Leoni Hellmayr - Der Mann, der Troja erfand

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Auch ohne Troja wäre das Leben des Heinrich Schliemann jede Biografie wert. Durch die Entdeckung Trojas aber hat er unsterblichen Ruhm erlangt.
Der Pastorensohn arbeitete sich vom Lagergehilfen zum steinreichen Kaufmann herauf, mit Stationen in den Niederlanden, den USA und Russland. Schliemann war ein begnadetes Sprachgenie: Er beherrschte Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch und Neugriechisch. Er studierte Latein und Altgriechisch an der Sorbonne und unternahm Forschungsreisen nach Asien, nach Nord- und Südamerika. In seinem dritten Leben schließlich ging er mit der Entdeckung Trojas, Tiryns und Mykenes in die Geschichte ein. Seine Grabungsmethoden wurden teils heftig kritisiert, teils aber entwickelte er auch revolutionäre archäologische Methoden, die heute noch Anwendung finden. Die Archäologin Leoni Hellmayr legt die glänzend erzählte Biografie einer hoch widersprüchlichen Figur vor, die zur Zentralgestalt der Archäologiegeschichte werden sollte.

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Leoni Hellmayr studierte Klassische Archäologie und Alte Geschichte an der Universität Freiburg. Heute ist sie als freie Fachjournalistin und Autorin tätig.

wbg Paperback macht die wichtigsten Titel großer Autor:innen aus dem Programm der wbg in einer jungen und wertigen Edition für alle neugierigen Leser:innen zugänglich. Als wbg Paperback auch erhältlich:

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Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

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wbg Paperback ist ein Imprint der wbg.

© 2021 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt)

Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht.

Lektorat: Kristine Althöhn, Mainz

Einbandabbildung: Heinrich Schliemann in orientalischem Kostüm,

Foto © American School of Classical Studies at Athens, Archives,

Heinrich Schliemann Papers

Einbandgestaltung: Andreas Heilmann, Hamburg

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-27349-2

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:

eBook (PDF): 978-3-534-27385-0

eBook (epub): 978-3-534-27389-8

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Inhaltsverzeichnis

Informationen zum Buch

Impressum

Inhalt

Vorwort

Metamorphose

Krise

Impuls

Chaos

Fieber

Geburt

Nachwort

Literaturverzeichnis

Abbildungsnachweis

Meinen Kindern Josephine und Samuel gewidmet

Vorwort

»Jeder Archäologe spürt im Herzen, warum er gräbt. Er gräbt …,

um … die Toten wieder lebendig werden zu lassen, damit das,

was vorüber ist, dennoch nicht für immer verloren sei.«

Geoffrey Bibby, englischer Archäologe

Wenn wir, zweihundert Jahre nach seiner Geburt, eines über Heinrich Schliemann mit Bestimmtheit wissen, so ist es, dass er längst nicht nur der Troja-Entdecker war. Zweifellos hat ihn aber erst die archäologische Ausgrabung auf dem Hügel Hissarlik weltberühmt gemacht. Warum hatte er sich mit einundfünfzig Jahren überhaupt noch in ein solches Abenteuer begeben?

Je mehr ich mich für dieses Buch mit Schliemanns Leben auseinandersetzte, desto deutlicher zeigte sich, dass von allen möglichen Antworten auf diese Frage insbesondere eine heraussticht: Schliemann ertrug keinen Stillstand.

Doch worauf gründete seine innere Unruhe, seine andauernde Rastlosigkeit? Verhaltensmuster können bereits sehr früh entstehen, und man muss kein Psychologe sein, um die Ereignisse, die uns aus Schliemanns Kindheit bekannt sind, mit ihrem extrem traumatischen Wirkungspotenzial auch so zu deuten.

Kaum zwei Monate nach seiner Geburt starb Heinrich Schliemanns sechsjähriger Bruder. Auch wenn Schliemann zu diesem Zeitpunkt noch nicht fähig war, den Tod eines Familienangehörigen zu begreifen, dürfte er dennoch durch die Empfindungen seiner Eltern – ob nun offen ausgelebt oder unterdrückt – etwas davon gespürt haben.

Im Alter von neun Jahren verlor Schliemann daraufhin seine Mutter. Von Beginn an gab er seinem Vater die Schuld für ihren Tod, und wie es scheint, war diese Schuldzuweisung berechtigt. Das unsittliche Verhalten seines Vaters, der als Pfarrer von Ankershagen im heutigen Mecklenburg-Vorpommern auch innerhalb seiner Gemeinde eine Vorbildfunktion zu erfüllen hatte, entwickelte sich bald darauf zum öffentlichen Skandal. Den Unmut der Dorfbewohner bekamen die Kinder Ernst Schliemanns deutlich zu spüren. Wenn ein kleiner Junge keine Freunde mehr hat, weil die anderen nicht mehr mit ihm spielen dürfen, wird er das sicherlich nicht so leicht vergessen. Die frühe Phase aufgezwungener Einsamkeit könnte Schliemann geprägt haben. Als Ausweg aus dieser entsetzlichen Situation sah sein Vater nur das Wegbringen seiner Kinder. Und so musste Heinrich Schliemann mit zehn Jahren Ankershagen verlassen, ebenso wie seine Geschwister, die sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuten. Die Familie war zerbrochen und damit zugleich die Schutzzone verloren, in der ein Kind oder ein Heranwachsender die Chance hätte, sich selbst kennenzulernen und allmählich seine Persönlichkeit zu entwickeln.

Schliemann hingegen war von nun an ein Reisender. Mal blieb er mehrere Jahre an einem Ort, oft aber nur wenige Monate, Wochen oder gar Tage. Im Prinzip war er immer unterwegs. Bewegung und Rastlosigkeit, ob körperlich oder geistig, gehörten als feste Größen in sein Leben – seine verzweifelte Suche nach etwas, vielleicht nach sich selbst, offenbar auch.

Ebenso wie die Kindheit einen Menschen prägt, kann auch die eigene Generation oder, in noch weiterem Sinne betrachtet, das eigene Zeitalter ein Leben maßgeblich beeinflussen.

In Europa war das 19. Jahrhundert eine Epoche, in der eine optimistische Zukunftsoffenheit einem bewussten Rückblick auf die Vergangenheit gegenüberstand. Der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft brachte viele technische Errungenschaften und Neuheiten mit sich: Massenproduktion, Telegrafie, internationaler Handel und neue Transportmittel wie die Eisenbahn. Durch diesen Fortschritt entstand ein völlig neues Begreifen von Raum und Zeit. Scheinbar gab es keine unüberwindbaren Grenzen mehr, die Welt war so intensiv vernetzt wie niemals zuvor. Das führte in der Folge nicht nur zu einer neuen Form von Freiheit, sondern auch zu neuen gesellschaftlichen Zwängen. So war das Leben mithilfe der standardisierten Zeitmessung fortan streng getaktet; Pünktlichkeit wurde zu einer Selbstverständlichkeit.

Mit dem Fortschritt gingen zugleich manche traditionellen Werte und Glaubenssysteme verloren – das tief menschliche Bedürfnis nach Stabilität und Kontinuität musste in anderer Weise gestillt werden. Etwa durch die Beschäftigung mit der Menschheitsgeschichte – ausgerechnet in diesen Zeiten des Wandels liegen die wahren Anfänge der Archäologie.

Heinrich Schliemann war in vielerlei Hinsicht ein »Kind seiner Zeit«, und so war es mir ein Anliegen, in diesem Buch seine Lebensereignisse wie auch seine Taten in den größeren Zusammenhang des Zeitgeschehens einzubetten.

Dank seines Ehrgeizes und seines Talents schaffte er den Weg aus seiner Armut heraus aus eigener Kraft, begann bereits in seinen frühen Zwanzigern eine erfolgreiche Kaufmannskarriere und war mit vierzig Jahren schließlich Millionär. In seinem Beruf halfen ihm nicht nur Glück, sondern auch eine große Portion Mut, neue Wege zu gehen, sowie ein bemerkenswertes Gespür dafür, welche Geschäfte mit welcher Ware Gewinn in der Zukunft bringen könnten. Doch als er reich genug war, um sich zur Ruhe setzen zu können, tat er dies keinesfalls. Er beendete die Kaufmannstätigkeit und suchte nun nach einer Aufgabe, die ihn geistig erfüllen würde – die aber zugleich noch eine viel größere Bedeutung haben sollte. Schliemann wollte sich einen gebührenden Platz in der Gesellschaft verschaffen. Schließlich entschied er sich für die Beschäftigung mit der Vergangenheit. Archäologie wurde seine Passion.

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