrafe in Brasilien beträgt dreißig Jahre. Meine Bestrafung beträgt lebenslänglich«, sagte er kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 betrübt.
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