Omar al Raschid Bey - Das hohe Ziel der Erkenntnis

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Friedrich Arnd oder Omar al Raschid Bey, geboren in Sankt Petersburg und gestorben in München, deutscher Publizist, entstammte einer aus Hessen stammenden Goldschmiedefamilie und wurde als Staatenloser geboren. Er war «sehr gut bekannt» mit Helene Böhlau und bestens befreundet mit Gustav Meyrink und Theodor Lessing. Das hohe Ziel der Erkenntnis gehört zu seinem Zentralen Werk:
Er, der dieses Werk geschrieben, ist gestorben vor der Herausgabe. Weil sein Werk der Niederschlag eines ganzen Lebens war, konnte es auch nicht beendet werden, bis dies Leben erfüllt wurde. Das Titelblatt, worauf ich in der Eigenschaft als Herausgeber genannt bin, fand sich im Manuskipt so entworfen vor, wie es hier gedruckt ist. Es war schon vorbereitet in einer Zeit, als der Tod gar nicht nahe war. Andere sollten aussäen, was in seiner Seele gereift war. Daß mir die Aufgabe zufiel, ist selbstverständlich. Seine Lehre war Inhalt meines Lebens geworden. Ich hatte ihre helfenden und gestaltenden Kräfte an mir lebendig gefühlt. Wie von einem Strom ist meine Seele von diesem Werke getragen worden, aus Einheit durch die Vielheit der Erscheinungswelt mit ihrem Heimatsverlangen, wieder zurück zur Einheit. In diesem Werke heißt es: Aus einer Quelle fließt: sich eines Andern Seele nähern, sich von eines Andern Körper nähren. Darüber ist gesagt: «Aus Verlangen und Nährung hat Brahma diese Welt gebildet.» «Darum lebt alles dieser Welt durch Nährung, durch einver-Leibung, durch an-Eignung; darum lebt alles Ich durch ein anderes und lebt kein Ich ohne nicht-Ich, und lebt alles Ich durch nicht-Ich, seelisch und sinnlich. Also beschränkt sucht Ich Unbeschränktheit, also unvollständig sucht Ich Vollständigkeit, also unvollkommen sucht Ich Vollkommenheit, also verstoßen, sucht Ich nach dem verlorenen Paradiese, also einsam schreit Ich um Hilfe—es verlangt nach Allumfassen, nach All-einheit, nach Vollendung,—nach Nirvana.» Tief wurde meine Seele von den Bildern des Verlangens dieser Welt bewegt. Zu höchstem Einklang sah ich das irrende gequälte Verlangen, dieser in Qual und Lust erbebenden Erschein-ungswelt sich vor meinen Augen verwandeln. Eine Erlösung sondergleichen, von der Natur selbst vollzogen. Trost und Ruhe stieg aus diesem Weke auf. Kein Wort traf meine Seele, das übersinnlich zu werden trachtete, aber ein gewaltiger Strom nahm die heimatlose Seele auf und trug sie unaufhaltsam einem unaussprechlichen Ziele zu, vor dem jeder Gedanke und jedes Wort umkehrt. Mir schien dieses Werk wie eine Heimat und Zuflucht derer, die sich scheuen vor jedem Wort und jedem Bild, das sich ihrer Heimatssehnsucht erbarmen möchte. Mit Naturnotwendigkeit fühlte ich mich über das unstillbare Verlangen dieser Welt hinauswachsen, ohne Weltflucht—durch Weltvertiefung, durch Versenken in die Welt der Erscheinung und des Verlangens. «Anziehung und Abstoßung ist Verlangen, brünstige Wünsche —inbrünstiges Gebet—Liebe wie Haß. Niederste Gier ist Verlangen nach dem Höchsten.» Nichts ist zu niedrig, um nicht das Höchste zu bergen! Welch erbarmungsvoller Gedanke!—Von diesem Standpunkt aus—eine Heiligung sondergleichen der ganzen Natur. Ihre Geheimnisse und Schrecken, wandeln sich in uns zum Höchsten, wir brauchen der Natur nicht zu entfliehen; wir sind geborgen…

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Omar Al Raschid Bey

DAS HOHE ZIEL DER ERKENNTNIS

ARANADA UPANISHAD

HERAUSGEGEBEN VON HELENE BÖHLAU AL RASCHID BEY

DAS HOHE ZIEL DER ERKENNTNIS

Alphabetische Zusammenstellung der in den Text unübersetzt aufgenommenen Sanskritworte.

adhyâya, Lehrabschnitt

âkâsha, Erscheinung. Grundbedeutung der Wurzel kâsh (kâs, kâç), Licht, Schein; in Ableitungen und Zusammensetzungen: erschauen, sichtbar werden, zutage treten, erscheinen. * Derselbe Laut in derselben Bedeutung ist auch in slawischen Sprachen erhalten (russisch: ———-). Hierzu wolle man die philosophisch tiefe Bedeutung des Wortes 'er-Schein-ung' in Betracht ziehen, wie solche sich in weit auseinander liegenden Sprachstämmen vorfindet: '———-' (swjet) russisch, bedeuted gleichzeitig Welt und Lichtschein; ungarisch: 'villág' Licht, Schein und Welt; japanisch; 'atsútsuyo' Schein und Welt etymologisch: erwachtes Leben). * Danach wäre âkâsha 'Welterscheinung'. Zu dieser Grundbedeutung kommt aber noch die weitere: 'Raumzeitlichkeit' hinzu. Diese ist in der vedischen Literatur in einer Reihe von Stellen nachweisbar, welche Stellen erst durch solche Duplizität der Bedeutung volle Klarheit erlangen; siehe vor allem Brihad-âranyaka-upanishad 3,8 und die Ausführungen im Oupnek'hat; dort spricht es Yâdschñavalkya mit deutlichen Worten aus, daß âkâsha 'Raum und Zeit' bedeute und mâyâ, das heißt 'Schein' sei. * Im Gegensatz zu raum-zeitlicher Welt-Erscheinung wird das Wesen der Welt als 'anâkâsham raumzeitlos' bezeichnet. Dazu hat sich die gleiche Doppelbedeutung des Wortes auch im Pâli erhalten: 'avakâso' gekürzt: 'okâso' bezeichnet Raum und Zeit zugleich; 'okâsam karoti' heißt Platz schaffen, Zeit und Raum finden. (An das Heraklitische: 'Urkörper ist die Zeit' sei hier erinnert.)—So viel an dieser Stelle um die Wiedergabe des Sanskritwortes âkâsha auf dessen Grundbedeutung gestützt, nicht wie bisher üblich durch Weltraum oder Äther, wohl aber durch 'Erscheinung'—zeiträumlicher Welterscheinung Urbestand, sub-stantia, zu rechtfertigen; vergleiche Nrisimhapûrvatâpanîyaupanishad 3: "darum soll man âkâsha als den 'Weltkeim' wissen".*

âranâda wäre etwa durch 'Sturmesausklang' wiederzugeben.

ashma hat die doppelte Bedeutung: Hammer und Ambos.

asmitâ, Ich-bin-heit. "Die Ichheit wird ein Wahn genannt, der uns an ein eigenes Sein glauben läßt" Sâñkhya Kârikâ 24, 25.

âtmâ, Seele, etymol. Atem; das der Welt zu Grunde liegende Wesen: brahma in der Erscheinung.—Die übliche Übersetzung: 'das Selbst' ist zu verwerfen solange das Wort 'Selbstsucht' im ethisch entgegengesetzten Sinne verwendet wird.

Bhagavat-gîtâ, das Hohelied der Gottheit, Episode aus dem

Mahâbhârasu-Bhagavadgîtopanihad, die vom Erhabenen verkündete

Geheimlehre.

bôdhisattva, der Erwacht-erkennende.

brahma, das dem Weltall zu Grunde liegende Wesen—Gottheit.

Brahma, der Gott Brahmá, das exoterisch zum Zwecke der Verehrung persönlich aufgefaßte brahma.—Der Tag Brahmá = Evolution der Erscheinungswelt.

Buddha, etymol. der Erwachte.

buddhi, Erkenntnis; etymol. das Erwachen.

dvandva, Paarzustände, Gegensätze.

dvandva vidya, die Lehre vom Gegensinn in der Erscheinung.

gîtâ, das Lied; siehe Bhagavadgîtâ.

himavat, Heimat des Schnees, ältere Form für Himâlaya.

gîtâ, das Lied; siehe Bhagavadgîtâ.

himavat, Heimat des Schnees, ältere Form für Himâlaya.

îshvara, der Herr, Gott.

kâma, Liebe, Trieb, Begierde (griechisch: ————). Die in der Upanishad festgehaltene Verdeutschung durch 'Verlangen' rechtfertigt sich durch die vielsagende Bedeutung des deutschen Wortes, welches eine Unzulänglichkeit und aus dieser ein 'Langen' nach 'nicht-langen' ein 'daneben-langen' und daraus wieder ein 'etwas-zu-sich- haben-wollen' —Verlangen nach Ergänzung.

karma, Tat und Taterfolg, Werk, Wirklichkeit; Gesetz der Wiedervergeltung, ausgleichende göttliche Gerechtigkeit.

mahâtma, Großbeseelter, etymol. Macht-Atem.

Mâyâ, das Blendwerk der empirischen Realität; mayâ = durch mich, also 'mayâ mâyâ' = durch mich, mit mir ist Maya!

manas, Verstand, Urteil.

nirvânâ, Seligkeit, erloschenes Verlangen.

om, feierliche Bejahung, erfurchtsvolle Anerkennung; geistige Vertiefung anstrebender, Heiliger Ausruf, mystische, das All umfassende Silbe.

Pradschâpati, mythologische Personifikation der Schöpferkraft.

rishi, königlicher Weiser, Seher.

samsâra im Gegensinn zu nirvâna: Kreislauf der Erscheinungswelt, das sinnliche Da-sein.

savitar, der Erreger: die Sonne.

upanishad, Geheimlehre, philosophischer Höhepunkt der Veden, esoterische Erkenntnis.

Yavana, Jonier; gemeint ist Aristoteles.

der Veda, Sammlung indischer heilig erachteter Schriften; das theo-sophische Wissen—Gottes-Weisheit.

* die mit Sternchen markierten Abschnitte bei der Erklärung des Sanskritwortes âkâsha sind der 2. Auflage von 1917 entnommen. Es handelt sich hierbei um zusätzliche Begriffserklärungen des Wortes. Ansonsten ist die 2. Auflage identisch mit der ersten von 1912. (Anm. F.R.)

Übersicht des Inhalts der Upanishad.

I. Einleitung.—Der Menschheit irdische Ziele.

Prüfung des aufzunehmenden Schülers. Das Leid der Welt; Frage aller

Fragen. Ungelöste Widersprüche. Der Weg zur Erkenntnis.

II. Ursprung. Erscheinung. Verkörperung der Welt—âkâsha

Zeiträumliches Dasein der Welt. Raum ist nicht in sich. Zeit ist nicht

in sich. Raum und Zeit sind eins. Zeiträumliche Verkörperung ist im

Ich.

III. Aus Ursprung der Welt: Verlangen—kâma Weltschöpferische Kraft des Verlangens. Wille im Ich ist Zeit; Unwille im Ich ist Raum. Ich-entzweiung: räumlich entgegenstehendes Verlangen; Ich-zwiespalt: zeitlich wechselndes Verlangen. Verlangen ist nicht in sich; Verlangen ist im Ich.

IV. Aus Verlangen: Tat. Wirklichkeit der Welt—karma Ursache und Wirkung. Freiheit und Notwendigkeit. Tat und Duldung. Lust und Leid. Kein Gesetz dem Wissenden. Das Trinken der Vergeltung. Ausgleichende Gerechtigkeit der Gottheit. Alles Grauen dieser Welt ruht auf Lust. Alle Wirklichkeit dieser Welt ist im Ich.

V. Aus Tat: Verstand und Urteil—manas

Urteil widerspricht sich im Raum; Urteil wechselt in der Zeit; Urteil

hebt sich in sich selbst auf. Urteil ist nicht in sich. Urteil ist

Willensausdruck. Es gibt kein Urteil—Urteil ist Ich.

VI. Durch Erkenntnis: Erwachen aus der Erscheinung—buddhi Das Verlangen der Welten. Sinnes-wahr-nehmung, Mâyâ. Neigung. Empfindung und Bewegung. Seele und Verkörperung. Das verlangende Ich ist Weltschöpfer. Die Welt denkt nur Einen Gedanken. Das weltschaffende Wort. Das Problem der Vielheit. Die letzte Ent-täuschung. Ich-lose Erkenntnis. dvandva-vidya, die Lehre von der sich selbst aufhebenden Welt. Seiend nicht seiende Welten. Traum und Wirklichkeit sind wesenseins. Das Durchschauen der Welt; Bekehrung; unio mystika. Vollendung in Gottheit—nirvâna.

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