Zum ersten Mal trat der Spielansager vor, und über die Stille der Menschen auf dem weiten Platz kam der Auftakt des » Spieles vom Sterben des reichen Mannes« –
zum ersten Mal die Stimme des Herrn von der Höhe des Domes, in seiner Zwiesprache mit dem Tod –
zum ersten Mal der Auftritt Moissis aus der Reihe der Zuschauer, wo er in dunklem Mantel gesessen hatte –
zum ersten Mal der Arme Nachbar; – Schuldknechts Weib, Tiny Senders, mit zwei Salzburger Kindern –
zum ersten Mal die vergnügten Fackelbuben, die in vielen Proben in der Aula vom Hilfsregisseur Richard Metzl abgerichtet worden waren – die Buhlschaft von Johanna Terwin, der Gattin Moissis – das Auftreten der Tischgesellschaft aus den Domarkaden, ihr marionettenhafter Tanz – die lange Tafel, und zum ersten Mal Moissis Erschauern vor der Ungeheuerlichkeit des Todes –
zum ersten Mal Krauß als Tod und als Teufel – den Hofmannsthal allerdings lieber von einem Komiker als von einem Charakterdarsteller gespielt haben wollte. Hofmannsthal hatte dies in einem an mich gerichteten Brief für Reinhardt, in dem es um Besetzungsfragen ging, ausführlich begründet. Er schrieb, dass ihn
…bezüglich der Besetzung von Jedermann alles befriedige bis auf den leidigen Punkt, daß nun abermals den Teufel ein Charakterspieler geben soll an Stelle eines Komikers; wenn auch ein sehr guter Charakterspieler, nämlich Krauß. Der Teufel ist nun aber einmal der Hanswurst, und gar in einer naiveren Sphäre, wie es das katholische und ländliche Salzburg ist, scheint mir alles darauf anzukommen, daß es in diesem Punkt stimmt. Die andere Figur, die unbedingt von einem Komiker gespielt werden müßte, ist der Dünne Vetter …
Zum ersten Mal Helene Thimig, die später den Glauben spielte, damals als Gute Werke, Dieterle, der Gute Gesell, Frieda Richard als Jedermanns Mutter – und dann der dunkle Leichenzug im Schatten des Domes, während Jedermanns Seele sich zum Himmel aufschwingt.
Zum ersten Mal die Jedermann-Rufe von den Türmen der Kirchen und, der erschütterndste von allen: der Jedermann-Ruf von der Festung, den der Wind geisterhaft herabtrug –
zum ersten Mal der Flug der Tauben, die, ihrem eigenen Stichwort folgend, unverhofft aus den Domtüren aufflogen, aber immer, so schien es, an einer Stelle des Dialoges, die ihrem Flug etwas Symbolisches gab –
zum ersten Mal das Spiel von Sonne und Wolken, von jähen Windstößen, die Todesschauer über die gebannte Menge der Zuschauer trugen –
zum ersten Mal die Dämmerung, die sich kühl über den Platz herabsenkte, so dass zuletzt nur noch die Türme des Domes im warmen Licht des Sonnenunterganges ragten. Leise vom Winde bewegt der gotische Faltenwurf des blauen Mantels des Glaubens, der aus der Dunkelheit des Domportales trat, die Engel – und schließlich der Jubel der himmlischen Chöre.
Zum ersten Mal Moissis erschütterndes Vaterunser.
Reinhardt saß in der Nähe des Fürsterzbischofs, dem in andächtigem Zuhören stille Tränen über die Wangen rollten. Als er Reinhardt nach der Vorstellung die Hand drückte, sagte er, dass diese Aufführung besser sei als eine Predigt.
So wurde am 22. August 1920 der Grundstein für ein wahres Festspiel gelegt, das, nach achtzehn triumphalen Jahren, die Okkupation Österreichs, Krieg und Nachkriegsnot überdauern sollte, um selbst heute noch weiterzubestehen.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.