Vom formalen Lernen und vom Lernen in der Praxis
Einleitung
TEIL 1 ORIENTIERUNGSRAHMEN
1.1Anerkennung für alle
Emotionale Anerkennung: Arbeitsbündnis auf Vertrauensbasis
Anerkennung in der Gleichheit: Alle haben gleiche Rechte
Anerkennung in der Verschiedenheit: Jeder und jede ist einzigartig
1.2Pädagogische Haltungen
1.3Entwicklungswege zur Professionalisierung
Ungewissheit zulassen
Andere Perspektiven erwägen
Differenzieren
Sich selbst erkennen
Belastungen ernst nehmen und als Team gemeinsam unterwegs sein
TEIL 2 FÄLLE UND HINTERGRUNDINFORMATIONEN
2.1Klassengemeinschaft
Fall 1: Das Erzählen von Freizeit- und Ferienerlebnissen führt zur Demonstration von Ungleichheiten
Fall 2: Schülerinnen und Schüler greifen negative Stereotype auf
Fall 3: Die Klasse reagiert ungeduldig auf Schülerinnen und Schüler, die Unterstützung brauchen
Fall 4: Schülerinnen und Schüler, die vor Kurzem migriert sind, verhalten sich passiv
Fall 5: Schülerinnen und Schüler machen diskriminierende Äusserungen über dunkle Hautfarbe
2.2Besondere Anlässe
Fall 6: Schülerinnen und Schüler und deren Eltern nehmen an einem Schulfest nicht teil
Fall 7: Schülerinnen und Schüler kommen ohne Ausrüstung zur Schulreise
2.3Vielfalt in der Welt
Fall 8: Schülerinnen und Schüler in der Rolle von Expertinnen und Experten für «ihr» Land
2.4Sprachenvielfalt
Fall 9: Schülerinnen und Schüler sprechen nichtdeutsche Sprachen im Unterricht
Fall 10: Schülerinnen und Schüler dolmetschen füreinander
Fall 11: Schülerinnen und Schüler in der Rolle von Expertinnen und Experten für «ihre» Sprache
Fall 12: Mehrsprachig aufwachsende Schülerinnen und Schüler resignieren
2.5Chancengerechtigkeit
Fall 13: Schülerinnen und Schüler fühlen sich ungerecht behandelt, weil andere einen Ausgleich für einen Nachteil bekommen
Fall 14: Schülerinnen und Schüler fühlen sich bei Übertrittsentscheidungen aufgrund ihres «Migrationshintergrunds» benachteiligt
Fall 15: Bei einer Übertrittsentscheidung stellt sich die Frage der elterlichen Unterstützungsmöglichkeiten
2.6Flucht und Trauma
Fall 16: Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung verhalten sich auf dem Pausenplatz zurückhaltend oder überbordend
Fall 17: Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung verhalten sich aggressiv
Fall 18: Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung weigern sich, etwas scheinbar Harmloses zu tun
2.7Elternzusammenarbeit
Fall 19: Eltern mit Zuwanderungsgeschichte melden sich seltener für ein Elterngespräch an
Fall 20: Eltern legen grossen Wert auf Einteilung ihrer Kinder in die höchstmöglichen Schulstufen
Fall 21: Eltern stehen offenen Lernformen skeptisch gegenüber
Fall 22: Es gibt Schwierigkeiten, Eltern mit geringen Deutschkenntnissen über schulische Belange zu informieren
Fall 23: Eltern lehnen das Hinzuziehen eines Dolmetschers oder einer Dolmetscherin für ein Elterngespräch ab
Hintergrundinformationen
Klassen- und Schulkultur der Anerkennung
Soziale Grenzziehungsprozesse
Hautfarben und ihr koloniales Erbe
Gemeinschaftliche Anlässe und vielfältige Anliegen
Vielfalt in der Welt – ein faszinierendes Thema mit Tücken
Didaktik der Mehrsprachigkeit
Sprachen und die Frage der Zugehörigkeit
BICS und CALP: Der Vorsprung von Kindern aus bildungsprivilegierten Familienkontexten
Kurse in Heimatlicher Sprache und Kultur (HSK)
Mundart oder Standarddeutsch im Unterricht?
Chancengerechtigkeit: Anspruch, Wirklichkeit und Handlungsmöglichkeiten
Elterliches Migrationsprojekt und Bildungsaspirationen
Kinder mit Fluchterfahrung
Flucht und Trauma
Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern
Interkulturelles Dolmetschen
TEIL 3 FUNDGRUBE MIT HINWEISEN ZU WEBSITES, LITERATUR UND MATERIALIEN
3.1Hinweise, nach Themen geordnet
Migration und die Schweiz
Migration und Bildung
Vorurteile, Diskriminierung, Rassismus, Gewalt
Mehrsprachigkeit
Schulerfolg und Chancengerechtigkeit
Flucht und Trauma
Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern
3.2Hinweise, nach Medien geordnet
Allgemein
Kinderliteratur 1. Zyklus
Kinder- und Jugendliteratur 2. Zyklus
Filme
Musik, Tanz und Poesie
Die Autorinnen und der Autor
Unser Buch ist ein Gemeinschaftswerk. Wir haben uns ein Jahr lang regelmässig zusammengesetzt, erzählt, zugehört und diskutiert. «Was beschäftigt uns im Umgang mit migrationsbezogener Vielfalt?» war unsere Ausgangsfrage. Dabei haben wir uns voneinander inspirieren und irritieren lassen, gestaunt über die Vielfalt an Situationen und die damit verbundenen kreativen Wege, auch gerungen um angemessene Antworten auf offene Fragen.
Das vorliegende Buch ist das Ergebnis dieser Gespräche. Es enthält sowohl Beiträge aus der «professional community» mit einer Vielzahl an Erfahrungswerten und Anregungen aus der Unterrichtspraxis wie auch Beiträge aus der «scientific community» mit Erkenntnissen aus der Bildungsforschung und entsprechenden Hintergrundinformationen.
Angesichts der Fülle an Themen mussten wir uns beschränken. Schulentwicklungsfragen und Religionsbezüge konnten wir nur streifen; sie würden einen eigenen Band füllen. Zudem richten wir unseren Fokus auf den 1. und 2. Zyklus. An vielen Stellen lassen wir unterschiedliche Menschen mit ihren Bildungserfahrungen zu Wort kommen. Wir haben Anekdoten und Zitate von ihnen eingefügt und ihre Namen dabei meistens durch Pseudonyme ersetzt.
Bedanken möchten wir uns bei all unseren Kolleginnen und Kollegen, die uns bei der Entwicklung dieses Buchs mit ihrer Erfahrung und ihrem Fachwissen unterstützt haben.
Zum Geleit: Wie lernen Lehrpersonen in einem professionellen Umgang mit Vielfalt?
Zur Geschichte des pädagogischen Umgangs mit Migration und Vielfalt
Migration und Vielfalt sind keine neuen Phänomene im Bildungswesen der Schweiz. Seit den 1960er-Jahren ist die Zahl der Kinder von Eingewanderten in den Schulen stetig gestiegen. Ihr Anteil in Schweizer Schulen gehört zu den höchsten in den Ländern Europas und Nordamerikas. Das Bildungswesen in der Schweiz musste darauf seit Langem reagieren. Ab den 1970er-Jahren wurden unter dem Titel einer «Ausländerpädagogik» «Probleme der Gastarbeiterkinder» behandelt, indem diese durch Deutschunterricht für Fremdsprachige, Fremdsprachigenklassen und Aufgabenhilfen besondere Unterstützung erhielten. Das entsprach einer Perspektive, die schulische Defizite der Kinder reduzieren wollte. Ab den 1980er-Jahren folgte eine «interkulturelle Pädagogik», die das interkulturelle Lernen, den bereichernden Austausch und die Toleranz betonte. Dieser Ansatz wurde umgehend auch kritisiert. Kulturalistische Zuschreibungen würden die Wahrnehmung der Menschen verzerren. Die mit Migration verknüpften sozialen Ungleichheiten würden in naiver Weise verdeckt. Seit etwa dem Jahr 2000 wird nun eine Pädagogik der Diversität propagiert und verfolgt. Sie nimmt die Normalität der Vielfalt in den Blick – in ihren sozialen, sprachlichen, kulturellen, Gender- und individuellen Aspekten.
Mindestens dreimal in den letzten fünfzig Jahren wurde also ein grosser Paradigmenwechsel gefordert. Doch das Bildungssystem und die Bildungspraxis machen keine raschen Paradigmasprünge. Sie entwickeln sich langsam mit pragmatischen kleinen Schritten und Verbesserungen. Sie entwickeln sich einerseits unter dem Druck der sich ändernden demografischen Realitäten, andererseits unter dem Einfluss von ideologischen, politischen, medialen und fachlichen Diskursen, die immer kontrovers und widersprüchlich sind.
Читать дальше