1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 Die kirchliche Gemeinschaft ist immer eine gesandte. in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wird der Fokus von der Verteidigung des Glaubens stärker auf die Ausbreitung des Glaubens, auf die Zeugenschaft für Christus hin gelenkt. Gerade als Heilszeichen für die Kirche verdichten sich in der Firmung sowohl sakramentale Gabe und Aufgabe an den Einzelnen und an die Gemeinschaft. Die genannten Aufgaben reichen von der Ausbreitung des Glaubens in Wort und Tat, der Zeugenschaft für Christus bis hin zur Verpflichtung auf ein ethisch tugendhaftes Leben und der spirituellen Durchdringung des persönlichen Lebens.
Mit der Gabe des Heiligen Geistes ist auch verbunden, dass die Firmung im Pascha-Mysterium und im Pfingstgeschehen verortet wird. Das heißt, dass die Firmung Zeichen der Liebe und der Nähe Gottes ist, der seinen Sohn und den Heiligen Geist gesandt hat. Die Begegnung mit Gott wird in der jüdischchristlichen Tradition als personal und als väterlich-liebende beschrieben. Mit Gott in Kontakt zu treten, bedeutet, einen kommunikativen Akt einzugehen und weiterzuführen. Dazu wird in der persönlichen Biographie ein Passageritual wie die Firmung benötigt, das zwar Elemente des alltäglichen sozialen Lebens aufnehmen kann, aber nicht auf weltliche Initiationsriten reduziert beziehungsweise mit ihnen verwechselt werden soll. In den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wird der Wunsch geäußert, möglichst viele Getaufte sollen das Sakrament der Firmung empfangen. In nachkonziliarer Zeit wurde für den Empfang der Firmung die Erlangung des Vernunftgebrauchs, also das 7. Lebensjahr, vorgeschrieben. Einzelne örtliche Ausgestaltungen wurden zugelassen, in Deutschland wird die Firmung in der Regel in einem höheren Alter gespendet.
In diesem Zusammenhang können nun Sachthemen benannt werden, die in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Synoden in Deutschland mit der Firmung in Verbindung gebracht werden. Diese Themen stehen theologisch in komplexen Zusammenhängen ebenso auch ihre jeweils eigene Binnenlogik. Damit ist keine Unterscheidung und keine Trennung der Firmung in verschiedene, klar voneinander abgrenzbare Dimensionen intendiert. Es geht vielmehr um die Möglichkeit, theologische Aussagen in einen interdisziplinären Diskurs einzuführen. Gewählt wurden hierfür die Kriterien Biographie und Gemeinschaft, weil die Firmung Teil der christlichen Initiation ist. Das Gottesbild, das die Dokumente prägt und die vielfältigen Zuschreibungen von Gabe und Aufgabe, die mit der Firmung verbunden werden. Die Kriterien Glaubensleben und Kommunikation liegen thematisch nahe an der persönlichen Biographie, thematisieren aber die Beziehung zur Gemeinschaft und die persönliche Begegnung mit Gott. Letztlich folgen noch die Kriterien Passageritus und Alter der Firmanden, zu denen die Dokumente sehr ergiebige Aussagen gemacht haben. Die folgende Tabelle fasst die Sachfragen und ihre theologischen Begründungszusammenhänge kurz zusammen:
Tabelle 2: Sachthemen und ihre theologische Binnenlogik
Sachthemen |
Theologische Binnenlogik |
Biographie |
- steht in Beziehung zur meta-historischen Bedeutsamkeit der Person Jesu Christi (Zerndl)- wird geheiligt- wird mit der kirchlichen Gemeinschaft stärker verbunden |
Gemeinschaft |
- ist von Jesus Christus gesandt- muss den Blick auf alle Menschen und die gesamte Schöpfung richten- ist in konkret verfasster Gemeinde, Diözese und in der Weltkirche erfahrbar |
Gottesbild |
- ist personal- ist von einer liebenden Zuwendung zu allen Menschen geprägt- der Heilige Geist leitet die Kirche |
Gabe und Aufgabe |
- richtet sich sowohl an den Einzelnen wie an die Gemeinschaft- zusätzlich zur Firmung wird ein Charisma zum Aufbau der Kirche und zum Heil der Welt gegeben- beinhaltet eine Zeugenschaft für Jesus Christus in Wort und Tat- führt zur Ausbreitung des Glaubens |
Glaubensleben |
- beinhaltet die Verpflichtung zu einem tugendhaften Leben- steht im gemeinsamen Priestertum durch Taufe und Firmung auf einer sakramentalen Basis |
Kommunikation |
- ist eine persönliche Begegnung mit Jesus Christus in den Sakramenten- ist eine Begegnung mit der göttlichen Wirklichkeit |
Passageritual |
- kann Elemente der Initiation des alltäglichen Lebens übernehmen, darf aber nicht darauf reduziert werden- vereinigt mit Christus- geschieht durch Auflegung der Hände, Salbung der Stirn und die Formel: Sei besiegelt mit der Gabe Gottes, dem Heiligen Geist- Verortung in der konkret verfassten Gemeinde- der Pate als Begleiter unterstützt |
Alter |
- verschiedene örtliche Traditionen sind möglich und erwünscht- Voraussetzung 7. Lebensjahr |
Im Verlauf der Arbeit muss geprüft werden, ob und wie diese Themen in den wissenschaftlichen Diskurs mit Ritualwissenschaften und empirischen Sozialwissenschaften eingebracht und welche Ergebnisse herausgearbeitet werden können. Dadurch können die befreienden Erinnerungen aus der Glaubenspraxis der Kirche in den wissenschaftlichen Diskurs eingebracht werden für eine zeitgemäße Darlegung des christlichen Glaubens mittels nichttheologischer wissenschaftlicher Zugänge (Mette). Die Aussetzung der theologischen Binnenlogik mit Ergebnissen und Herangehensweisen anderer Wissenschaften soll dazu dienen, das Sakrament der Firmung besser zu verstehen und im Hinblick auf die pastorale Praxis besser zu situieren (Först). Dazu ist es allerdings notwendig, die theologisch virulenten Themen der Firmtheologie des Zweiten Vatikanischen Konzils zu fokussieren. Gerade die Firmtheologien des 20. Jahrhunderts bieten viele Ansatzpunkte zur Vertiefung und Ausweitung des Verständnisses der Firmung. Einige Themen werden aber bereits seit Jahrhunderten in der Theologiegeschichte diskutiert, wie das Beispiel der Bedeutung der persönlichen Biographie in der Firmtheologie zeigt, die bereits in der Sakramententheologie Thomas von Aquins zu entscheidender Bedeutung gekommen ist.
1.2 Blick in die Geschichte der Theologie: Firmung vom Ausgangspunkt Biographie her gesehen - die Sicht Thomas von Aquins
Als eine der großen Leistungen Thomas von Aquins gilt sein Beitrag zur Systematisierung der Sakramentenlehre 120. Auch wenn Thomas nicht als erster die Sakramente in den biographischen Kontext eines Menschenlebens eingeordnet hat, so habe er diese Analogie doch originell ausgearbeitet und zur Grundlage seiner Sakramententheologie gemacht 121. Damit wandte er sich auch von anderen möglichen Gruppierungen ierungen der Sakramente ab, wie der Einteilung nach Tugenden und Sünden 122. Während damit in der Theologie Thomas’ also die Taufe mit der Geburt aus dem Mutterschoß vergleichbar wäre, sei die Firmung mit der Stärkung vergleichbar, die das eigenständige Leben eines Menschen erst ermöglicht. Dies wird bereits im Sentenzenkommentar deutlich 123.
Taufe und Firmung erscheinen bei Thomas von Aquin als zwei Sakramente, die einerseits eng miteinander verwoben sind, weil es um die Analogie zur carnalis nativitas geht. Die Geburt aus dem Mutterschoß ist Voraussetzung für die Stärkung, die zur Überlebensfähigkeit eines Kindes beiträgt. Ähnlich ist auch die Taufe als die Eingliederung in den Leib der Kirche Voraussetzung dafür, dass der Christ / die Christin so gestärkt wird, damit er öffentlich den Namen Christi bekennen kann. Andererseits sind Taufe und Firmung auch voneinander unterschieden, denn die Eingliederung in den Leib Christi wird hier von dem öffentlichen Bekenntnis zu Christus unterschieden. Die Firmung erhält dadurch einen missionarischen Charakter, welcher der Taufe in dieser Weise nicht zugesprochen wird. Zusätzlich gerät die Firmung durch diese Bestimmung in die Nähe des Sakraments der Weihe. Während aber die Firmung „dem Getauften das übernatürliche Handeln als Privatperson [ermögliche, vervollkommene der ordo ] den Christen als Amtsperson und als führendes Glied der Kirche“ 124. Dadurch erhält die Firmung bei Thomas einen Aspekt, der auf das Handeln als gläubiger Christ / als gläubige Christin hin ausgerichtet ist. Dieses Handeln ist möglich durch die perfectio prima, die in der Taufe Grund gelegt ist. Die höchste Vervollkommnung besteht darin, mit dem primus agens in Verbind zu gelangen: „Diese Funktion habe die Eucharistie, weil sie den Christen mit Christus, der Quelle des christlichen Lebens, verbinde“ 125.
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