Kay Biesel, Lukas Fellmann, Brigitte Müller, Clarissa Schär, Stefan Schnurr
Prozessmanual. Dialogisch-systemische Kindeswohlabklärung
Kay Biesel
Lukas Fellmann
Brigitte Müller
Clarissa Schär
Stefan Schnurr
Prozessmanual.
Dialogisch-systemische Kindeswohlabklärung
Haupt Verlag
1. Auflage: 2017
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.
eBook ISBN 978-3-258-48008-4
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Gestaltung und Satz: Traktor Grafikatelier, Münchenstein
www.haupt.ch
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
1 |
Einführung |
2 |
Grundlagen und Praxisprinzipien |
3 |
Kindeswohlabklärung als dialogisch-systemischer Prozess |
4 |
Zusammenarbeit im Kindesschutz |
5 |
Dokumentation im Kindesschutz |
6 |
Glossar |
7 |
Entstehungskontext des Prozessmanuals |
8 |
Literatur |
www.kindeswohlabklaerung.ch
Weiterführende Informationen zur Einführung und Verwendung des Prozessmanuals sowie Werkzeugkästen und Checklisten zur Prozessgestaltung von Kindeswohlablärungen stehen auf der Webseite zur Verfügung.
Übersicht Kapitel 3: Kindeswohlabklärung als dialogisch-systemischer Prozess
3.1 |
Schlüsselprozess Ersteinschätzung |
3.1.1 |
Aufgabe und Funktion |
3.1.2 |
Fachliche Herausforderungen |
3.1.3 |
Empfehlungen zur Prozessgestaltung Werkzeugkasten, Checkliste |
3.2 |
Schlüsselprozess Kindeswohleinschätzung |
3.2.1 |
Aufgabe und Funktion |
3.2.2 |
Fachliche Herausforderungen |
3.2.3 |
Empfehlungen zur Prozessgestaltung Werkzeugkasten, Checkliste |
3.3 |
Schlüsselprozess Sofortmassnahmen |
3.3.1 |
Aufgabe und Funktion |
3.3.2 |
Fachliche Herausforderungen |
3.3.3 |
Empfehlungen zur Prozessgestaltung Checkliste |
3.4 |
Schlüsselprozess Kernabklärung |
3.4.1 |
Aufgabe und Funktion |
3.4.2 |
Fachliche Herausforderungen |
3.4.3 |
Empfehlungen zur Prozessgestaltung Werkzeugkasten, Checkliste |
3.5 |
Schlüsselprozess Bedarfsklärung |
3.5.1 |
Aufgabe und Funktion |
3.5.2 |
Fachliche Herausforderungen |
3.5.3 |
Empfehlungen zur Prozessgestaltung Werkzeugkasten, Checkliste |
3.6 |
Schlüsselprozess Ergebnisklärung |
3.6.1 |
Aufgabe und Funktion |
3.6.2 |
Fachliche Herausforderungen |
3.6.3 |
Empfehlungen zur Prozessgestaltung Werkzeugkasten, Checkliste |
1
Einführung
1.1 Kindeswohlabklärungen
Kindeswohlabklärungen dienen dem Ziel, das Wohl von Kindern zu schützen und zu fördern. Sie werden erforderlich, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Lebenssituation eines Kindes von Problemlagen geprägt ist, die sein Wohlergehen beeinträchtigen und seine Entwicklung gefährden können. Am Ende einer Abklärung sollen begründete und belastbare Aussagen darüber vorliegen, ob das Wohl eines Kindes gewährleistet ist, wie allfällige Gefährdungen des Kindeswohls abgewendet werden können und wie das Kindeswohl bestmöglich geschützt, gesichert und gefördert werden kann. Dabei gilt der Grundsatz, dass das Wohl von Kindern gewahrt ist, wenn ihre altersmässigen Grundbedürfnisse befriedigt sind und ihre Rechte beachtet werden. Die Befriedigung der altersmässigen Grundbedürfnisse und die Gewährleistung der Rechte sind in Kindeswohlabklärungen demnach übergeordnete Bezugsnormen. In einer Kindeswohlabklärung geht es folglich darum, die Lebenssituation eines Kindes unter Berücksichtigung verschiedener Dimensionen (körperlich, geistig, seelisch, sozial) in einer hinreichenden Komplexität zu erfassen und mit diesen Bezugsnormen abzugleichen. Der Blick richtet sich dabei auf das Kind selbst, seinen Entwicklungsstand, seine Ressourcen und Bedürfnisse, auf seine unmittelbare Umgebung, auf die Art und Weise, wie es von den Eltern (bzw. den engsten Betreuungspersonen) versorgt wird, auf seine Erziehung und Förderung, auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind sowie auf weitere bedeutsame soziale Beziehungen des Kindes. Fachpersonen, die Abklärungen durchführen, stehen somit vor der Aufgabe, jeweils in einem engen Bezug zur konkreten Lebenssituation eines Kindes bzw. mehrerer Kinder in einer Familie begründete Einschätzungen zu folgenden Fragen zu erarbeiten: Sind die altersmässigen Grundbedürfnisse erfüllt und werden die Rechte des Kindes gewährleistet? Ist das Wohl des Kindes bereits gefährdet oder droht eine solche Gefährdung in der Zukunft – in welcher Hinsicht? Welche Antworten (Unterstützungsleistungen, Kindesschutzmassnahmen) sind erforderlich, um festgestellte oder drohende Gefährdungen abzuwenden? Welche Antworten sind erforderlich, um das Wohl des Kindes jetzt und zukünftig bestmöglich zu sichern und zu fördern? Abklärungen dienen somit immer der Vorbereitung von Entscheiden über angemessene Antworten auf eine vorgefundene Situation bzw. einen vorgefundenen Bedarf.
Was sind Anlässe für Kindeswohlabklärungen?
Etwas vereinfachend lassen sich drei typische Anlässe für Kindeswohlabklärungen unterscheiden:
• Ein Kind oder seine Eltern wenden sich an eine Fachstelle (z. B. einen Kinder- und Jugendhilfedienst, Sozialdienst) und zeigen an, dass sie sich in einer Problemsituation befinden und Unterstützung brauchen.
• Fachpersonen eines Fachdienstes gewinnen im Kontakt mit einem jungen Menschen oder einer Familie den Eindruck, dass eine Problemsituation vorliegen könnte, die das Wohl eines Kindes gefährdet und weiterer Klärung bedarf; ein Fachdienst erhält von externen Fachpersonen, Einrichtungen (Kindertagesstätte, Kindergarten, Schule) oder weiteren Personen Hinweise darauf, dass das Wohl eines Kindes gefährdet sein könnte.
• Eine Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde erhält Hinweise auf mögliche Gefährdungen des Kindeswohls oder nimmt solche selbst wahr.
Wer führt Kindeswohlabklärungen durch?
Ein Merkmal der schweizerischen Kinder- und Jugendhilfe bzw. des schweizerischen Kindesschutzsystems ist das Zusammenspiel von Fachdiensten (Kinder- und Jugendhilfediensten, Sozialdiensten) einerseits und Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) andererseits. Abklärungen des Kindeswohls werden sowohl von Fachdiensten (Kinder- und Jugendhilfediensten, Sozialdiensten) als auch von Kindes-und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) durchgeführt.
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) führen Abklärungen des Kindeswohls generell «von Amts wegen» durch (Art. 446 ZGB). Sie sind mit weitreichenden Kompetenzen und Machtmitteln ausgestattet. Unter anderem können sie eine Abklärung auch gegen den artikulierten Willen der Sorgeberechtigten anordnen. In diesem Fall gilt für die Eltern eine Mitwirkungspflicht. In Bezug auf die Organisation der Abklärungen unterscheiden sich die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB). Einige KESB führen eigene (sogenannte interne) Abklärungsdienste. Die knappe Mehrheit der insgesamt 147 Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden der Schweiz delegieren Abklärungsaufgaben ganz oder teilweise an externe Fachdienste wie zum Beispiel Kinder- und Jugendhilfedienste, Sozialdienste und andere externe Stellen (Rieder et al. 2016, S. 47f.) . Dazu können auch gewerbliche Anbieter zählen.
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